Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Skifahrer am Arlberg müssen sich sputen
Österreichs berühmtes Skigebiet lädt nach dem Zusammenschluss zum 65 Kilometer langen „Run of Fame“
Raus aus den Skiern. Die Bretter schultern. Zur Bushaltestelle sprinten. Sich dort mit einem Pulk von Fremdgehern drängeln, die alle von St. Anton rüber zu den mondänen Spielplätzen nach Zürs und Lech wollen. Im blauen Skibus einen Sitz ergattern, damit der Gleichgewichtssinn nicht verrückt spielt, wenn sich das Fahrzeug langsam durch die enge Galerie den Flexenpass hinaufschraubt. Das alles ist jetzt Geschichte.
Durch die Bergwelt schnurren nun futuristische Gondeln von der Alpe Rauz über den Pass hinüber zum Trittkopf. Die neue Flexenbahn verbindet, was schon immer irgendwie zusammengehört hat. Entstanden ist das größte Skigebiet Österreichs, ein Kreis über sieben Gipfel, sagenhafte 18 000 Höhenmeter und 65 Pistenkilometer von St. Anton nach Zürs und Lech bis Warth und wieder zurück: der „Run of Fame“– auf den Spuren der Helden im Schnee, die den Arlberg zur Wiege des Skifahrens gemacht haben.
Wedeln statt Telemark
Angefangen hat es 1895 mit einem Pfarrer von Warth, Johann Müller. Der sah in einer Zeitschrift Bilder mit Menschen in Schweden und Norwegen, die sich auf Skiern fortbewegten. Sofort ließ er sich aus Skandinavien per Post ein Paar schicken. Das sperrige Paket schleppte der Briefträger vom Postamt Steeg ins Pfarrhaus nach Warth. Auf Ski schaffte der Gottesmann fortan die Strecke nach Lech in eineinhalb Stunden.
Der erste Skiclub wurde 1901 im Arlberg-Hospiz gegründet und das Wedeln von einem Bauernbuben erfunden: 1903 bekam Hannes Schneider daheim in Stuben seine ersten Bretter. „Ich werde Geschwindigkeit ins Skifahren bringen“, prophezeite er. Der Telemarkschwung, mit dem die Skifahrer im hohen Norden herumstocherten, war nicht unbedingt geeignet für die hochalpinen Hänge in den Alpen. Schneider entwickelte die berühmte Arlberg-Technik, gründete in St. Anton die erste Skischule der Alpen und lockte das erste Skihaserl an. Leni Riefenstahl, die spätere Hitler-Regisseurin, war hingerissen von den Naturburschen im Schnee. Den Hannes machte sie zum Filmstar und den Arlberg mit ihrem Streifen „Der weiße Rausch“berühmt.
In einer „Hall of Fame“an der Bergstation der Flexenbahn werden die Legenden nun mit ihrem aufregenden Leben und ihren berühmten Werken präsentiert. Doch wer über die sieben Gipfel will, dem bleibt kaum Zeit für Geschichte und Geschichten. Der muss Geschwindigkeit bringen, um die 65-KilometerRunde zu vollenden. Ein durchschnittlicher Skifahrer braucht den ganzen Tag, um die Tour zu schaffen. Das heißt: früh raus aus den Federn, mit der ersten Gondel um 8.45 Uhr rauf auf den 2816 Meter hohen Rendl in St. Anton zum Startpunkt des „Run of Fame“. Dann gleich hinunter ins Tal rauschen und auf der gegenüberliegenden Seite hoch auf die Valluga (2811 Meter) gondeln. Schnell ein Selfie knipsen auf dem Balkon der Bergstation. So viel Zeit muss sein.
Hier bietet sich nämlich „der schönste Ausblick des Arlbergs“, heißt es in der Werbung. Glattgebügelt schlängelt sich die Piste hinunter zur Alpe Rauz. Dort wartet die neue Flexenbahn für den Lift über den Pass auf den Trittkopf (2423 Meter) in Zürs. Von hier geht es hinüber zum Madloch-Joch (2438 Meter) und hinein in eine spektakuläre Tourenabfahrt. Sie ist die größte Herausforderung der Runde. Sogar bei geübten Skifahrern steigt da das Adrenalin. Ein steiler Sessellift schaukelt vom idyllischen Dörfchen Stuben hoch zum Kriegerhorn (2173 Meter). Wie ein Adlernest klebt dort die Balmalpe mit einem berauschenden Ausblick zurück aufs Madloch. Bequem schlängeln sich nun die Pisten in Lech abwärts und der „Run of Fame“über den Saloberkopf (2043 Meter) ins beschauliche Walserdorf Warth. Das gilt mit durchschnittlich elf Metern Neuschnee pro Jahr als eines der schneereichsten Gebiete Europas. Hier ist Halbzeit. Über den schroffen Rüfikopf (2362 Meter) hangelt sich die Tour nun zurück nach Zürs. Da heißt es tief durchatmen und Muskeln lockern auf der Rückfahrt mit der Flexenbahn zum Endspurt nach St. Anton.
Ein Bus als Lumpensammler
Sieben Gipfel sind geschafft. Nur der berühmteste, der Arlberg, hat sich in der Megarunde nicht blicken lassen. „Den Arlberg, den spürst du“, behauptet Adi Werner, der legendäre Seniorchef des Arlberg-Hospiz’ in St. Christoph direkt unterhalb des Arlbergpasses.
Vor mehr als 600 Jahren hatte ein Schweinehirt den Grundstein dafür gelegt. Er sammelte Geld und baute eine Herberge, um Menschen auf ihrem Weg vor den Naturgewalten zu schützen. Die interessierten sich damals nicht für die Berggipfel, sondern nur für die kürzeste Verbindung, um von einem Tal ins andere zu kommen. Deshalb bekamen auch die Pfade einen Namen und nicht die Berge. „Im Sprachgebrauch war der Berg damals noch ein ganzes Landschaftsgebiet“, weiß Werner. Weil sich die Arlen hier mit ihren grünen Nadeln an die schroffen Felswände drücken, wurde daraus der Arlberg.
An dem werden auch die nicht zurückgelassen, die auf ihrem „Run of Fame“die letzte Gondel der Flexenbahn um 16 Uhr nicht mehr schaffen. Der blaue Bus soll nun als Lumpensammler dienen. Andrea Saexinger von den Arlberger Bergbahnen verspricht: „Wir werden die Fahrzeiten reduzieren, aber den Bus nicht ganz abschaffen.“ Der ist nun das größte zusammenhängende Skigebiet Österreichs mit 305 Pistenkilometern und 87 Liften und Bergbahnen. Dazu kommen 200 Kilometer Tiefschneeabfahrten. Der kostet in der Hauptsaison 52 Euro. Weitere bei den Arlberger Bergbahnen, Internet:
und beim Tourismusverband St. Anton, Internet: