Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Unglaubwürdig
Untersuchungsausschüsse im Bundestag bringen selten wirklich neue Fakten zutage. Spitzenpolitiker oder Spitzenmanager verweisen bei Vernehmungen häufig auf Gedächtnislücken oder verweigern aus anderen Gründen die Aussage. Beim ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von VW, Martin Winterkorn, in dessen Dienstzeit der Abgas-Skandal fällt, kam gleich beides zusammen.
Es ist das gute Recht eines jeden Zeugen, dass er sich nicht selbst belasten muss. Schließlich geht es in seinem Falle nicht nur um die politische Klärung der Frage, inwieweit Autoindustrie und Bundesregierung zum beiderseitigen Nutzen auch über das geltende Recht hinaus kungeln. Wusste der einstige VW-Chef frühzeitig von der Betrugssoftware, droht ihm neben Schadenersatzforderungen sogar eine strafrechtliche Verfolgung in den USA. Kein Wunder also, dass Winterkorn seine wenigen Worte sorgfältig wählte.
Trotz dieser Logik lassen die Aussagen des Zeugen Zweifel an seiner Version der Geschichte aufkommen. Es kann dem technisch versierten Ingenieur kaum entgangen sein, dass die USUmweltvorgaben mit den bestehenden Möglichkeiten von VW kaum einzuhalten sind. Sein Argument, er sei kein Softwareingenieur, zieht da nicht. Schließlich werden bei der Entwicklung der Fahrzeuge etliche Funktionen festgelegt, die später elektronisch gesteuert werden. Da Winterkorn allenthalben eine enorme Detailversessenheit nachgesagt wird, ist es unglaubwürdig, dass ihm so ein massives Problem dauerhaft verborgen geblieben sein soll.
Doch dem Ex-Vorstand ist bisher weder nachweisbar, dass er die Manipulationen an den Motoren geduldet, noch dass er viel früher als bekannt davon Kenntnis erhalten hat. Solange das Gegenteil nicht erwiesen ist, gilt hier wie für alle Bürger die Unschuldsvermutung – auch wenn es schwer fällt.