Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Tod kommt mit der Kälte
Hotel nach mehreren Erdbeben in Italien von Schneemassen verschüttet
- Nach dem Lawinenabgang auf ein abgelegenes Berghotel in Farindola, im Erdbebengebiet in Mittelitalien, rechnen Rettungskräfte mit dem Schlimmsten. Etwa 30 Menschen werden in dem unter Schneemassen verschütteten Hotel vermutet. Es gibt wenig Hoffnung auf Überlebende.
„Kommt schnell, hier ist alles zerstört, meine Frau und meine Kinder liegen unter der Lawine“, rief Giampiero Parete voller Verzweiflung in sein Handy. Parete und ein anderer Mann hatten sich retten können. Weil sie im Moment der Katastrophe nicht im Hotel waren. Sie befanden sich auf dem Parkplatz des Winterresorts „Rigopiano“in der AbruzzenGemeinde Farindola.
Am Mittwoch gegen 17 Uhr stürzte eine Lawine auf das etwa 19 Kilometer von der Ortschaft Penne in rund 1200 Meter Höhe gelegene Hotel. Erst zwölf Stunden später erreichten einige Experten des Zivilschutzes und des Heeres auf ihren Skiern das Hotel, das von der Außenwelt abgeschlossen war. Die beiden einzigen Bergstraßen, die zu dem Hotel führen, waren nicht nur seit Stunden zugeschneit, sondern wurden auch unter anderen kleineren Lawinen begraben.
Hilferufe per SMS
Ein Teil des großen Hotelgebäudes mit Spa und Pool wurde um mindestens zehn Meter verschoben. Ein anderer Teil unter Schnee- und Geröllmassen begraben. Bilder aus einer Videokamera zeigen eine dramatische Szene innerhalb des Gebäudes: Die Kamera hat das Eindringen der Lawine aus Schnee und Schutt mitten in das Herz des Hotels festgehalten. Antonio Crocetta vom Bergdienst der Abruzzen zufolge befanden sich zur Unglückzeit etwa 20 Gäste im Hotel, darunter auch Kinder, sowie acht Angestellte.
Viele der Gäste hielten sich, berichtete der überlebende Giampiero Parete später in einem Krankenhaus in Pescara, in der Hotellobby auf, wo sie ihre Rechnungen bezahlt hatten und darauf warteten, dass die beiden Zugangsstraßen zum Hotel vom Schnee befreit werden.
Vieles deutet daraufhin, dass die Katastrophe im Hotel am Ende einer fatalen Verkettung von Umständen steht. Medien zitieren den Bruder eines Vermissten, der am Mittwoch das letzte Lebenszeichen von seinem Bruder gegen 16.30 Uhr per Whatsapp erhielt. „Und da war die Lawine noch nicht abgegangen“, sagt er. „Er hat mir geschrieben, dass sie gerade abfahren wollten, aber dass es Verzögerungen wegen des Schnees gab.“Weil die Straßen blockiert gewesen seien, verspätete sich aber auch die Ankunft eines Schneepflugs, die Gäste blieben noch im Hotel, so der Angehörige. „Hilfe, Hilfe, wir sterben vor Kälte“, habe ein Paar als Hilferuf per SMS aus dem Hotel am Mittwochabend abgesetzt, berichten Medien. Hat tatsächlich eine Verspätung zahlreiche Menschenleben gekostet? Dass die Staatsanwaltschaft in Pescara wegen fahrlässiger Tötung ermittelt, könnte darauf hindeuten.
Experten des Zivilschutzes gruben mit bloßen Händen im Schnee der Lawine. Die Nachrichtenagentur Ansa meldete die Bergung von drei Leichen unter Berufung auf die Polizei. Ein Sprecher des Zivilschutzes erklärte, dass man nur wenig Hoffnung habe, jemanden lebendig bergen zu können. Das Auswärtige Amt hat bisher keine Erkenntnisse über mögliche deutsche Opfer.
Schwierige Rettungsarbeiten
Mit Entsetzen verfolgten Menschen in Fernseh-Liveschaltungen, wie sich die Rettungsdienste von Penna aus Meter für Meter auf den zugeschneiten und von anderen kleineren Lawinen bedeckten Straßen auf das Hotel zubewegten. Immer wieder mussten sie dabei Pausen einlegen. Von Hubschraubern aus, die aufgrund der unsicheren Schneelage bei dem Hotel nicht sicher landen konnten, lieferten Fernsehkameras erschreckende Bilder von dem zerstörten Hotelgebäude und der sich nähernden Wagenkolonne der Helfer.
Mit technischem Gerät will man die in der Hotelruine befindlichen Personen nicht ausgraben. „Das ist viel zu gefährlich“, sagte Walter Milano vom Zivilschutz am Telefon, „denn wir wollen jene Menschen nicht verletzen, die vielleicht in einer Sauerstoffblase unter der Lawine begraben liegen und noch leben“.
Vier schwere Erdstöße mit einer Stärke von über fünf hatten Mittelitalien am Mittwoch erschüttert. Seit Monaten suchen das bergige Gebiet immer wieder schwere Beben heim, im August starben rund um die Stadt Amatrice fast 300 Menschen.