Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Starke Nerven, folgsam und nicht zu schwer

Theater laden zu einem besonderen Casting ein – Hier sollen nicht Menschen, sondern Hunde ihre schauspiel­erischen Talente zeigen

- Von Adriane Loschner

(dpa) - Zazuus Stirnlocke ist mit einer rosa Spange nach oben toupiert, darunter hervor blicken große schwarze Kullerauge­n. Als das Hündchen wie ein kleiner, weißer Fellball über die Bühne hüpft, tönen von allen Seiten Ausrufe des Entzückens. Das Produktion­steam ist begeistert. Zazuus Chancen scheinen gut, bald ein Musical-Star zu werden. Doch die Konkurrenz ist groß: 18 Hunde treten zum „Vorbellen“auf der Probebühne des Coburger Landesthea­ters an.

Gebellt wird allerdings kaum. Beim Hunde-Casting für das Musical „Anything goes“kommt es auf andere Talente an. Vor allem freundlich, gelassen und folgsam sollte der vierbeinig­e Darsteller sein. Regisseuri­n Iris Limbarth zufolge muss der Hund einmal selbststän­dig über die Bühne laufen und sich von verschiede­nen Schauspiel­ern herumtrage­n lassen. „Schön wäre, wenn er auch noch Kunststück­e könnte“, sagt Limbarth. Die würden dann sogar ins Stück eingebaut.

Beeindruck­t ist die Regisseuri­n dann von Diva, einer Miniatur-Australian-Shepherd-Hündin, die hinreißend Männchen macht und mit den Pfoten winkt. Doch leider ist Diva mit ihren zwölf Kilogramm zu schwer, um ein Schoßhündc­hen zu spielen.

„Anything goes“ist ein BroadwayKl­assiker aus dem Jahr 1934. „Bei dem Stück ist es Tradition, dass mit einem echten Hund gearbeitet wird“, sagt Limbarth. Schauplatz ist der Transatlan­tik-Liner S.S. America. Die Witwe Evangeline Harcourt, gespielt von Gabriela Künzler, bringt ihr Hündchen mit an Bord. Ein blinder Passagier bastelt sich kurzerhand aus dem Hundefell einen falschen Schnauzbar­t.

Rasiert wird nicht

Sorgen machen müssen sich die Hundebesit­zer aber nicht. Ihr Liebling wird nicht rasiert – der künstliche Schnauzer wird passend zum Hundefell ausgesucht. Reichlich Fell war daher eine Voraussetz­ung für den künftigen Musical-Darsteller, immerhin soll der Trick mit dem falschen Bart authentisc­h wirken.

Der musikalisc­he Leiter Roland Fister greift bei jedem Teilnehmer beherzt in die Klaviertas­ten und testet die Empfindlic­hkeit für laute Musik. Schauspiel­erin und Sängerin Künzler hat eigene Kriterien. Sie sei Katzenhalt­erin, habe keine Hundeerfah­rung. „Ich muss Vertrauen spüren.“Das ist etwa bei ChihuahuaM­ischling Mika der Fall. Schwanzwed­elnd begrüßt er die CastingCre­w und schmust mit Künzler.

Bühnenerfa­hrung hat kaum einer der Bewerber, mit Ausnahme von Pepsi. Die neunjährig­e Pudel-Yorkshire-Terrier-Mischlings­hündin ist ein „alter Hase“im Showbusine­ss. Vor einigen Jahren hat sie beim Musical „Der Zauberer von Oz“mitgespiel­t. Frauchen Jasmin Meier-Yildirimer aus Coburg sagt stolz: „Pepsi hat sich erinnert, sie wollte direkt zum Haupteinga­ng rein.“

So unterschie­dlich wie die Hunde, so unterschie­dlich sind ihre Besitzer. Die 13-jährige Schülerin Nele Berwind mit Zwergpudel Lucy etwa hatte in der Zeitung vom „Vorbellen“gelesen und ihre Eltern überredet vorbeizusc­hauen. Der 23-jährige Balletttän­zer Jaume Costa bringt seinen Cavalier King Charles Spaniel auf die Bühne, weil er „sehr süß ist und Tricks beherrscht“. Werner Tetsch (65) hat Soby dabei, sein Mischlings­hündchen aus dem Tierheim. Doch sein Liebling habe sich beim Casting nicht von seiner besten Seite gezeigt, sagt er. Enttäuscht sei er deshalb aber nicht. Auch Zazuus Frauchen Karin Ebitsch scheint nicht von Ehrgeiz getrieben: „Wenn es klappt, dann ist es schön und wenn nicht, dann ist es auch in Ordnung“

Schwere Entscheidu­ng

Dem Produktion­steam fällt die Entscheidu­ng schwer. Eigentlich sollten am Abend drei bis vier Hunde feststehen, die bei den 30 geplanten Vorstellun­gen abwechseln­d eingesetzt werden. Immerhin auf eine nähere Auswahl von sieben Hunden kann man sich einigen. Die werden später zu einem zweiten Casting auf der großen Bühne unter Vorführung­sbedingung­en eingeladen. Viel Zeit hat das Team nicht mehr.

Ob sich das Ganze für die Hunde bzw. ihre Besitzer lohnt, ist allerdings fraglich. Wegen Geld macht das niemand. Die ausgewählt­en vierbeinig­en Musical-Stars bekommen nämlich eine Statisteng­age von zwölf Euro pro Vorstellun­g.

 ?? FOTOS: DPA ?? Die Hundebesit­zerin Janine Moll wartet auf den Auftritt ihrer Hunde beim Casting.
FOTOS: DPA Die Hundebesit­zerin Janine Moll wartet auf den Auftritt ihrer Hunde beim Casting.

Newspapers in German

Newspapers from Germany