Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Berlusconi-Freund wird EU-Parlamentschef
Der Offizier und Journalist Antonio Tajani gehörte zur rechtslastigen „Forza Italia“
- Am Ende eines dreizehnstündigen Wahlmaratons ist Antonio Tajani am Dienstagabend gefeiert geworden, als hätte er barfuß den Weg von seinem Geburtsort Rom nach Straßburg zurückgelegt. Einen Moment lang schienen die Abgeordneten zu vergessen, dass im Vorfeld eine Mehrheit von ihnen den Berlusconi-Weggefährten, das Gründungsmitglied der rechtslastigen „Forza Italia“, als nicht wählbar bezeichnet hatte.
Als sich dann auch noch Tajani und sein Herausforderer, der Sozialist Gianni Pittella, tränenselig in den Armen lagen, jubelte der ganze Saal. Ob die Begeisterung lange anhält, ist fraglich. Der gelernte Luft- waffen-Offizier und Journalist in Berlusconi-Medien wurde von seinem Förderer ab 2008 als Kommissar nach Brüssel entsandt – zunächst für Verkehr, später für Industriepolitik. Kritiker werfen ihm vor, schon frühzeitig von Abgasmanipulationen gewusst und nichts dagegen unternommen zu haben.
Als Industriekommissar mühte sich Tajani, das europäische Satellitennavigationssystem Galileo voranzubringen, war damit aber auch nicht erfolgreicher als sein Vorgänger Günter Verheugen. Der neuen EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker gehörte Tajani nicht mehr an, da seine „Forza Italia“in Italien abgewählt worden war. Doch es gefiel ihm auf der europäischen Bühne offenbar so gut, dass er sich stattdes- sen ins Europaparlament wählen ließ. Dort sitzt die „Forza Italia“trotz ihres zweifelhaften Rufs mit CDU und CSU in derselben Fraktion.
Als neutraler Moderator lebhaften politischen Streits will Tajani sein Amt betreiben. Wie weit er damit kommt angesichts einer erheblichen Fundamentalopposition von Parlamentsmitgliedern, deren politisches Ziel es ist, die europäischen Institutionen ganz abzuschaffen, wird man sehen.
Einen Vorgeschmack jedenfalls bekam Tajani im entscheidenden vierten Wahlgang. Da bekam er zwar endlich die absolute Mehrheit. Doch 80 Stimmen waren ungültig gemacht. 38 Abgeordnete blieben der Wahl fern.