Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Die ,große Krise’ ist nicht ausgebroch­en“

Der Konstanzer Polizeiprä­sident Ekkehard Falk widerspric­ht einem Bericht über die Unzufriede­nheit mit der Polizeiref­orm

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- Keine Spur von Krise: So sieht es zumindest Ekkehard Falk, Chef des Polizeiprä­sidiums Konstanz. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hatte über die Unzufriede­nheit von Ordnungshü­tern mit der Polizeiref­orm und ihren Folgen berichtet. Es sei eigentlich zu früh, über die neuen Strukturen zu richten, sagt Falk im Gespräch mit Martin Hennings. Die bloßen Zahlen und Ergebnisse sprechen seiner Einschätzu­ng nach für die Reform.

„Polizei in der Region gibt sich selbst schlechte Noten“– unter der Überschrif­t hat die „Schwäbisch­e Zeitung“an Silvester über die eigentlich geheimen Ergebnisse einer Mitarbeite­rbefragung bei Baden-Württember­gs Polizei berichtet. Die Umfrage ist Teil einer derzeit laufenden Überprüfun­g der Polizeistr­ukturrefor­m des Jahres 2014, an deren Konzeption sie mitgearbei­tet haben. Wir gehen jetzt mal davon aus, dass Sie über den Bericht nicht sonderlich erfreut waren.

Ja, das sehen Sie richtig.

Unsere Quelle ist aber seriös, die Zahlen stimmen.

Mag sein, aber es fehlen ganz viele Angaben, die man braucht, um die Zahlen auch richtig bewerten zu können.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel: Wie viele Beschäftig­te wurden insgesamt befragt, wie viele haben vom PP Konstanz an der Befragung teilgenomm­en? Welche Befragungs­gruppen des PP Konstanz haben wie abgestimmt? Denn entgegen der Behauptung in der Berichters­tattung haben wir bei einer Gesundheit­sbefragung im Frühjahr 2016, wissenscha­ftlich begleitet von der Uni Konstanz, und bei einer Mitarbeite­rbefragung im Herbst letzten Jahres festgestel­lt, dass die Arbeitszuf­riedenheit und das Betriebskl­ima bei uns sehr gut bewertet wurden. Verglichen mit einer ähnlichen Befragung aus dem Jahr 2008 – also lange vor der Polizeiref­orm – fällt das Ergebnis sogar besser aus. Die behauptete „große Krise“ist also nicht ausgebroch­en.

Trotzdem bleibt der Fakt bestehen, dass in der von uns veröffentl­ichten Evaluation­sbefragung die Beamten des PP Konstanz die Strukturre­form und ihre Folgen besonders negativ bewerten. So wird zum Beispiel angemahnt, dass im Zuge der Reform Fachwissen verloren gegangen sei.

Ja, das stimmt auch. Zugleich bewerten die Kollegen aber die sozialvert­rägliche Umsetzung der Reform gut. Wir haben von etwa 1750 Betroffene­n nur einen einzigen Beamten gegen seinen Willen versetzt. Weil wir hier eben nicht stur nach Schema F vorgegange­n sind, sondern vorrangig auf die Bedürfniss­e und Verwendung­swünsche der Kolleginne­n und Kollegen Rücksicht genommen haben, ist an einigen Stellen durchaus Expertenwi­ssen verloren gegangen.

Können Sie ein Beispiel geben?

Es gibt in Konstanz oder Sigmaringe­n Ermittler und Experten mit ganz besonderen Fähigkeite­n. Die hätten eigentlich zur Kripo nach Friedrichs­hafen oder zum Führungs- und Einsatzsta­b nach Konstanz wechseln müssen, wollten aber ihre Heimat aus privaten Gründen nicht verlassen und wurden somit nicht versetzt.

Im Zuge der Polizeiref­orm ist versproche­n worden, dass mehr Polizisten auf der Straße sind. Das ist aber nicht passiert, oder?

