Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Öl-Mann in der Loipe
Pita Taufatofua, der Kult-Olympionike von Rio de Janeiro, trainierte Langlauf in Isny
Es waren wenige Fernsehsekunden, die Pita Taufatofua zur Kultfigur gemacht haben. Wie er als Fahnenträger des kleinen pazifischen Königreichs Tonga letzten Sommer ins Olympiastadion von Rio de Janeiro einmarschierte, als einer von gerade mal sieben Athleten, hat sich weltweit ins Gedächtnis gesetzt: den nackten Oberkörper mit Kokosöl eingeschmiert, um die Hüften einen braun-weißen Rock mit beigen Fransen gewickelt, die traditionelle Festtracht des Inselstaates. Nur die Landesflagge habe farblich irgendwie nicht gepasst: „Die sieht aus, als wäre es die vom Roten Kreuz“, sagt der Taekwondo-Kämpfer, der diese Woche zum Training in Isny im Allgäu war.
Allerdings nicht in seiner angestammten Sportart, sondern als Langläufer, gemeinsam mit seiner Teamkollegin Makeleta Stephan. Beide bereiteten sich im Isnyer Langlaufstadion und im Nachbarort Maierhöfen auf die Nordische Ski-Weltmeisterschaft vor, die vom 22. Februar bis 5. März im finnischen Lahti stattfindet. Vor zwei Jahren hat das Königreich Tonga einen nationalen Skiverband gegründet und nimmt erstmals an Welttitelkämpfen teil. Die beiden Langläufer starten mit einer Wildcard, mussten sich vorab also nicht qualifizieren. Taufatofua, der Kult-Olympionike, ist für die Sprint-Rennen gemeldet, bei denen die Langläufer zunächst gegen die Uhr laufen.
Die WM soll für Taufatofua indes nur die Zwischenstation auf dem Weg hin zu seinem großen Ziel sein: Er will zum Olympioniken beider Welten werden, als erster Athlet seines Landes sowohl an Sommer- wie Winterspielen teilnehmen. Das Langlauftraining in Isny war der Auftakt für seine persönliche Cool-Runnings-Geschichte. 1988 hatte sich ja eine jamaikanische Bobmannschaft für Olympia qualifiziert; die Verfilmung wurde zum Kult.
Bevor Taufatofua bei den Spielen in Pyeongchang 2018 teilnehmen kann, muss er sich erst mal qualifizieren. Dafür hat der königliche Skiverband Tongas den Pfullendorfer Thomas Jacob als Nationaltrainer engagiert. Schon vor zwei Jahren bei den Nordischen Skiweltmeisterschaften im schwedischen Falun betreute er Makeleta Stephan. Die 38jährige Tonganerin ist mit einem Pfullendorfer verheiratet, im Ort kam der Kontakt zustande. Und nur fünf Wochen Training hätten gereicht, dass die Athletin „in ihren Rennen nicht peinlich aussah“, wie Jacob berichtet. Anders als etwa der Kenianer Philip Boit bei der Olympiade 1998 in Nagano oder Schlagersänger Costa Cordalis 1985 bei der WM in Seefeld in Tirol.
Und Taufatofua, der Öl-Mann von Rio? Erst am 13. Januar war er am Stuttgarter Flughafen gelandet. Trainer Jacob holte ihn ab und gemeinsam ging es in den Bregenzerwald, wo der Schwäbische Albverein eine Hütte besitzt. Hier stand er zum ersten Mal in seinem Leben auf Langlaufskiern und absolvierte, im Skianzug (!), einen zweitägigen Anfängerkurs, danach ging es nach Isny, wo der Schnee aktuell einen halben Meter hoch liegt. Begleitet und beobachtet wurde er von einem Fernsehteam des „Olympic Channel“, das mächtig Ärger bekam mit Loipenwart Erhard Pferdt, weil es die Ausrüstung zu Fuß quer über die Spuren schleppte.
Taufatofua lebt im australischen Brisbane und arbeitet als Taekwondo-Trainer. 14 Jahre lang kümmerte er sich als Streetworker um obdachlose Kinder und Jugendliche. So finanzierte er sein Ingenieurstudium. Jetzt, nach dem Abschluss, kann er in Europa Langlauf trainieren; davor musste er aber nach Los Angeles; das tonganische Kronprinzenpaar hatte ihn zur Hochzeit eingeladen.