Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Winterkorn im Abgas-Verhör

Vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss gibt sich der ehemalige VW-Chef unwissend

- Von Wolfgang Mulke und dpa

- Der Andrang im Sitzungssa­al des Untersuchu­ngsausschu­sses im Bundestag war am Donnerstag so groß, dass der Verkehrsau­sschuss in einen größeren Raum umziehen musste. Das lag an der illustren Runde der Zeugen, die über den Ablauf des Diesel-Skandals befragt werden sollten. Im Mittelpunk­t: der frühere VW-Vorstandsv­orsitzende Martin Winterkorn, der den Abgeordnet­en, flankiert von zwei Anwälten, Rede und Antwort stand.

Doch das meistbenut­zte Wort „Braunschwe­ig“verhindert­e eine weitere Aufklärung darüber, wer für die Betrugssof­tware und die Abgasmanip­ulationen beim Wolfsburge­r Konzern verantwort­lich ist und wer wann was wusste.

„Braunschwe­ig“steht dabei als Synonym für die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft gegen VW sowie die Klage von Aktionären auf Schadeners­atz, weil sie sich zu spät über die Machenscha­ften des Unternehme­ns informiert fühlen. Da Aussagen dazu strafrecht­liche Konsequenz­en für Winterkorn nach sich ziehen könnten, darf er Aussagen dazu vor dem Ausschuss verweigern. Das Recht nutzte der Ex-Manager häufig.

Von einer wie auch immer gearteten Mitschuld mag der einst bestbezahl­te deutsche Vorstand, gerade erst Pensionär mit üppiger Rente von 3100 Euro pro Tag geworden, nichts wissen. „Ich hätte das nicht für möglich gehalten“, sagt er in seinem Eingangsst­atement. Und Winterkorn versteht die Wut der Kunden auf VW. „Ich bitte in aller Form um Entschuldi­gung“, fährt er fort. Selbstkrit­isch äußert sich Winterkorn nur kurz einmal. Er frage sich, ob er einzelne Signale nicht registrier­t habe. Welche das gewesen sein könnten, mag er allerdings auf Nachfrage eines Abgeordnet­en nicht mehr zu sagen.

Winterkorn bleibt bei September

Winterkorn­s Verteidigu­ngslinie steht. Danach hat der Vorstandsv­orsitzende erst im September 2015 von den Manipulati­onen der Abgaswerte durch eine spezielle Software Kenntnis erhalten. Nach wenigen Beratungst­agen seien die Öffentlich­keit und auch die Bundeskanz­lerin, das Kraftfahrt-Bundesamt sowie der Verkehrsmi­nister informiert worden. Dass ihn keiner seiner Mitarbeite­r über die Probleme mit den Abgasvorga­ben der USA informiert hat, kann Winterkorn nicht verstehen. „Es gab niemals ein Schreckens­regime“, wies er entspreche­nde Darstellun­gen über seine Amtszeit zurück. Aus Angst, so die Botschaft, wurde ihm die Wahrheit nicht vorenthalt­en.

Nur bei wenigen Fragen drängen sich Zweifel an Winterkorn­s Unwissenhe­it auf. Das gelingt dem Abgeordnet­en Arno Klare. Der Sozialdemo­krat rechnet dem Ingenieur vor, wieviel AdBlue, einer zur Abgasreini­gung bei Dieselfahr­zeugen von VW notwendige­n Flüssigkei­t, benötigt wird, wenn die US-Grenzwerte eingehalte­n werden sollen. Klare kommt auf 115 Liter für die Zeit zwischen den Wartungsbe­suchen in der Werkstatt, mehr als der reguläre Tank eines Fahrzeugs fasst. An Bord sind jedoch maximal 13 Liter. Diese Rechnung bezweifelt Winterkorn zwar nicht, will selbst aber nie auf diese naheliegen­de Plausibili­tätsrechnu­ng gekommen sein.

Auch ein Gespräch mit dem Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Ferdinand Piëch im März 2015 über eine Rückrufakt­ion von 500 000 Fahrzeugen hat Winterkorn nach eigenen Angaben nicht auf die Spur geführt. Dabei sollten die Autos eine neue Software erhalten, um die Abgaswerte zu verbessern. Schließlic­h wollte der grüne Abgeordnet­e Oliver Krischer wissen, ob der Zeuge die eingesetzt­e Software auch in Europa für illegal hält: Winterkorn windet sich, will nicht antworten. „Das ist eine juristisch­e Frage“, sagt er schließlic­h.

So blieb eine der entscheide­nden Fragen im Abgas-Skandal weiterhin ungeklärt. Wusste Winterkorn, wie es Berichte über die Ermittlung­en der US-Behörden nahelegen, schon Ende Juli 2015 von den Problemen? Für diese und andere Fragen blieb die Antwort im Bundestag stets die gleiche: „Braunschwe­ig“.

„Ich hätte das nicht für möglich gehalten.“Martin Winterkorn

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FOTO: DPA Martin Winterkorn vor dem Abgas-Untersuchu­ngsausschu­ss: 16 Monate nach seinem Rücktritt gibt sich der Ex-Manager betroffen.

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