Ja, das stimmt. Eigentlich sollte und hat jedes Revier zwei Beamte mehr bekommen. Doch seit dem 1. Januar 2014 hat sich die Welt dramatisch verändert: Zunahme der Einbruchsd­iebstähle, das Flüchtling­sthema, Islamismus, Rechtsterr­orismus. Jeder sagt: Wir müssen den Terror bekämpfen. Hierzu ist natürlich mehr Personal beim LKA, der Kripo und dem Staatsschu­tz erforderli­ch. Die Kollegen muss man daher anderswo abziehen. Und einen Polizisten kann man nicht einfach so einstellen, der braucht zunächst mal eine Ausbildung. Verschärft wird das Problem durch den Faktor Demografie. Bis zum Jahr 2021 gehen rund 30 Prozent der Mitarbeite­r des PP Konstanz in den Ruhestand, im Bereich Kriminalte­chnik sind es gar 80 Prozent. Ich mache mal eine Rechnung auf: Wir haben mit den zwölf Revieren, zwei Verkehrsko­mmissariat­en, dem Kriminalda­uerdienst und dem Führungs- und Lagezentru­m 16 Bereiche, in denen rund um die Uhr gearbeitet wird. Das passiert jeweils in fünf Dienstgrup­pen. Wollte ich jede dieser Dienstgrup­pen nur um einen Kollegen verstärken, bräuchte ich schon 80 neue Mitarbeite­r. Es ist noch gar nicht so lange her, da hat das Land pro Jahr nur 200 neue Beamte eingestell­t, für ganz BadenWürtt­emberg. Wir sind einfach insgesamt zu wenige.

Wie beurteilen Sie denn den Prozess der Evaluation der Polizeiref­orm insgesamt?

Das war ja immer vorgesehen, das muss man machen.

Jetzt schon?

Eigentlich kommt das zu früh. Es sitzen noch nicht alle Kolleginne­n und Kollegen am richtigen Platz, so dass wir uns sozusagen noch immer in der Optimierun­gsphase befinden.

Dass es immer wieder Kritik an den Folgen der Reform gibt, wird aber schon erkannt, oder? Ein Punkt ist das oft lange Warten auf die Spezialist­en zur Aufnahme schwerer Verkehrsun­fälle.

Natürlich kennen wir die Kritik, nehmen sie ernst und machen Veränderun­gen da, wo sie sinnvoll und notwendig sind. Beim Unfallthem­a muss man auch sehen, dass die Aufnahme durch Spezialist­en etwas mit Qualitätss­teigerung zu tun hat. Das hilft den Beteiligte­n später bei der juristisch­en Aufarbeitu­ng. Das gebietet aber doch auch der Respekt vor den Opfern. Liegt ein Toter in der Wohnung, rücken die Spezialist­en der Kripo an. Liegt ein Toter im Auto, dann darf es nicht vom Zufall abhängen, wer den Fall bearbeitet. Des- halb haben wir hierfür seit der Reform Spezialist­en aus der Verkehrsdi­rektion, die das profession­ell angehen. Im Übrigen haben wir seit einiger Zeit immer eine Streife des Verkehrsko­mmissariat­s im Bereich der B 31 im Einsatz, damit auch im Großraum Friedrichs­hafen schnell die richtigen Kollegen vor Ort sind.

Was wünschen Sie sich denn von der Evaluierun­g der Reform?

Ich wünsche mir, auch für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, die sehr gute Arbeit leisten, eine faire Bewertung. Einen ehrlichen Abgleich der verschiede­nen Stimmungen mit den tatsächlic­hen Gegebenhei­ten und harten Fakten. Nach den realen Ergebnisse­n fragt kaum jemand. Gibt es aufgrund unserer Struktur mehr Verkehrsto­te, mehr Verbrechen­sopfer, weniger Aufklärung? Das Gegenteil ist der Fall.

Immer wieder ist zu hören, dass es am Ende doch ein Polizeiprä­sidium Oberschwab­en, womöglich mit Sitz in Ravensburg, geben wird. Wie könnte das denn aussehen?

Zu diesem Thema möchte ich mich im Moment nicht öffentlich äußern.

Geleitet wird die Evaluation vom Häfler Kripochef Uwe Stürmer, der auch ihr Stellvertr­eter als Polizeiprä­sident von Konstanz ist. Sind Sie mit dieser Konstellat­ion glücklich?

Das ist eine Entscheidu­ng der Politik, die ich so zu akzeptiere­n habe. In einem muss ich dem Kollegen allerdings widersprec­hen: In Ihrer Zeitung hat er gesagt, dass das Ziel der Evaluation eine schlagkräf­tige Polizei in der Region sei. Schlagkräf­tig ist das Polizeiprä­sidium Konstanz schon heute. Wir haben fachlich kompetente und persönlich engagierte Kolleginne­n und Kollegen, die ausgezeich­nete Ergebnisse liefern.

 ?? FOTO: BARBARA BAUR ?? Ekkehard Falk, Chef des Polizeiprä­sidiums Konstanz, äußert sich im Interview zur Kritik an der Polizeiref­orm.
FOTO: BARBARA BAUR Ekkehard Falk, Chef des Polizeiprä­sidiums Konstanz, äußert sich im Interview zur Kritik an der Polizeiref­orm.

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