Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gläubiger müssen verzichten
Ansprüche übersteigen offenbar Werte von insolventer EVG
- Die Gläubiger der insolventen landwirtschaftlichen Einund Verkaufsgenossenschaft (EVG) Erkheim haben bereits Forderungen in Höhe von 13,5 Millionen Euro angemeldet. Es könnte aber noch deutlich mehr werden. Insolvenzverwalter Thomas Karg sprach am Donnerstag bei der Gläubigerversammlung in der Memminger Stadthalle von bis zu 26 Millionen Euro, die am Schluss zusammenkommen könnten. Mit Blick auf die verbliebenen Vermögenswerte ist damit eine vollständige Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger nicht vorstellbar.
Bis 2016 war die EVG eine der bedeutendsten Genossenschaften im Raum zwischen Allgäu und Oberschwaben. Sie hatte 10 400 Mitglieder. Die Zentrale lag in der Unterallgäuer Marktgemeinde Erkheim. In 16 Niederlassungen wurden unter anderem Agrarausrüstung, Futter, Baumaterial, Arbeitskleidung sowie Werkzeug verkauft. Die vergangenen Jahre betrug der Umsatz im Schnitt zwischen 45 und 50 Millionen Euro. Insolvenzverwalter Karg verwies aber darauf, dass immer wieder rote Zahlen geschrieben wurden: „2015 waren es minus 3,5 Millionen Euro.“In den Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vergangenen Sommer seien erneut 1,6 Millionen Euro Verlust hinzugekommen.
Schwerbewachte Stadthalle
Über 50 Gläubiger und etwa 300 Genossen hatten sich in der schwerbewachten Stadthalle eingefunden. Die Polizei hatte mit erregten Diskussionen gerechnet. Es blieb aber ruhig. Karg sagte, den Forderungen würden nach momentanem Stand rund 8,4 Millionen Euro an Vermögenswerten gegenüberstehen. Davon seien aber nur 3,5 Millionen Euro verfügbar. Größter Gläubiger ist die Sparkasse Lindau-Memmingen-Mindelheim. Danach kommt die Arbeitsagentur. Ihre Ansprüche beruhen auf Überbrückungszahlungen an 193 EVG-Mitarbeiter. Ihnen hatte am 28. Oktober 2016 gekündigt werden müssen. Damals war klar: Alle Anstrengungen zur Rettung der EVG sind vergeblich. So hatte es während des Insolvenzvorverfahrens noch eine Suche nach Investoren gegeben. Sie war erfolglos geblieben, weshalb ein reguläres Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Problematische Übernahme
Dass es überhaupt so weit kam, lag laut Karg vor allem am Geschäftsgebaren der EVG in den vergangenen Jahren. „Ein Hauptproblem ist der Kauf von Agritelma gewesen“, glaubt der Insolvenzverwalter. Die nordwürttembergische Firma vertrieb Landmaschinen der Marke New Holland. Seit 2010 war EVG alleiniger Gesellschafter. Nach Informationen von Karg war Agritelma bereits vor dem Kauf durch die EVG „mehrmals insolvent“gewesen. Die Erkheimer Genossenschaft habe dann als neuer Eigentümer „Millionensummen“in das Tochterunternehmen investiert – Gelder, „die nicht mehr zurückgeflossen sind“.
Karg bemängelte zudem, dass die EVG-Geschäftsführung Renovierungen angeordnet habe, obwohl wenig Geld in der Kasse gewesen sei. Und er verwies auf das dezentrale Einkaufswesen, durch das schlechtere Preise erzielt worden seien. Durch die Struktur autonom wirtschaftender Filialen habe des Weiteren lange Zeit ein einheitliches Rechnungssystem gefehlt. Für die Zentrale sei es teilweise schwer gewesen, einen akkuraten Überblick zu behalten.
Womöglich, so Karg, habe die EVG auch ihre„ eigentliche Ursprungs klientel aus den Augen verloren “. Demnach hat es eine Reduzierung des landwirtschaftlichen Angebots zugunsten von beispielsweise Deko-Artikeln gegeben.
Als sich die Lage dann im Frühjahr 2016 zuspitzte, musste der damalige, aus Wangen im Allgäu stammende Geschäftsführer Hans-Jörg Leonhardt gehen. Er hatte erst zwölf Monate zuvor den jahrelangen Chef Otmar Hin de langer setzt. NachLeonhardtk am Markus Huber. Erbe tonteinMe mm ingen,d ass der„ Zustand derEVGschonschli mm gewesen“sei. Es sei von der Geschäfts strategie her nicht erkennbar gewesen, „wohin die Reise gehen soll“. Zur Sanierung habe letztlich die Zeit gefehlt.
Im April 2016 scheiterte dann auch ein zentraler Rettungsversuch. Die Genossen sollten ihre persönlichen Einlagen erhöhen. Es ging um jeweils knapp 500 Euro. Das Ergebnis: Rund 70 Prozent von ihnen erklärten den Austritt zum Jahresende. Das Insolvenz verfahren hat aber auch sie eingeholt. Satzungsgemäß müssen die Genossen pro Kopf gut 250 Euro nachschießen.
Insolvenz verwalter Karg hat sich inzwischen an den Verkauf vorhandener Vermögenswerte gemacht – darunter die Liegenschaften. Allzu weit ist er damit nach seinen Worten noch nicht gekommen. Karg gibt sich aber zuversichtlich. Als Nächstes soll es nun eine Genossen schafts versammlung geben. Indes prüft die zuständige Augsburger Staatsanwaltschaft routinemäßig, ob es beider EVG eine Insolvenz verschleppung gegeben hat.