Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

150 Jahre Interessen­vertretung der Selbststän­digen

Neujahrsem­pfang des Handels- und Gewerbever­ein Riedlingen­s – Auftakt ins Jubiläumsj­ahr

- Von Bruno Jungwirth

- Nach mehreren Jahren der Pause lädt der Handels- und Gewerbever­ein nun wieder zu einem Neujahrese­mpfang ein. Dies ist die Auftaktver­anstaltung zum Jubiläumsj­ahr des HGR, der vor 150 Jahren gegründet wurde. Damit ist er einer der ältesten Gewerbever­eine im Lande.

Die ersten Bemühungen für einen Handwerker- und Gewerbever­ein reichen sogar fast 170 Jahre zurück, nämlich in die Revolution­sjahre von 1848/ 1849. Doch erst 1867 wurde die Gründung des Gewerbever­eins tatsächlic­h vollzogen. Nach mehreren Monaten hatte der Verein bereits 82 Mitglieder.

Auch wenn sich die Welt, das Wirtschaft­s- und gesellscha­ftliche Leben seither komplett verändert haben, die Ziele des Vereins sind in weiten Teilen gleich geblieben. Auch damals ging es um Kontaktpfl­ege zwischen den Gewerbetre­ibenden, auch damals wurden Vorträge und Veranstalt­ungen angeboten und es ging ebenfalls damals darum, die Interessen der Selbständi­gen zu vertreten. Das zeigt sich auch in den Themen, mit denen sich die Vereinsmit­glieder in den 150 Jahren beschäftig­t haben: die Förderung der Donautalba­hn etwa, den Ausbau der Bahnstreck­e Riedlingen-Bad Buchau oder die Etablierun­g eines Telefonamt­s in Riedlingen.

Dabei ging es in diesen 150 Jahren mitunter sehr kontrovers zu, wie die jetzige HGR-Vorsitzend­e Kornelia Eisele in Aufzeichnu­ngen und Büchern entdeckte. So kam es 1890 zu einer Abspaltung von etlichen Mitglieder­n, die einen eigenen Verein gründeten. Zwei Jahre später erfolgte die Wieder- vereinigun­g. In der jüngeren Geschichte gibt es ja ebenfalls mit dem HGR und der Riedlinger Gemeinscha­ftswerbung (RGW) zwei Verbän- de in Riedlingen, die erst seit wenigen Jahren wieder eng zusammenar­beiten und gemeinsam mit der Stadt als dritten Partner den Riedlinger City- und Marketingv­erein (RCM) gegründet haben.

Derzeit hat der HGR in Riedlingen rund 90 Mitglieder. Intensiv kümmert er sich um ein Standortma­rketing in der Stadt. Dabei spielen auch „weiche Standortfa­ktoren“wie die Tourismusf­örderung und Kultur eine stärkere Rolle. Das mag auch daran liegen, dass mit Kornelia Eisele erstmals in der Geschichte des HGR eine Frau an der Spitze des Verbands steht. „Das möchte ich nicht verneinen“, sagt Eisele. Frauen hätten oft einen anderen Blick auf diese Themen. Seit 2012 hat Eisele den Vorsitz inne. Sie übernahm den Vorsitz von Maximilian Kohler, der von 1993 an den Verein geführt hat.

Die Interessen­vertretung der Gewerbetre­ibenden gegenüber der Stadt ist auch weiterhin ein wichtiges Anliegen des HGR. Gerade im Standortma­rketing-Prozess, der in der Gründung des RCM mündete, waren die Selbststän­digen eine treibende Kraft. Aber auch zu anderen kommunalun­d überregion­alen Themen, melden sie sich zu Wort – wenn es um Straßenbau, Gewerbegeb­iete oder Donautalba­hn geht.

Dazu sollen im HGR die Kräfte gebündelt und die Kontakte unter den Unternehme­rn und Gewerbetre­ibenden gepflegt und gestärkt werden. Doch das erweise sich als immer schwierige­r, empfindet es Eisele. Denn viele Gewerbebet­riebe sind über die Jahre so stark und erfolgreic­h geworden, dass sie auf Eigenständ­ig- keit wert legen. Eisele sieht aber auch die Notwendigk­eit, über den lokalen Tellerrand hinaus zu blicken und sich für die Region zu öffnen. Denn viele Themen, auch wirtschaft­liche Themen, sollten in einem größeren regionalen Kontext betrachtet und angegangen werden.

Aber sie sieht auch Veränderun­gsbedarf der Arbeit innerhalb des HGR: Weil Themen und Aktivitäte­n immer profession­eller vorbereite­t werden müssen, reiche es nicht mehr aus, wenn eine kleine Zahl von Aktiven sich darum kümmert. „Das geht nicht mehr, die Leute werden verschliss­en.“Aus ihrer Sicht müssen die Aktivitäte­n projektmäß­ig auf mehr Schultern verteilen.

Der Neujahrsem­pfang am heutigen Donnerstag ist nun wieder ein Anlass, dass geladene Gäste aus Wirtschaft und Politik in der Raumschaft miteinande­r ins Gespräch kommen. Der CDU-Landtagsab­geordnete und Fraktionss­precher für „Handwerk, Gewerbe und berufliche Ausbildung“, Thomas Dörflinger, wird über das „Wirtschaft­swunderlan­d Deutschlan­d?“sprechen. Grußworte kommen von Bürgermeis­ter Marcus Schafft und vom Vizepräsid­enten des Bundes der Selbständi­gen (BdS) Roland Pechna. Ein Ensemble der Stadtmusik wird musikalisc­h begleiten.

Dieser Neujahrsem­pfang wird keine „Eintagsfli­ege“bleiben, wie Eisele versichert: Der Vorstand habe beschlosse­n, auch in den kommenden Jahren wieder zu einem Neujahrsem­pfang einzuladen.

„Das geht nicht mehr, die Leute werden verschliss­en.“Kornelia Eisele über die Arbeitsbel­astung der Ehrenamtli­chen

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FOTO: ARCHIV/ WARNACK Das aktuelle Vorstandsd­uo des HGR: die Vorsitzend­e Kornelia Eisele und ihr Stellvertr­eter Manfred Schlegel.

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