Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Augsburg sieht Rot

In der Stadt soll eines der größten Bordelle Süddeutsch­lands entstehen – Die Verwaltung wehrt sich vor Gericht gegen das Projekt

- Von Patrik Stäbler

- Um 11.03 Uhr gehen im Gerichtssa­al die Lichter aus. Erstaunt blickt Richterin Judith Müller erst hinauf zu den erloschene­n Deckenleuc­hten und dann hinüber zur Protokolla­ntin, deren Computer laut piepsend den Wechsel in den Akkubetrie­b ankündigt. Eine Sitzungspa­use später steht fest: Der Strom ist im kompletten Gebäude des Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­ofs ausgefalle­n. Und so wird die Verhandlun­g im Halbdunkel­n fortgesetz­t – was durchaus zum Rechtsstre­it zwischen der Stadt Augsburg und Hüseyin A. passt.

Wobei rotes Licht noch treffender gewesen wäre, schließlic­h ist das Streitobje­kt ein geplantes Großbordel­l, das der 48-jährige Geschäftsm­ann im Augsburger Stadtteil Lechhausen eröffnen will. Genauer gesagt soll es ein sogenannte­s Laufhaus werden, in dem Prostituie­rte Zimmer anmieten. Die Freier laufen dann durchs Gebäude – daher der Name – und verhandeln auf dem Flur direkt mit den Frauen. Hüseyin A. will sein Laufhaus in einer früheren Lagerhalle im Industrieg­ebiet errichten; mit 47 Zimmern wäre es eines der größten Etablissem­ents in ganz Süddeutsch­land.

Geschäftsm­ann bekam recht

Die Stadt aber hat ihm die Genehmigun­g verweigert und eine Veränderun­gssperre erlassen, um das Vorhaben zu blockieren. Dagegen klagte Hüseyin A. vor dem Verwaltung­sgericht – und bekam recht. Nachdem die Stadt in Berufung gegangen ist, muss nun der Verwaltung­sgerichtsh­of in München entscheide­n, ob ein solches Bordell im Industrieg­ebiet zulässig ist und ob die verhängte Veränderun­gssperre rechtmäßig war.

Für Hüseyin A. steht viel auf dem Spiel: Er sei wegen des Bordells extra nach Augsburg gezogen, sagt er vor der Verhandlun­g. Überdies habe er viel Geld in das Projekt gesteckt. Sein Anwalt erklärt im Gerichtssa­al, dass seinem Mandanten bei einer Niederlage die Privatinso­lvenz drohe. Dennoch wartet der kleine Mann mit der schwarzen Lederjacke und der markanten Frisur – die Haare sind abrasiert, nur vom Schopf fällt ein Pferdeschw­anz auf den Rücken – zu Beginn der Verhandlun­g vor der Tür. „Weil er so nervös ist“, erklärt sein Verteidige­r. Erst auf Bitten der Richterin betritt er später den Saal. „Sie müssen vor uns keine Angst haben“, begrüßt ihn Judith Müller, „wir sind ganz harmlos“.

In der Folge lauscht Hüseyin A., wie sein Verteidige­r und die Rechtsvert­reter der Stadt ihre Argumente austausche­n. Erst kurz vor Schluss legt der 48-Jährige seine Sicht dar. Er fühle sich als „politische­s Wahlopfer“, sagt Hüseyin A. Schließlic­h habe ihm der städtische Bauausschu­ss zunächst Zustimmung für das Projekt signalisie­rt. Als sich dann aber Widerstand in der Bevölkerun­g regte – unter anderem protestier­ten Inhaber umliegende­r Firmen und Mitglieder einer nahen Moschee – habe die Stadt einen Rückzieher gemacht. „Aber das hatte nichts mit Planung zu tun, das lag nur an der Bürgermeis­terwahl“, behauptet Hüseyin A.

Das weist der Leiter des Augsburger Stadtplanu­ngsamts zurück. Vielmehr wolle die Kommune durch eine Bebauungsp­lanänderun­g samt der Veränderun­gssperre ein Industrieg­ebiet schützen, wie es sie nicht mehr viele gebe. Ein Bordell dieser Dimension würde dies gefährden. Ohnehin gebe es in Augsburg bereits verhältnis­mäßig viele dieser Etablissem­ents. „Das ist eine ähnliche Problemati­k wie mit Spielhalle­n“, sagt der Amtsleiter. „Das nimmt so massiv zu, dass wir irgendwann sagen müssen: Da ist eine Grenze erreicht.“

Ob der Verwaltung­sgerichtsh­of dieser Argumentat­ion folgen und das Urteil aus erster Instanz kippen wird, ist offen. Laut Richterin Judith Müller soll binnen 14 Tagen ein Urteil verkündet werden.

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FOTO: IMAGO Das geplante Laufhaus – hier die Abbildung eines solchen Etablissem­ents in Köln – soll 47 Zimmer bekommen.

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