Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Florierendes Familienunternehmen
Mischa Zverev steht erstmals in der 3. Runde der Australian Open, sein kleiner-großer Bruder will nachziehen
(dpa/SID/sz) - Jeden Tag ein neuer Aufreger für Familie Zverev: Erst bog Alexander sein Erstrunden-Match in fünf Sätzen um, dann zog Mischa nach einer Aufholjagd erstmals in die dritte Runde der Australian Open ein, unterstützt von der Familie auf der Tribüne. „Nach dem Matchball hat Mama geholfen – sie hat gelacht“, berichtete Mischa Zverev, nachdem der Amerikaner John Isner den ersten Matchball des 29-Jährigen mit einem Netzroller abgewehrt hatte. Weiter ging’s also, doch am Ende stand der Sieg.
Allerdings hatte der ungesetzte Zverev gegen den 2,08-Meter-Aufschlagriesen Isner selbst zwei Matchbälle abzuwehren, ehe das 6:7 (4:7), 6:7 (4:7), 6:4, 7:6 (9:7), 9:7 nach 4:10 Stunden feststand. „Das war mein bislang größter und emotionalster Sieg. Ich habe sogar eine Träne verdrückt“, sagte der ältere der Brüder, der erstmals seit 2008 in der 3. Runde eines Grand-Slam-Turniers steht. Dort will sein zehn Jahre jüngerer Bruder Alexander Zverev heute erst noch hin.
Der Ältere, ein einstiger und womöglich auch künftiger Davis-CupSpieler, dürfte mit seinem ersten Drittrunden-Einzug in Melbourne wohl schon sein Ziel erreichen, höher als Rang 45 der Weltrangliste zu klettern und seine beste Platzierung damit zu überbieten. Das ist ohne die Unterstützung der aus Russland nach Hamburg eingewanderten Familie nicht denkbar.
Hobbypilot Zverev fühlte sich nach dem Aufschlaggeduldsspiel gegen Isner (33 Asse), bei dem der längste Ballwechsel elf Schläge dauerte, wie auf Wolke sieben. „Ich wusste teilweise gar nicht, wie es steht. Auch bei dem einen Matchball gegen mich im vierten Satz nicht“, gestand der Weltranglisten-Fünfzigste. Energie getankt hatte Zverev immer wieder beim Blick in seine Box. „Da saß auch meine Mutter – und sie hat immer gelacht.“
Eine wichtige Rolle spielt auch der Aufstieg des zehn Jahre jüngeren Alexander Richtung Weltspitze. Dass der Altersunterschied so groß ist, erklärte der Jüngere damit, dass die Eltern sich in Deutschland erst einmal die finanzielle Basis für ein zweites Kind hart erarbeiten mussten. Über Mischa meinte der Weltranglisten-24.: „Wir konkurrieren nie wirklich miteinander, wir helfen uns immer sehr – es ist toll, ihn zu haben.“Der Ältere sei ein wesentlicher Grund dafür, warum er so früh in seiner Karriere so gut sei. „Kein 14- oder 15-Jähriger hat einen Top-100-Spieler als täglichen Trainingspartner.“
Die Erfolge des Jüngeren wiederum haben nach langer Durststrecke und nicht immer guten Erfahrungen im Privatleben auch Anteil an Mischa Zverevs zweiter Tenniskarriere. Der Serve und Volley spielende Linkshänder bereitete sich mit dem fast zwei Meter langen Rechtshänder mit den druckvollen Grundschlägen in Florida auf die Saison vor. Und das nicht nur auf dem Tennisplatz, sondern auch beim gemeinsamen Laufen oder im Kraftraum. Der Ältere verriet, dass ihn der Durchbruch seines kleinen Bruders besonders motiviert. „Wir pushen uns gegenseitig und messen uns ständig – auch im Frikadellen-Wettessen.“
Insgesamt acht Leute bilden die derzeitige Zverev-Reisegruppe, alle bis auf Mischa wohnen gemeinsam auf der gleichen Etage im Hotel. Mit Alexander tauscht er sich über das Training aus, man gibt sich inzwischen gegenseitig Tipps über die nächsten Gegner. Der Jüngere hat mittlerweile genügend eigene Erfahrungen gesammelt, zum Beispiel mit Mischas nächstem Gegner Malek Jaziri, gegen den er 2016 dreimal spielte. „Abends sehen wir uns immer. Wir checken uns immer ein bisschen ab“, sagte Mischa Zverev.
Vielleicht verhilft ihm das am Freitag zum ersten Einzug in ein Grand-Slam-Achtelfinale, und womöglich auch zu einem Comeback an der Seite des Bruders im Davis-CupTeam. Mischa Zverev ist inzwischen hinter dem Bruder und Philipp Kohlschreiber klar der drittbeste DTBSpieler. Zwei Brüder für Deutschland, das wäre ein Novum im Tennis.