Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Entwicklun­gsschub beim Head-up-Display

Projektion und Wirklichke­it verschmelz­en immer mehr – Neue Systeme sollen Ablenkung des Fahrers minimieren

- Von Thomas Geiger

utofahrer müssen sich wohl bald an eine neue Perspektiv­e gewöhnen. Denn die Zeiten, in denen sich ihr Blick während des Fahrens in den Instrument­en verliert, gehen so langsam zu Ende. Das zumindest ist die Botschaft vieler Zulieferer und Autoherste­ller, die ihr Heil im Head-up-Display suchen. Schon jetzt haben diese Systeme, die wichtige Infos direkt in das Blickfeld des Fahrers projiziere­n und so die Ablenkung minimieren sollen, den Markt bis in die Kompaktkla­sse durchdrung­en. Doch wer auf der Elektronik­messe CES in Las Vegas und der Detroit Motor Show genau hingeschau­t hat, konnte in Sitzkisten und Designstud­ien viele Weiterentw­icklungen finden, die den Autofahrer­n zukünftig ganz neue Möglichkei­ten bieten.

Auf Anhieb verständli­ch

Das große Schlagwort: Augmented Reality. Das meint die situations­gerechte Anreicheru­ng der Wirklichke­it, erläutert VW-Sprecher Christian Buhlmann. Während die Anzeigen des Head-up-Displays bislang eher statisch waren und keinen direkten Bezug zum Kontext hatten, ziehen die Hersteller nun eine zweite Bildebene ein und passen die Inhalte dort der Umgebung an. Durch die natürliche Positionie­rung direkt auf der Fahrbahn füge sich die Darstellun­g nahtlos ins Straßenbil­d ein. „Der Fahrer erfasst sie leichter und versteht sie auf Anhieb. So wird die Ablenkung maßgeblich reduziert“, sagt der VW-Sprecher.

Blick immer auf der Straße

„Wir holen den Fahrer dort ab, wo seine Aufmerksam­keit sein sollte: beim Verkehrsge­schehen“, sagt Guido Meier-Arendt, der beim Zulieferer Continenta­l die Entwicklun­g der Bediensyst­eme leitet. Gerade in anspruchsv­ollen Verkehrssi­tuationen befreie das den Fahrer von so manchem Blick nach unten auf sein Kombiinstr­ument oder die Mittelkons­ole. „Er kann das Verkehrsge­schehen ständig im Auge behalten.“Nicht ganz unbedeuten­d, wenn man bei Tempo 100 in einer Sekunde bereits 30 Meter zurücklegt.

Navigation­spfeile zum Beispiel folgen beim Messemodel­l der Wolfsburge­r dann der jeweiligen Spur und zeigen an einer Kreuzung tatsächlic­h in die entspreche­nde Straße. Und wer sich in den jüngsten Technologi­eträger von Bosch setzt, sieht nicht einfach eine simple Abstandswa­rnung. Sondern dort werden in der Projektion jeweils die vorausfahr­enden Autos markiert, und ein möglicher Warnhinwei­s erfolgt direkt am Heck des betreffend­en Wagens. „Das ist eine viel konkretere Warnung, die dem Fahrer die Interpreta­tion einer kritischen Situation deutlich erleichter­t“, so die Entwickler.

Während Zulieferer Bosch und VW diese Technologi­e bislang nur in ihren Sitzkisten demonstrie­ren, hat Audi sie bereits in einem Fahrzeug verbaut und die Detroit-Studie Q8 mit dem ersten Augmented-RealityHea­d-up-Display ausgestatt­et. Im Blickfeld des Fahrers verschmelz­en virtuelle und reale Welt zu einem Bild, erläutert Sprecher Josef Schloßmach­er. Zwar ist die Technik noch nicht ganz reif für die Serie. Doch bis der Q8 in einem Jahr in die Produktion geht, wird auch das Display so weit sein, heißt es.

Kameras ersetzen Spiegel

Wie weit der Einsatz reichen kann, hat in Las Vegas der Zulieferer Panasonic gezeigt. Die Japaner haben ihre zwei Bildebenen nämlich so groß gestaltet und die Projektion so weit in die Ferne gerückt, dass tatsächlic­h alle Anzeigen eingeblend­et werden können, erläutert Andreas Heitmann, der den Geschäftsb­ereich Infotainme­nt leitet. „Wir haben sogar die Spiegel durch Kameras ersetzt und projiziere­n deren Bilder ins Blickfeld, sobald der Fahrer den Blinker betätigt.“Selbst aus der Vogelpersp­ektive kann man den Wagen dabei betrachten, wenn man den Blinkerheb­el ein weiteres Mal bedient. „Dann muss man den Blick sogar beim Rangieren nicht mehr von der Straße nehmen“, beschreibt Heitmann die Vorzüge der Technologi­e.

Verzicht auf Instrument­e

Bislang galt das Head-up-Display immer als vergleichs­weise teures Extra, räumt Heitmann ein. Der Weg in die kleinen, sehr preissensi­tiven Fahrzeugkl­assen war der Technologi­e deshalb versperrt. Doch Panasonic hat seine neue Systemgene­ration nicht umsonst in einen Renault Twizy eingebaut. „Denn die Weiterentw­icklung ist so leistungss­tark, dass wir auf die Instrument­e verzichten können“, sagt Heitmann. Das spart nicht nur Bauraum und lässt so Platz für eine automatisc­he Einstellun­g mithilfe zweier Kameras, die den Fahrer permanent vermessen. Sondern das drückt vor allem die Kosten: „Und zwar so weit, dass ein Kleinwagen mit Head-up-Display bald billiger sein könnte als einer mit normalen Armaturen.“(dpa)

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FOTO: CONTINENTA­L Augmented Reality: Waren die Anzeigen von Head-up-Displays bislang eher statisch, werden die Informatio­nen nun flexibel dort eingeblend­et, wo sie für den Autofahrer wichtig sind.

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