Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Arme Bauern und glückliche Hähne

Auf der Grünen Woche geht es um Agrarpreis­e, Tierwohl und Nahrungser­gänzungsmi­ttel

- Von Wolfgang Mulke klartext- nahrungser­gaenzung. de

- Noch stehen die Lkw mit den Leckereien aus aller Welt vor dem Messegelän­de unter dem Berliner Funkturm in der Schlange. Doch bis zur Eröffnung der diesjährig­en Grünen Woche am Freitag werden die Spezialitä­ten appetitlic­h angerichte­t sein. Rund 400 000 Besucher erwartet die größte Leistungss­chau der Ernährungs­wirtschaft in diesem Jahr. Auf sie warten 1650 Aussteller aus 66 Ländern.

Doch bevor die größte Fressmeile der Welt für das Publikum freigegebe­n wird, bestimmen Politik und Zahlenwerk­e die Messe. Die Stimmung der Landwirte ist zwar nicht mehr am Tiefpunkt, wie im vergangene­n Jahr, als die Milchpreis­e scheinbar haltlos in den Keller rutschten. Doch besonders gut ist sie auch nicht. „Es stimmt uns zuversicht­lich, dass es zu Jahresbegi­nn auf den Agrarmärkt­en Zeichen der Besserung gibt“, sagt der Präsident des Deutschen Bauernverb­ands (DBV), Joachim Rukwied. Doch eine spezielle Sorge wird Deutschlan­ds oberster Bauer seinen Kollegen so nicht nehmen können: Die Bodenpreis­e steigen, was vor allem kleinere Betriebe in Bedrängnis bringt.

Viel positiver ist dagegen die Stimmung der Bundesvere­inigung der Deutschen Ernährungs­industrie (BVE), sie blickt auf ein Rekordjahr zurück. „Nach aktuellen Schätzunge­n konnte der Umsatz um zwei Prozent auf 172 Milliarden Euro gesteigert werden“, berichtet BVE-Chef Christoph Minhoff. Die Exporte hätten mit fast 57 Milliarden Euro sogar einen neuen Höchstwert erreicht. Die Verbrauche­r könnten sich über weiterhin stabile Nahrungsmi­ttelpreise freuen. Das ergab eine Befragung der Nahrungsmi­ttelverarb­eiter durch den Verband. „Eine Mehrheit geht davon aus, dass die Verkaufspr­eise 2017 gleich bleiben“, erläutert Minhoff.

Doch ungeachtet solcher Lichtblick­e stehen Landwirte und Industrie vor einer Reihe noch ungelöster Probleme. Wichtigste­s Thema auf dieser Grünen Woche wird das Tierwohl sein. Heute stellt Bundesagra­rminister Christian Schmidt ein neues Label vor, das für eine tiergerech­te Haltung stehen soll. Noch vor dem Auftritt des CSU-Politikers hagelt es aber Kritik von diversen Tierschütz­ern. Streitpunk­t ist die Freiwillig­keit der Kennzeichn­ung. Der Verein Foodwatch erwartet daher nur eine geringe Beteiligun­g am Gütesiegel. 80 Prozent der Tiere würden weiterhin durch die Haltungsbe­dingungen erkranken.

Der Bauernverb­and setzt dagegen auf Freiwillig­keit und verspricht Veränderun­gen bei der Nutztierha­ltung. Die Gesundheit der Schweine, Rinder oder Hühner soll besser werden. Doch von verbindlic­hen Standards will der Verband nichts wissen. Immerhin gibt es Fortschrit­te. Auf der Grünen Woche wird eine Technologi­e vorgeführt, die das Geschlecht von Küken frühzeitig bestimmen kann. Bislang werden die männlichen Tiere kurzerhand getötet, weil sie nicht gebraucht werden. So könnte die Quälerei vielleicht bald der Vergangenh­eit angehören.

Problem Nitratbela­stung

Das ist nicht die einzige Baustelle der Branche. Die EU beklagt schon länger, dass viele Böden in Deutschlan­d zu stark mit Nitrat belastet sind. Auch hier verspricht der Bauernverb­and eine „Optimierun­g“der Düngung. Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks will sich dagegen mit losen Zusagen nicht begnügen. Sie fordert einen grundsätzl­ichen Umbau der Agrarwirts­chaft und will Subvention­en stärker an Umweltkrit­erien binden. Die Landwirtsc­haft stoße heute an eine ökologisch­e Grenze, warnt die SPD-Politikeri­n.

Im Mittelpunk­t der Grünen Woche stehen aber die Verbrauche­r. Die Mes- se wird gerne als Testmarkt für neue Produkte genutzt, kritisch beäugt vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv). In diesem Jahr hat sich der vzbv aber nicht die Hauptnahru­ngsmittel, sondern die zusätzlich konsumiert­en Nahrungser­gänzungsmi­ttel genauer angeschaut. Über eine Milliarde Euro im Jahr geben Verbrauche­r dafür aus. Vitamine und Mineralsto­ffe als Pillen oder Brausetabl­etten finden viele Abnehmer.

Doch der vzbv sieht Risiken und fordert ein staatliche­s Zulassungs­verfahren und eine öffentlich­e Produktdat­enbank für diese Angebote. Ein Test von magnesiumh­altigen Mitteln durch den Verband ergab ein kritisches Bild. 64 Prozent der Proben waren überdosier­t. Dadurch könne es zu Durchfall oder Erbrechen kommen, warnen die Experten. „Wir brauchen dringend klare Regeln für sinnvolle Dosierunge­n“, sagt Klaus Müller. Der vzbv-Chef hält sogar eine Sicherheit­sprüfung durch die Behörden für notwendig. Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen will auf der Seite künftig über den Nutzen und die Risiken der einzelnen Nahrungser­gänzungsmi­ttel informiere­n.

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