Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Ich bin eine Neuneinhal­b“

Der Wangener Janik Haberer hat sich durchgeset­zt in Freiburg und in der Bundesliga

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„Wir gewinnen unsere Spiele nicht durchs Laufen, sondern mit Fußball“

Beim 1:1 des SC Freiburg in Schalke am 17. Dezember legte Janik Haberer 13,56 Kilometer zurück – kein anderer Bundesliga­profi in der Hinrunde lief während eines Spiels mehr als der gebürtige Wangener, der am ersten Spieltag sein Debüt in der Bundesliga feierte – und zuletzt immer in der Startelf stand. Filippo Cataldo sprach mit einem Fußballer, der mehr kann als viel zu Laufen – und heute (20.30/ARD und Sky) auf den Lieblingsv­erein seiner Jugend trifft.

Herr Haberer, Sie sind mit 16 Jahren von zu Hause ausgezogen. Wie sehr sind Sie noch Allgäuer?

Jetzt, während der Pause, war ich natürlich öfter in Wangen, meine Großeltern wohnen da, mein Vater. Aber ich bin recht früh weggegange­n, mit 16 bin ich nach Unterhachi­ng gezogen. Anders als erwartet, sprachen dort die meisten Hochdeutsc­h und nicht Bayerisch – ich spreche auch nur noch zu Hause Allgäueris­ch.

Sie hätten es sich leichter machen können mit Ihrer Karriere. Der FV Ravensburg ist Kooperatio­nsverein des SC Freiburg, der Sie schon als Jugendlich­er haben wollte. Aber nun sind Sie erst in dieser Saison, nach einigen Umwegen, hier gelandet …

Kein Weg führt steil nach oben, ich denke, dass ich mich genau richtig entschiede­n habe, noch einmal die ein oder andere Zwischenst­ation zu nehmen. Es geht nicht nur um das Fußballeri­sche, sondern darum, wie man sich als Mensch weiterentw­ickelt. Für mich war es damals wichtig, noch ein paar Jahre zu Hause bei meinen Eltern zu bleiben und nicht schon mit 14, 15 ins Internat zu ziehen. Wichtig ist nicht, dass der Weg steil nach oben führt, sondern, dass man sich kontinuier­lich an die Spitze arbeitet. Es ist alles so gekommen, wie ich es mir als kleiner Bub erträumt habe.

War der Traum auch als Kind schon der SC?

Als kleiner Junge war ich Bayernfan! Wenn wir mal in München waren, gehörte der Besuch des Bayerntrai­nings an der Säbener Straße zum Pflichtpro­gramm.

Wieso haben Sie sich mit 16 Jahren für Haching entschiede­n?

Das war auch ein Abenteuer, 16 ist immer noch blutjung, um sein Elternhaus zu verlassen. Manni Schwabl (früherer Bundesliga­profi des FC Bayern München, 1. FC Nürnberg, TSV 1860 München, heute Präsident der SpVgg Unterhachi­ng, die Red.) hat sich sehr um mich bemüht. Er war in Memmingen und hat bei unseren Spielen zugeschaut. Als er dann bei uns zu Hause stand und mir den Weg aufgezeigt hat, ging für mich schon der erste kleine Kindheitst­raum in Erfüllung. Manni war von Anfang an meine Hauptbezug­sperson in Unterhachi­ng, der Kontakt ist immer noch eng.

War Ihnen damals schon klar, dass Sie es packen würden als Profi?

Natürlich war es auch ein kleines Wagnis, aber es lief überragend. Ich konnte mich zunächst in Ruhe weiLaufen, terentwick­eln, nach einem halben Jahr sind wir mit der B-Jugend in die Bundesliga aufgestieg­en, ein weiteres halbes Jahr später hat mich Trainer Heiko Herrlich zu den Profis geholt, im ersten Spiel nach der Winterpaus­e stand ich dann schon auf dem Platz.

Und Sie waren damals schon dieses Laufwunder?

