Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der EU-Freihandel ist bedroht
Der Handelsausschuss des Europaparlaments hat das Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada gebilligt – 25 Abgeordnete stimmten dafür, 15 dagegen. Für Konservative und Sozialisten, die größten Parteien im Europaparlament, ist Ceta ein positives Beispiel dafür, wie Globalisierung sozialverträglich gestaltet werden kann.
Zwischen handelspolitischer Totalabschottung à la Donald Trump und der französischen Rechtskonservativen Marine Le Pen und sozialer Utopie à la Grüne und Linkspartei sehen sie sich als die ausgleichenden Kräfte der Mitte, die Chancen weltweiten freien Handels mit den nötigen rechtlichen Schutzmechanismen kombinieren. Die Liberalen, die Freihandel ohne Wenn und Aber für eine gute Sache halten, würden am Liebsten noch weiter gehen. Die EU solle den vom neuen US-Präsidenten freiwillig geräumten Platz im Pazifikabkommen TPP einnehmen, fordert der Abgeordnete Michael Theurer. Schließlich verhandle die EU ja schon mit Australien, Neuseeland und Japan über bilaterale Freihandelsabkommen.
Ceta ist Chance für Freihandel
Warum dann nicht gleich Nägel mit Köpfen machen und damit China zuvor kommen, das ebenfalls Interesse angemeldet hat, dem TPP beizutreten? Weil Ceta – wenn es überhaupt alle Hürden nehmen kann – auf absehbare Zeit das letzte Freihandelsabkommen sein dürfte, das in der EU politisch durchsetzbar ist. Freihandels-Gegner haben nicht nur in den USA Trump an die Macht gebracht, sie werden auch in Europa immer zahlreicher.
Als nach Deutschland weit größter EU-Staat spielt Frankreich eine Schlüsselrolle bei der Zukunft Europas. Da ist es bezeichnend, dass keiner der drei Favoriten für die Präsidentschaftswahl – Marine Le Pen, Francois Fillon und Benoit Hamon – sich für freien Welthandel einsetzt. In Holland könnte Le Pens rechter Seelenverwandter Geert Wilders bei den Parlamentswahlen im März die meisten Stimmen holen. Und beim Schmusekurs mit Wladimir Putin wissen Trump, Le Pen und Wilders auch Fillon und Ungarns Premier Victor Orban an ihrer Seite.
Eine internationale Allianz derer, die nationalen Egoismus über alle anderen Werte stellen, scheint ein Widerspruch in sich. Auch dass Theresa May dem europäischen Bündnis rasch entkommen, aber andererseits möglichst schnell neue internationale Handelsverpflichtungen eingehen möchte, ist widersinnig.
Ein beherztes Bekenntnis der EU zu Weltoffenheit und Freihandel wird schon daran scheitern, dass es „die EU“nicht gibt und ihre Mitglieder sich nicht einig sind, wie sie mit dem neuen US-Präsidenten und seiner protektionistischen Haltung umgehen sollen. Allen, die weiter von der europäischen Idee überzeugt sind, bleibt nur, auf den Abschreckungseffekt zu hoffen. Der Brexit hat viele zum Nachdenken gebracht, ob ein Alleingang in global vernetzten Zeiten nicht ein riskantes Unternehmen ist. Sollte Trump ein ähnlich hilfloses Bild abgeben wie Theresa May, haben die europäische Einigung und das weltweite Handeltreiben vielleicht bald wieder Konjunktur.