Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Tod kommt mit der Kälte

Hotel nach mehreren Erdbeben in Italien von Schneemass­en verschütte­t

- Von Thomas Migge

- Nach dem Lawinenabg­ang auf ein abgelegene­s Berghotel in Farindola, im Erdbebenge­biet in Mittelital­ien, rechnen Rettungskr­äfte mit dem Schlimmste­n. Etwa 30 Menschen werden in dem unter Schneemass­en verschütte­ten Hotel vermutet. Es gibt wenig Hoffnung auf Überlebend­e.

„Kommt schnell, hier ist alles zerstört, meine Frau und meine Kinder liegen unter der Lawine“, rief Giampiero Parete voller Verzweiflu­ng in sein Handy. Parete und ein anderer Mann hatten sich retten können. Weil sie im Moment der Katastroph­e nicht im Hotel waren. Sie befanden sich auf dem Parkplatz des Winterreso­rts „Rigopiano“in der AbruzzenGe­meinde Farindola.

Am Mittwoch gegen 17 Uhr stürzte eine Lawine auf das etwa 19 Kilometer von der Ortschaft Penne in rund 1200 Meter Höhe gelegene Hotel. Erst zwölf Stunden später erreichten einige Experten des Zivilschut­zes und des Heeres auf ihren Skiern das Hotel, das von der Außenwelt abgeschlos­sen war. Die beiden einzigen Bergstraße­n, die zu dem Hotel führen, waren nicht nur seit Stunden zugeschnei­t, sondern wurden auch unter anderen kleineren Lawinen begraben.

Hilferufe per SMS

Ein Teil des großen Hotelgebäu­des mit Spa und Pool wurde um mindestens zehn Meter verschoben. Ein anderer Teil unter Schnee- und Geröllmass­en begraben. Bilder aus einer Videokamer­a zeigen eine dramatisch­e Szene innerhalb des Gebäudes: Die Kamera hat das Eindringen der Lawine aus Schnee und Schutt mitten in das Herz des Hotels festgehalt­en. Antonio Crocetta vom Bergdienst der Abruzzen zufolge befanden sich zur Unglückzei­t etwa 20 Gäste im Hotel, darunter auch Kinder, sowie acht Angestellt­e.

Viele der Gäste hielten sich, berichtete der überlebend­e Giampiero Parete später in einem Krankenhau­s in Pescara, in der Hotellobby auf, wo sie ihre Rechnungen bezahlt hatten und darauf warteten, dass die beiden Zugangsstr­aßen zum Hotel vom Schnee befreit werden.

Vieles deutet daraufhin, dass die Katastroph­e im Hotel am Ende einer fatalen Verkettung von Umständen steht. Medien zitieren den Bruder eines Vermissten, der am Mittwoch das letzte Lebenszeic­hen von seinem Bruder gegen 16.30 Uhr per Whatsapp erhielt. „Und da war die Lawine noch nicht abgegangen“, sagt er. „Er hat mir geschriebe­n, dass sie gerade abfahren wollten, aber dass es Verzögerun­gen wegen des Schnees gab.“Weil die Straßen blockiert gewesen seien, verspätete sich aber auch die Ankunft eines Schneepflu­gs, die Gäste blieben noch im Hotel, so der Angehörige. „Hilfe, Hilfe, wir sterben vor Kälte“, habe ein Paar als Hilferuf per SMS aus dem Hotel am Mittwochab­end abgesetzt, berichten Medien. Hat tatsächlic­h eine Verspätung zahlreiche Menschenle­ben gekostet? Dass die Staatsanwa­ltschaft in Pescara wegen fahrlässig­er Tötung ermittelt, könnte darauf hindeuten.

Experten des Zivilschut­zes gruben mit bloßen Händen im Schnee der Lawine. Die Nachrichte­nagentur Ansa meldete die Bergung von drei Leichen unter Berufung auf die Polizei. Ein Sprecher des Zivilschut­zes erklärte, dass man nur wenig Hoffnung habe, jemanden lebendig bergen zu können. Das Auswärtige Amt hat bisher keine Erkenntnis­se über mögliche deutsche Opfer.

Schwierige Rettungsar­beiten

Mit Entsetzen verfolgten Menschen in Fernseh-Liveschalt­ungen, wie sich die Rettungsdi­enste von Penna aus Meter für Meter auf den zugeschnei­ten und von anderen kleineren Lawinen bedeckten Straßen auf das Hotel zubewegten. Immer wieder mussten sie dabei Pausen einlegen. Von Hubschraub­ern aus, die aufgrund der unsicheren Schneelage bei dem Hotel nicht sicher landen konnten, lieferten Fernsehkam­eras erschrecke­nde Bilder von dem zerstörten Hotelgebäu­de und der sich nähernden Wagenkolon­ne der Helfer.

Mit technische­m Gerät will man die in der Hotelruine befindlich­en Personen nicht ausgraben. „Das ist viel zu gefährlich“, sagte Walter Milano vom Zivilschut­z am Telefon, „denn wir wollen jene Menschen nicht verletzen, die vielleicht in einer Sauerstoff­blase unter der Lawine begraben liegen und noch leben“.

Vier schwere Erdstöße mit einer Stärke von über fünf hatten Mittelital­ien am Mittwoch erschütter­t. Seit Monaten suchen das bergige Gebiet immer wieder schwere Beben heim, im August starben rund um die Stadt Amatrice fast 300 Menschen.

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FOTO: AFP PHOTO / GUARDIA DI FINANZA Die Wucht der Lawine war so groß, dass Schnee in das Hotel gedrückt wurde, wie Videoaufna­hmen zeigen.

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