Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
150 Jahre Interessenvertretung der Selbstständigen
Neujahrsempfang des Handels- und Gewerbeverein Riedlingens – Auftakt ins Jubiläumsjahr
- Nach mehreren Jahren der Pause lädt der Handels- und Gewerbeverein nun wieder zu einem Neujahresempfang ein. Dies ist die Auftaktveranstaltung zum Jubiläumsjahr des HGR, der vor 150 Jahren gegründet wurde. Damit ist er einer der ältesten Gewerbevereine im Lande.
Die ersten Bemühungen für einen Handwerker- und Gewerbeverein reichen sogar fast 170 Jahre zurück, nämlich in die Revolutionsjahre von 1848/ 1849. Doch erst 1867 wurde die Gründung des Gewerbevereins tatsächlich vollzogen. Nach mehreren Monaten hatte der Verein bereits 82 Mitglieder.
Auch wenn sich die Welt, das Wirtschafts- und gesellschaftliche Leben seither komplett verändert haben, die Ziele des Vereins sind in weiten Teilen gleich geblieben. Auch damals ging es um Kontaktpflege zwischen den Gewerbetreibenden, auch damals wurden Vorträge und Veranstaltungen angeboten und es ging ebenfalls damals darum, die Interessen der Selbständigen zu vertreten. Das zeigt sich auch in den Themen, mit denen sich die Vereinsmitglieder in den 150 Jahren beschäftigt haben: die Förderung der Donautalbahn etwa, den Ausbau der Bahnstrecke Riedlingen-Bad Buchau oder die Etablierung eines Telefonamts in Riedlingen.
Dabei ging es in diesen 150 Jahren mitunter sehr kontrovers zu, wie die jetzige HGR-Vorsitzende Kornelia Eisele in Aufzeichnungen und Büchern entdeckte. So kam es 1890 zu einer Abspaltung von etlichen Mitgliedern, die einen eigenen Verein gründeten. Zwei Jahre später erfolgte die Wieder- vereinigung. In der jüngeren Geschichte gibt es ja ebenfalls mit dem HGR und der Riedlinger Gemeinschaftswerbung (RGW) zwei Verbän- de in Riedlingen, die erst seit wenigen Jahren wieder eng zusammenarbeiten und gemeinsam mit der Stadt als dritten Partner den Riedlinger City- und Marketingverein (RCM) gegründet haben.
Derzeit hat der HGR in Riedlingen rund 90 Mitglieder. Intensiv kümmert er sich um ein Standortmarketing in der Stadt. Dabei spielen auch „weiche Standortfaktoren“wie die Tourismusförderung und Kultur eine stärkere Rolle. Das mag auch daran liegen, dass mit Kornelia Eisele erstmals in der Geschichte des HGR eine Frau an der Spitze des Verbands steht. „Das möchte ich nicht verneinen“, sagt Eisele. Frauen hätten oft einen anderen Blick auf diese Themen. Seit 2012 hat Eisele den Vorsitz inne. Sie übernahm den Vorsitz von Maximilian Kohler, der von 1993 an den Verein geführt hat.
Die Interessenvertretung der Gewerbetreibenden gegenüber der Stadt ist auch weiterhin ein wichtiges Anliegen des HGR. Gerade im Standortmarketing-Prozess, der in der Gründung des RCM mündete, waren die Selbstständigen eine treibende Kraft. Aber auch zu anderen kommunalund überregionalen Themen, melden sie sich zu Wort – wenn es um Straßenbau, Gewerbegebiete oder Donautalbahn geht.
Dazu sollen im HGR die Kräfte gebündelt und die Kontakte unter den Unternehmern und Gewerbetreibenden gepflegt und gestärkt werden. Doch das erweise sich als immer schwieriger, empfindet es Eisele. Denn viele Gewerbebetriebe sind über die Jahre so stark und erfolgreich geworden, dass sie auf Eigenständig- keit wert legen. Eisele sieht aber auch die Notwendigkeit, über den lokalen Tellerrand hinaus zu blicken und sich für die Region zu öffnen. Denn viele Themen, auch wirtschaftliche Themen, sollten in einem größeren regionalen Kontext betrachtet und angegangen werden.
Aber sie sieht auch Veränderungsbedarf der Arbeit innerhalb des HGR: Weil Themen und Aktivitäten immer professioneller vorbereitet werden müssen, reiche es nicht mehr aus, wenn eine kleine Zahl von Aktiven sich darum kümmert. „Das geht nicht mehr, die Leute werden verschlissen.“Aus ihrer Sicht müssen die Aktivitäten projektmäßig auf mehr Schultern verteilen.
Der Neujahrsempfang am heutigen Donnerstag ist nun wieder ein Anlass, dass geladene Gäste aus Wirtschaft und Politik in der Raumschaft miteinander ins Gespräch kommen. Der CDU-Landtagsabgeordnete und Fraktionssprecher für „Handwerk, Gewerbe und berufliche Ausbildung“, Thomas Dörflinger, wird über das „Wirtschaftswunderland Deutschland?“sprechen. Grußworte kommen von Bürgermeister Marcus Schafft und vom Vizepräsidenten des Bundes der Selbständigen (BdS) Roland Pechna. Ein Ensemble der Stadtmusik wird musikalisch begleiten.
Dieser Neujahrsempfang wird keine „Eintagsfliege“bleiben, wie Eisele versichert: Der Vorstand habe beschlossen, auch in den kommenden Jahren wieder zu einem Neujahrsempfang einzuladen.
„Das geht nicht mehr, die Leute werden verschlissen.“Kornelia Eisele über die Arbeitsbelastung der Ehrenamtlichen