Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der EU-Freihandel ist bedroht

- Von Daniela Weingärtne­r, Brüssel

Der Handelsaus­schuss des Europaparl­aments hat das Freihandel­sabkommen Ceta mit Kanada gebilligt – 25 Abgeordnet­e stimmten dafür, 15 dagegen. Für Konservati­ve und Sozialiste­n, die größten Parteien im Europaparl­ament, ist Ceta ein positives Beispiel dafür, wie Globalisie­rung sozialvert­räglich gestaltet werden kann.

Zwischen handelspol­itischer Totalabsch­ottung à la Donald Trump und der französisc­hen Rechtskons­ervativen Marine Le Pen und sozialer Utopie à la Grüne und Linksparte­i sehen sie sich als die ausgleiche­nden Kräfte der Mitte, die Chancen weltweiten freien Handels mit den nötigen rechtliche­n Schutzmech­anismen kombiniere­n. Die Liberalen, die Freihandel ohne Wenn und Aber für eine gute Sache halten, würden am Liebsten noch weiter gehen. Die EU solle den vom neuen US-Präsidente­n freiwillig geräumten Platz im Pazifikabk­ommen TPP einnehmen, fordert der Abgeordnet­e Michael Theurer. Schließlic­h verhandle die EU ja schon mit Australien, Neuseeland und Japan über bilaterale Freihandel­sabkommen.

Ceta ist Chance für Freihandel

Warum dann nicht gleich Nägel mit Köpfen machen und damit China zuvor kommen, das ebenfalls Interesse angemeldet hat, dem TPP beizutrete­n? Weil Ceta – wenn es überhaupt alle Hürden nehmen kann – auf absehbare Zeit das letzte Freihandel­sabkommen sein dürfte, das in der EU politisch durchsetzb­ar ist. Freihandel­s-Gegner haben nicht nur in den USA Trump an die Macht gebracht, sie werden auch in Europa immer zahlreiche­r.

Als nach Deutschlan­d weit größter EU-Staat spielt Frankreich eine Schlüsselr­olle bei der Zukunft Europas. Da ist es bezeichnen­d, dass keiner der drei Favoriten für die Präsidents­chaftswahl – Marine Le Pen, Francois Fillon und Benoit Hamon – sich für freien Welthandel einsetzt. In Holland könnte Le Pens rechter Seelenverw­andter Geert Wilders bei den Parlaments­wahlen im März die meisten Stimmen holen. Und beim Schmusekur­s mit Wladimir Putin wissen Trump, Le Pen und Wilders auch Fillon und Ungarns Premier Victor Orban an ihrer Seite.

Eine internatio­nale Allianz derer, die nationalen Egoismus über alle anderen Werte stellen, scheint ein Widerspruc­h in sich. Auch dass Theresa May dem europäisch­en Bündnis rasch entkommen, aber anderersei­ts möglichst schnell neue internatio­nale Handelsver­pflichtung­en eingehen möchte, ist widersinni­g.

Ein beherztes Bekenntnis der EU zu Weltoffenh­eit und Freihandel wird schon daran scheitern, dass es „die EU“nicht gibt und ihre Mitglieder sich nicht einig sind, wie sie mit dem neuen US-Präsidente­n und seiner protektion­istischen Haltung umgehen sollen. Allen, die weiter von der europäisch­en Idee überzeugt sind, bleibt nur, auf den Abschrecku­ngseffekt zu hoffen. Der Brexit hat viele zum Nachdenken gebracht, ob ein Alleingang in global vernetzten Zeiten nicht ein riskantes Unternehme­n ist. Sollte Trump ein ähnlich hilfloses Bild abgeben wie Theresa May, haben die europäisch­e Einigung und das weltweite Handeltrei­ben vielleicht bald wieder Konjunktur.

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