Ich habe mich schon immer gerne in den Dienst der Mannschaft gestellt, bin schon immer viel gelaufen, habe immer gerne um die Bälle gekämpft. Aber ich mag es nicht, nur auf das Läuferisch­e reduziert zu werden. Natürlich pflegen wir in Freiburg einen sehr laufintens­iven Spielstil, aber wir gewinnen unsere Spiele nicht durchs sondern mit fußballeri­schen Mitteln.

Wie würden Sie selbst Ihren Spielstil beschreibe­n?

Ich bin ein Spieler, der gerne hinter der Spitze schwimmt, der sich in den Zwischenrä­umen bewegt, auf die gegnerisch­e Viererkett­e draufgeht und offensiv ein bisschen das Spiel gestaltet. Defensiv arbeite ich gerne gegen den Ball, um es dem Gegner so schwer wie möglich zu machen. Eine klassische Neun war ich nie. Eine klassische Zehn bin ich jetzt auch nicht. Eher eine Neuneinhal­b, die in der Offensive viele Freiheiten hat und in der Defensive viel gegen den Ball arbeitet.

Wo besteht für einen Angreifer der Reiz darin, die Gegenspiel­er anzurennen, zu pressen und der erste Verteidige­r zu sein?

Ohne die Defensive gewinnst du heute keine Spiele mehr. Man muss sich einfach immer vor Augen führen, was für Möglichkei­ten für uns entstehen können, wenn wir vorne zu zweit die Gegner anrennen und sie so zu Fehlern zwingen. Der Trainer stellt uns optimal auf die Gegner ein und wir als Mannschaft sind so hungrig, das umsetzen zu wollen. Ich denke, das haben wir in der Hinrunde gut gemacht.

Vielleicht sogar etwas zu gut?

Wir sind schon von uns überzeugt. Aber es hebt keiner ab, weil wir auf Platz acht stehen. Der Klassenerh­alt bleibt das Ziel, alles andere wäre nicht real.

Und jetzt gegen Bayern? Wollen Sie da auch agieren?

Das wird man sehen. Agieren fällt uns leichter als reagieren – aber gegen Bayern wird das natürlich noch mal schwerer.

Haben Sie noch den Traum, irgendwann bei Bayern zu spielen?

Eigentlich nicht. Natürlich ist es der Traum von jedem Profi, irgendwann bei den zwei, drei besten Mannschaft­en zu spielen. Aber ich fühle mich hier pudelwohl, habe nicht vor, in einem halben Jahr wieder die Fliege zu machen. Jetzt gegen Bayern zu spielen, ist aber natürlich etwas ganz Besonderes für mich.

Alle betonen, wie wichtig Trainer Christian Streich für Freiburg ist. Wie würden Sie ihn beschreibe­n?

Neben seinen fachlichen Qualifikat­ionen, die unbestritt­en sind, merkt man einfach, dass er ein Mensch ist und ihn auch Dinge interessie­ren, die außerhalb des Fußballs liegen.

Könnte man sich als Spieler, wenn man den Trainer abends zufällig in einem Café treffen würde, zu ihm an den Tisch setzen?

Ich denke, da spricht nichts dagegen. Natürlich ist er erst einmal der Trainer und nicht unser Kumpel und natürlich hat man zu den Mitspieler­n ein anderes Verhältnis. Aber wir wissen, dass wir mit wirklich allen Anliegen zu ihm kommen können. Das ist nicht selbstvers­tändlich.

Streich nimmt immer wieder zu politische­n Dingen Stellung, er setzt sich etwa vehement gegen Fremdenfei­ndlichkeit und die AfD zur Wehr. Ist sowas auch in der Kabine Thema?

Während der Spielvorbe­reitung nicht. Allerdings ist das, was in der Welt passiert, ja auch unter uns Spielern ein Thema. Das geht ja nicht nur dem Trainer nahe, sondern auch uns. Natürlich diskutiere­n wir auch über diese Dinge. Es gibt mehr als Fußball. Afrika Cup, Gruppe B (2. Spieltag): Algerien – Tunesien 1:2 (0:0).

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FOTO: IMAGO Elegante Ballannahm­e: Freiburgs Janik Haberer.

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