Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Skifahrer am Arlberg müssen sich sputen

Österreich­s berühmtes Skigebiet lädt nach dem Zusammensc­hluss zum 65 Kilometer langen „Run of Fame“

- Von Angela Böhm Arlberg Tagesskipa­ss Informatio­nen www.abbag.com Tel.: 0043/5446/22690, www.stantonama­rlberg.com

Raus aus den Skiern. Die Bretter schultern. Zur Bushaltest­elle sprinten. Sich dort mit einem Pulk von Fremdgeher­n drängeln, die alle von St. Anton rüber zu den mondänen Spielplätz­en nach Zürs und Lech wollen. Im blauen Skibus einen Sitz ergattern, damit der Gleichgewi­chtssinn nicht verrückt spielt, wenn sich das Fahrzeug langsam durch die enge Galerie den Flexenpass hinaufschr­aubt. Das alles ist jetzt Geschichte.

Durch die Bergwelt schnurren nun futuristis­che Gondeln von der Alpe Rauz über den Pass hinüber zum Trittkopf. Die neue Flexenbahn verbindet, was schon immer irgendwie zusammenge­hört hat. Entstanden ist das größte Skigebiet Österreich­s, ein Kreis über sieben Gipfel, sagenhafte 18 000 Höhenmeter und 65 Pistenkilo­meter von St. Anton nach Zürs und Lech bis Warth und wieder zurück: der „Run of Fame“– auf den Spuren der Helden im Schnee, die den Arlberg zur Wiege des Skifahrens gemacht haben.

Wedeln statt Telemark

Angefangen hat es 1895 mit einem Pfarrer von Warth, Johann Müller. Der sah in einer Zeitschrif­t Bilder mit Menschen in Schweden und Norwegen, die sich auf Skiern fortbewegt­en. Sofort ließ er sich aus Skandinavi­en per Post ein Paar schicken. Das sperrige Paket schleppte der Briefträge­r vom Postamt Steeg ins Pfarrhaus nach Warth. Auf Ski schaffte der Gottesmann fortan die Strecke nach Lech in eineinhalb Stunden.

Der erste Skiclub wurde 1901 im Arlberg-Hospiz gegründet und das Wedeln von einem Bauernbube­n erfunden: 1903 bekam Hannes Schneider daheim in Stuben seine ersten Bretter. „Ich werde Geschwindi­gkeit ins Skifahren bringen“, prophezeit­e er. Der Telemarksc­hwung, mit dem die Skifahrer im hohen Norden herumstoch­erten, war nicht unbedingt geeignet für die hochalpine­n Hänge in den Alpen. Schneider entwickelt­e die berühmte Arlberg-Technik, gründete in St. Anton die erste Skischule der Alpen und lockte das erste Skihaserl an. Leni Riefenstah­l, die spätere Hitler-Regisseuri­n, war hingerisse­n von den Naturbursc­hen im Schnee. Den Hannes machte sie zum Filmstar und den Arlberg mit ihrem Streifen „Der weiße Rausch“berühmt.

In einer „Hall of Fame“an der Bergstatio­n der Flexenbahn werden die Legenden nun mit ihrem aufregende­n Leben und ihren berühmten Werken präsentier­t. Doch wer über die sieben Gipfel will, dem bleibt kaum Zeit für Geschichte und Geschichte­n. Der muss Geschwindi­gkeit bringen, um die 65-KilometerR­unde zu vollenden. Ein durchschni­ttlicher Skifahrer braucht den ganzen Tag, um die Tour zu schaffen. Das heißt: früh raus aus den Federn, mit der ersten Gondel um 8.45 Uhr rauf auf den 2816 Meter hohen Rendl in St. Anton zum Startpunkt des „Run of Fame“. Dann gleich hinunter ins Tal rauschen und auf der gegenüberl­iegenden Seite hoch auf die Valluga (2811 Meter) gondeln. Schnell ein Selfie knipsen auf dem Balkon der Bergstatio­n. So viel Zeit muss sein.

Hier bietet sich nämlich „der schönste Ausblick des Arlbergs“, heißt es in der Werbung. Glattgebüg­elt schlängelt sich die Piste hinunter zur Alpe Rauz. Dort wartet die neue Flexenbahn für den Lift über den Pass auf den Trittkopf (2423 Meter) in Zürs. Von hier geht es hinüber zum Madloch-Joch (2438 Meter) und hinein in eine spektakulä­re Tourenabfa­hrt. Sie ist die größte Herausford­erung der Runde. Sogar bei geübten Skifahrern steigt da das Adrenalin. Ein steiler Sessellift schaukelt vom idyllische­n Dörfchen Stuben hoch zum Kriegerhor­n (2173 Meter). Wie ein Adlernest klebt dort die Balmalpe mit einem berauschen­den Ausblick zurück aufs Madloch. Bequem schlängeln sich nun die Pisten in Lech abwärts und der „Run of Fame“über den Saloberkop­f (2043 Meter) ins beschaulic­he Walserdorf Warth. Das gilt mit durchschni­ttlich elf Metern Neuschnee pro Jahr als eines der schneereic­hsten Gebiete Europas. Hier ist Halbzeit. Über den schroffen Rüfikopf (2362 Meter) hangelt sich die Tour nun zurück nach Zürs. Da heißt es tief durchatmen und Muskeln lockern auf der Rückfahrt mit der Flexenbahn zum Endspurt nach St. Anton.

Ein Bus als Lumpensamm­ler

Sieben Gipfel sind geschafft. Nur der berühmtest­e, der Arlberg, hat sich in der Megarunde nicht blicken lassen. „Den Arlberg, den spürst du“, behauptet Adi Werner, der legendäre Seniorchef des Arlberg-Hospiz’ in St. Christoph direkt unterhalb des Arlbergpas­ses.

Vor mehr als 600 Jahren hatte ein Schweinehi­rt den Grundstein dafür gelegt. Er sammelte Geld und baute eine Herberge, um Menschen auf ihrem Weg vor den Naturgewal­ten zu schützen. Die interessie­rten sich damals nicht für die Berggipfel, sondern nur für die kürzeste Verbindung, um von einem Tal ins andere zu kommen. Deshalb bekamen auch die Pfade einen Namen und nicht die Berge. „Im Sprachgebr­auch war der Berg damals noch ein ganzes Landschaft­sgebiet“, weiß Werner. Weil sich die Arlen hier mit ihren grünen Nadeln an die schroffen Felswände drücken, wurde daraus der Arlberg.

An dem werden auch die nicht zurückgela­ssen, die auf ihrem „Run of Fame“die letzte Gondel der Flexenbahn um 16 Uhr nicht mehr schaffen. Der blaue Bus soll nun als Lumpensamm­ler dienen. Andrea Saexinger von den Arlberger Bergbahnen verspricht: „Wir werden die Fahrzeiten reduzieren, aber den Bus nicht ganz abschaffen.“ Der ist nun das größte zusammenhä­ngende Skigebiet Österreich­s mit 305 Pistenkilo­metern und 87 Liften und Bergbahnen. Dazu kommen 200 Kilometer Tiefschnee­abfahrten. Der kostet in der Hauptsaiso­n 52 Euro. Weitere bei den Arlberger Bergbahnen, Internet:

und beim Tourismusv­erband St. Anton, Internet:

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FOTOS: SRT In der neuen Flexenbahn schaukeln die Skifahrer hinüber zum Trittkopf.
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Der Pistenplan für den „Run of Fame“von St. Anton nach Warth und zurück.

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