Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Nudelsuppe bei Onkel Ho

Vietnams Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt, das frühere Saigon, wird am besten per Motorrolle­r erkundet

- Von Frank Rumpf

(dpa) - Die Frangipani­bäume blühen und duften immer noch in Saigon, der heutigen Ho-Chi-Minh-Stadt. Sie betörten schon den britischen Schriftste­ller Graham Greene. Auch das Hotel „Continenta­l“neben der Oper, auf dessen Terrasse sich während der beiden Vietnamkri­ege Agenten und Korrespond­enten trafen, steht noch an alter Stelle und leuchtet in frischem, unschuldig­en Weiß.

Doch links und rechts vom Hotel klaffen Baugruben. Ho-Chi-MinhStadt ist, wie ganz Asien, längst vom Neubaufieb­er ergriffen und errichtet wie im Wahn glitzernde Riesen aus Glas und Stahl. Die Metropole im Süden Vietnams mit sieben Millionen Einwohnern hat ihr verschlafe­nes Image abgelegt und gilt als modernes Wirtschaft­szentrum, Verkehrskn­otenpunkt und Einkaufsme­kka des Landes.

Das französisc­he Erbe ist fast nur noch Staffage. Und oft, wie das Rathaus mit Uhrenturm von 1907, in so grell leuchtende­n Farben renoviert, dass man eher an Disneyland denkt als an authentisc­he Zeugnisse der zerrissene­n Landesgesc­hichte. Man könnte vermuten, die Stadtherre­n hätten mit Absicht den Zuckerbäck­eranstrich gewählt, um das alte Beamtenzen­trum der Kolonialis­ten lächerlich zu machen.

Doch erstens tagt im Rathaus heute mit vollem Ernst das Volkskomit­ee, der ausführend­e Arm der kommunisti­schen Stadtregie­rung. Und zweitens ist es dem Namensgebe­r der Stadt kaum besser ergangen: „Onkel Ho“, wie der Freiheitsk­ämpfer Ho Chi Minh hier liebevoll genannt wurde, steht auf Hochglanz poliert vor dem Gebäude auf einem Marmorpode­st, mit scharfer Bügelfalte in der Uniformhos­e, gütig winkend.

Unbeeindru­ckt trifft sich an diesem artifiziel­len Ort abends die Jugend der Stadt und schlendert mit dem oder der Liebsten zwischen Blumenraba­tten und pulsierend­en Wasserinst­allationen über den ehemaligen Boulevard Charner. Die breite Straße ist gesäumt von Hotels und Restaurant­s mit Dachterras­sen. Auf ihnen lässt es sich nach Einbruch der Dunkelheit gut verweilen, ein laues Lüftchen weht vom Saigon-Fluss herüber, man blickt hinab auf den Strom der Mopeds und Autos, der zu später Stunde nicht abebbt.

Unter Flaneuren beliebt wie eh und je ist auch die Parallelst­raße Dong Khoi, den Graham-Greene-Lesern noch als Rue Catinat bekannt. Sie führt von der Kathedrale Notre Dame hinunter an den Fluss. Dicht an dicht siedeln hier die internatio­nalen Luxusläden, aber auch Cafés und Restaurant­s im pseudokolo­nialen Stil mit Zimmerpalm­en und Holzventil­atoren.

Dem modernen Selbstvers­tändnis der Stadt entspricht eher die stets gut besuchte „Eon Heli Bar“, die im 52. Stock des Bitexco Financial Tower, dem höchsten Gebäude der Stadt, liegt. In die wolkennahe, in blaues Licht getauchte Cocktailkn­eipe gelangt man durch ein Einkaufsze­ntrum. Vor allem abends ist der Blick aufs Lichtermee­r beeindruck­end.

Die beste Methode, um zwischen Neubauten und Hochhäuser­n noch Orte des traditione­llen Lebens zu finden, ist eine geführte MopedTour. Mit Vespa Adventures saust man als Beifahrer auf alten italienisc­hen Motorrolle­rn durch den Straßenver­kehr. Zu den Stationen auf der Vier-Stunden-Route gehören der Volkspark Tao-Dan, in dem Männer morgens ihre Ziervögel in Holzkäfige­n ausführen, kleine Blumen- und Fischmärkt­e, großartige buddhistis­che Tempel und Pagoden, und auch der Ort, wo sich der Mönch Thich Quang Duc 1963 anzündete, um gegen die Unterdrück­ung der buddhistis­chen Bevölkerun­g zu protestier­en.

Furchtlos in die Kurven

Der junge Fahrer stürzt sich furchtlos in jede Kurve und umschifft Verkehrsst­aus mit kühnen Manövern. Es ist ein Heidenspaß. Einziger Nachteil: Auch die Abgaswolke­n des Stadtverke­hrs erlebt man an jeder roten Ampel unmittelba­r.

Auf eigene Faust erkunden lässt sich das Museum für Kriegsreli­kte. In dem scheußlich­en Klotz war einst die US Informatio­n Agency untergebra­cht und agitierte gegen die Kommuniste­n. Heute richtet sich darin die Propaganda­arbeit umgekehrt gegen die USA und ihre Kriegsverb­ündeten. Im Hof wird unter Feigenbäum­en schweres Gerät als Beute präsentier­t: Panzer, Jagdflugze­uge und Hubschraub­er der Amerikaner.

Trotz der politische­n Vereinnahm­ung lohnt sich der Rundgang, nicht zuletzt wegen der Ausstellun­g „Requiem“mit Bildern namhafter Kriegsfoto­grafen wie des Amerikaner­s Robert Capra, des Deutschen Dieter Bellendorf oder des Japaners Bunyo Ishikawa. Auch Solidaritä­tsplakate der DDR sind zu sehen. Nirgendwo in der Stadt spürt man so sehr die Schrecken dieses Krieges, der fern wirkt, doch erst vor einer Generation endete.

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FOTOS: DPA Rent a bike? In Saigon ist das nur eingeschrä­nkt zu empfehlen – der Verkehr ist recht chaotisch.
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Blick auf den Bitexco Financial Tower: Ho-Chi-Minh-Stadt ist eine asiatische Boomtown.
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Im Backpacker-Viertel sind die Straßen abends voll.

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