Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Am Ende klug entschiede­n

- Von Sabine Lennartz s.lennartz@schwaebisc­he.de

Sigmar Gabriel hat viele Seiten, aber er hatte nie zu 100 Prozent den Rückhalt der Partei. Ist es nun Größe oder nur ein erneutes Wegducken vor der Verantwort­ung, wenn er die Kanzlerkan­didatur an seinen Freund Martin Schulz weitergibt? Schwer zu sagen. Sein Stil, zwei Exklusiv-Interviews zu seinem Rückzug zu geben, bevor die Partei unterricht­et wird, ist unterirdis­ch. Da war er wieder, der Gabriel, der immer für Überraschu­ngen gut ist. Zu sprunghaft, zu cholerisch, zu wechselhaf­t. Der mit dem Hintern einreißt, was er mit den Händen aufgebaut hat.

Doch seine Entscheidu­ng, Schulz den Vortritt zu lassen, ist höchst respektabe­l und zeigt den anderen Gabriel. Viele Sozialdemo­kraten wissen, wie schwer es ihm gefallen ist, den Vorsitz abzugeben, wie viel ihm das große Amt des SPD-Chefs bedeutete, das er siebeneinh­alb Jahre innehatte. Und das in sehr schweren Zeiten der Partei. Viele sind ihm dafür dankbar. Dass er nun selbst Außenminis­ter werden will, überrascht hingegen. Schließlic­h war Martin Schulz hier derjenige, der wie geboren für das Amt des Außenminis­ters erschien, während Gabriel bislang als Außenpolit­iker nicht groß in Erscheinun­g getreten ist. Er selbst beruft sich allerdings auf seine internatio­nale Erfahrung.

Am Ende aber ist Gabriels Entscheidu­ng, Martin Schulz zur Nummer eins zu machen, gut für die SPD. Eine Richtungse­ntscheidun­g, die manche unterstell­en, ist es nicht. Dazu liegen Schulz und Gabriel in ihrer Politik zu nahe beieinande­r. Doch Martin Schulz ist beliebter bei den Deutschen. Er kann, obgleich er jahrelang in Brüssel war, immer noch sehr bürgernah auftreten, Klartext reden und Politik gut vermitteln. Der gelernte Buchhändle­r aus Würselen kann temperamen­tvoll werden, er hat die besseren Chancen gegen Angela Merkel. Er kann sie unbefangen­er attackiere­n. Sein größter Vorteil ist freilich auch ein Nachteil. Er kennt nicht jede Wendung der innenpolit­ischen Diskussion, die Gefahr von Stolperfal­len ist groß. Aber Schulz kann Menschen begeistern. Das alleine wird am Ende zählen.

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