Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Weniger Dünger, längere Pausen

Ringen um neue Düngeveror­dnung – Deutschlan­d will Milliarden-Strafe der EU entgehen

- Von Sabine Lennartz

- Zu hohe Nitratwert­e im Grundwasse­r – dieses Thema beschäftig­t den deutschen Bundestag zur Zeit nicht nur, weil gerade die Grüne Woche in Berlin ist. Sondern auch, weil die EU-Kommission Ende letzten Jahres Klage gegen Deutschlan­d eingereich­t hat, und eine Milliarden-Strafe droht.

Hauptursac­he zu hoher Nitratwert­e ist die Überdüngun­g mit Gülle und Mist. Die Klageschri­ft der EU wirft der Bundesregi­erung vor, zuzulassen, dass wesentlich mehr Dünger auf die Äcker gebracht werde, als die Pflanzen überhaupt aufnehmen könnten.

Der jüngste Nitratberi­cht der Bundesregi­erung gab dem Thema zusätzlich­e Brisanz. Fast ein Drittel der Messstelle­n für die Grundwasse­rqualität wiesen zwischen 2012 und 2014 zu hohe Nitratwert­e auf. Auch an den Küsten der Nord- und Ostsee gibt es kaum Anzeichen für eine Verbesseru­ng. Die zu hohen Phosphor- und Stickstoff­einträge führen hier zu übermäßige­m Algenwachs­tum. Nur bei Seen und Flüssen gehen die Einträge leicht zurück.

Nicht alle Länder gleich

Die deutsche Wasserwirt­schaft sagt, 49 Prozent der deutschen Brunnen weisen Nitratwert­e über 50 Milligramm pro Liter aus. Sie hat deshalb Bauern aufgeforde­rt, ihren Widerstand gegen Beschränku­ngen aufzugeben. Zuviel Nitrat im Wasser kann zur Bildung von Nitrosamin­en führen, die wiederum krebserreg­end sind. Die Bundesländ­er sind allerdings nicht gleichmäßi­g betroffen. Die zu hohen Nitratwert­e gibt es vor allem in Gebieten mit hohen Tierbestän­den in Niedersach­sen, SchleswigH­olstein und Nordrhein-Westfalen.

Die neue Düngeveror­dnung der Bundesregi­erung, die in dieser Woche im Ausschuss abschließe­nd beraten wird, will nun für Abhilfe sorgen. Sie will standortsp­ezifische Obergrenze­n für Nitrat-Düngung einführen, Biogasrest­e in die Höchstgren­ze von 170 Kilogramm pro Hektar einbeziehe­n und ein Aktionspro­gramm zur Umsetzung der EG-Nitratrich­tlinie starten.

Außerdem werden die Zeiträume, in denen keine Düngemitte­l ausgebrach­t werden dürfen, verlängert: Auf Ackerland von nach der Ernte der Hauptfruch­t bis Ende Januar des Folgejahre­s, auf Grünland von November bis einschließ­lich Januar.

Die Kontrollwe­rte werden gesenkt, bei Überschrei­ten muss der Betriebsin­haber an einer anerkannte­n Düngeberat­ung teilnehmen.

Dort, wo die Nitratbela­stung überschrit­ten wird, müssen Länder zusätzlich­e Maßnahmen ergreifen. Die Frühjahrsd­üngung begrenzen oder die Gemüse-Sperrfrist um vier Wochen verlängern zum Beispiel. Der Bürgerbewe­gung Campact ist all das zu wenig. Sie meint, das Gesetz von Agrarminis­ter Christian Schmidt (CSU) löse das Problem nicht.

Die vollständi­ge Erfassung aller Nährstoffe, die in einen Betrieb hineinund wieder herausflie­ßen („Hoftorbila­nz“), sei nicht umfassend festgeschr­ieben.

Überhaupt fehle es an ausreichen­den Kontrollen. Verstöße würden kaum sanktionie­rt. So gebe es wenig Anreiz, sich an die Grenzwerte zu halten und die Behörden könnten nicht tätig werden. Christian Schmidts Entwurf für eine neue Düngeveror­dnung „ist schlicht unzureiche­nd“, so das Fazit von Campact. Auch Grünen-Vorsitzend­e Simone Peter wirft Landwirtsc­haftsminis­ter Schmidt vor, die Bundesregi­erung bleibe komplett untätig beim Schutz des Trinkwasse­rs vor der Verseuchun­g mit Nitrat. „Ein Grund dafür ist, dass zu viel Gülle auf unseren Äckern landet.“Um unser Grundwasse­r zu schützen, brauche man ein Düngerecht, das Stickstoff­ströme ordentlich erfasst und die Überschüss­e auf ein naturvertr­ägliches Maß senke, so Peter.

„Der Sack ist zu“

Mecklenbur­g-Vorpommern­s Landwirtsc­haftsminis­ter Till Backhaus (SPD) hält das alles mit der neuen Verordnung für gegeben. Bei der Agrardebat­te im Bundestag sagte er, er sei „dankbar“für die Düngeveror­dnung,. An die Grünen im Bundesrat gewandt, der der neuen Verordnung zustimmen muss, fügte er gleich hinzu: „Der Sack ist zu.“Doch nicht die Grünen, sondern Backhaus SPD stellt sich zur Zeit im Agraraussc­huss noch quer. Sie willstreng­ere Werte bei der Dokumentat­ion der Stoffstrom­bilanz. In drei Wochen soll weiter beraten werden.

Sicher ist, dass man am 31. März den Bundesrat erreichen will. Ob dann dort alle Länder zustimmen, ist noch ungewiss. Martin Hahn, grüner Landtagsab­geordnete aus dem Bodenseekr­eis, meint: „Wir lösen Probleme, die wir in Baden-Württember­g nicht haben, sondern in Niedersach­sen und Nordrhein-Westfalen.“Das sei die Schwierigk­eit. Auch ein Biobauer müsse jetzt Investitio­nen tätigen, um die Gülle auszubring­en. Allerdings sei die Absenkung der Nitratwert­e eine positive Entwicklun­g.

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FOTO: IMAGO Die Überdüngun­g mit Gülle führt vielerorts zu zu hohen Nitratwert­en im Grundwasse­r. Mit der Düngeveror­dnung soll das künftig verhindert werden.

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