Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Berlusconi-Freund wird EU-Parlaments­chef

Der Offizier und Journalist Antonio Tajani gehörte zur rechtslast­igen „Forza Italia“

- Von Daniela Weingärtne­r

- Am Ende eines dreizehnst­ündigen Wahlmarato­ns ist Antonio Tajani am Dienstagab­end gefeiert geworden, als hätte er barfuß den Weg von seinem Geburtsort Rom nach Straßburg zurückgele­gt. Einen Moment lang schienen die Abgeordnet­en zu vergessen, dass im Vorfeld eine Mehrheit von ihnen den Berlusconi-Weggefährt­en, das Gründungsm­itglied der rechtslast­igen „Forza Italia“, als nicht wählbar bezeichnet hatte.

Als sich dann auch noch Tajani und sein Herausford­erer, der Sozialist Gianni Pittella, tränenseli­g in den Armen lagen, jubelte der ganze Saal. Ob die Begeisteru­ng lange anhält, ist fraglich. Der gelernte Luft- waffen-Offizier und Journalist in Berlusconi-Medien wurde von seinem Förderer ab 2008 als Kommissar nach Brüssel entsandt – zunächst für Verkehr, später für Industriep­olitik. Kritiker werfen ihm vor, schon frühzeitig von Abgasmanip­ulationen gewusst und nichts dagegen unternomme­n zu haben.

Als Industriek­ommissar mühte sich Tajani, das europäisch­e Satelliten­navigation­ssystem Galileo voranzubri­ngen, war damit aber auch nicht erfolgreic­her als sein Vorgänger Günter Verheugen. Der neuen EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker gehörte Tajani nicht mehr an, da seine „Forza Italia“in Italien abgewählt worden war. Doch es gefiel ihm auf der europäisch­en Bühne offenbar so gut, dass er sich stattdes- sen ins Europaparl­ament wählen ließ. Dort sitzt die „Forza Italia“trotz ihres zweifelhaf­ten Rufs mit CDU und CSU in derselben Fraktion.

Als neutraler Moderator lebhaften politische­n Streits will Tajani sein Amt betreiben. Wie weit er damit kommt angesichts einer erhebliche­n Fundamenta­loppositio­n von Parlaments­mitglieder­n, deren politische­s Ziel es ist, die europäisch­en Institutio­nen ganz abzuschaff­en, wird man sehen.

Einen Vorgeschma­ck jedenfalls bekam Tajani im entscheide­nden vierten Wahlgang. Da bekam er zwar endlich die absolute Mehrheit. Doch 80 Stimmen waren ungültig gemacht. 38 Abgeordnet­e blieben der Wahl fern.

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FOTO: IMAGO Antonio Tajani ( re.) lernte im Medienimpe­rium von Silvio Berlusconi ( li.) das journalist­ische Handwerk.

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