Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Eingesperrt, gefesselt, erpresst
Vier junge Menschen müssen sich vor dem Amtsgericht Biberach wegen einer „Lektion“verantworten
- Reuig und geständig haben sich am Montag drei Jugendliche und ein junger Erwachsener gezeigt, die sich vor dem Jugendschöffengericht verantworten mussten. Ihnen wurden unter anderem gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung und versuchte Erpressung vorgeworfen. Alle Angeklagten stammen aus dem südlichen Landkreis Biberach.
Offensichtlich nicht bewusst waren sich die Jugendlichen, dass Facebook-Nachrichten vor Gericht als Beweis verwendet werden können. Das soziale Netzwerk spielte bei diesem Prozess eine entscheidende Rolle. Dort hatten sich die 17-jährige Angeklagte und der 21-jährige Geschädigte vor einem knappen Jahr kennengelernt. Die junge Frau befand sich zu diesem Zeitpunkt mit dem zweiten Angeklagten (24 Jahre alt) in einer Beziehung. Das hinderte sie jedoch nicht daran, wochenlang mit dem 21-Jährigen zu schreiben.
Zeit für eine Lektion
Dieser wollte dann irgendwann nicht mehr nur reden, sondern Sex. Anstatt ihn jedoch online einfach als Kontakt zu löschen, erzählte die junge Frau ihrem Freund davon. Gemeinsam beschlossen sie, es sei Zeit für eine Lektion. Tonangebend bei dieser Aktion war der 24-jährige Freund des Mädchens. Das gab er offen zu. In ihre Planungen bezogen sie einen weiteren gemeinsamen Freund ein, den dritten, 16-jährigen Angeklagten.
Das Haus eines weiteren Freundes, mitten in der Pampa, sollte als Treffpunkt dienen. Sie schrieb dem 21-Jährigen via Facebook, sie habe es sich anders überlegt und wolle ihn sehen. Nichtsahnend kam er zu dem vereinbarten Ort. Dort lockte sie ihn in den Partyraum, in dem eine Hollywoodschaukel stand. Unter dem Vorwand, sie stehe auf Fesselspiele, kettete sie den jungen Mann mit Handschellen an die Schaukel. Vorher zog sie ihn noch bis auf die Unterhose, die Socken und das T-Shirt aus. Als das geschehen war, sprangen die beiden anderen jungen Männer mit Baseballschlägern aus ihrem Versteck. Mit Panzertape fesselten sie das Opfer an den Beinen und beschimpften ihn lautstark. Die Baseballschläger hauten sie dabei mit viel Getöse immer wieder auf die Schaukel – ohne ihn dabei zu verletzen.
Zuschauer im Raum
Die junge Frau zog sich währenddessen wieder an und ging in die Küche, in der sich zwei weitere junge Männer befanden. Auch diese kamen nun für kurze Zeit in den Partyraum, um sich die Aktion anzuschauen. Der vierte Angeklagte, ein 17-Jähriger, mischte sich ein und beschimpfte das Opfer. Danach verließen die beiden Männer wieder den Raum. Um den 21-Jährigen noch mehr einzuschüchtern, zog der 24-jährige Freund des Mädchens dann eine Softairpistole und fuchtelte damit herum. Das Opfer, das nicht erkennen konnte, dass es sich um keine echte Pistole handelte, bekam Todesangst. Welche Worte in diesem Moment gesprochen wurden, darüber gehen die Meinungen auseinander. Fest steht aber, dass der Freund des Mädchens dieses fragte, ob er schießen sollte und sie diese Frage schulterzuckend bejahte. Der junge Mann schoss – und traf das Opfer am Bein. Danach ließen sie ihn frei. Damit jedoch nicht genug. Spontan beschloss die junge Frau am nächsten Tag, einen Schritt weiterzugehen. Sie schrieb, erneut über Facebook, es existiere ein Video von der Aktion. Gegen eine Zahlung von 1000 Euro würde sie davon absehen, das Video zu veröffentlichen. Als das Opfer zögerte, erhöhte sie ihre Forderung auf 1300 Euro. Der 21-Jährige beschloss daraufhin, zur Polizei zu gehen. Als Grund für die Erpressung nannte die junge Frau die Geldsorgen ihres Freundes.
Vor Gericht sahen sich die jungen Leute nun zum ersten Mal wieder. Die junge Frau ist inzwischen im sechsten Monat schwanger – von ihrem neuen Freund, dem 16-jährigen Angeklagten. Alle vier Angeklagten räumten ihre jeweiligen Taten ein. Gegenüber dem Opfer entschuldigten sie sich. Da der vierte Angeklagte an den Planungen und auch an der eigentlichen Tat nicht beteiligt, sondern nur kurz im Raum gewesen war, wurde das Verfahren diesbezüglich gegen ihn eingestellt. Gegen ihn lief jedoch noch eine andere Anklage. Zum etwa selben Zeitraum war er ohne Fahrerlaubnis Auto gefahren. Für diesen Tatbestand verurteilte das Gericht ihn zu einer Geldstrafe über 500 Euro.
Schwere Urteilsfindung
Schwieriger war die Urteilsfindung bei den anderen drei. Während des Prozesses wurde klar, dass die jungen Menschen schon früh Probleme im Leben hatten – mehrere Schulwechsel, kein Kontakt zu einem Elternteil. Sowohl die junge Frau als auch ihr 24-jähriger Ex-Freund hatten auch in der Vergangenheit Schwierigkeiten, sich ans Gesetz zu halten. Die werdende Mutter stand noch kurz vor der Tat unter Jugendarrest. Vor Gericht bekräftigte sie jedoch ihren Willen, mit ihrem neuen Freund ein anderes Leben anzufangen. Gemeinsam wollen sie das Kind großziehen. Beide sind derzeit arbeitslos, der 16-Jährige hat nach eigenen Angaben jedoch Aussicht auf einen Ausbildungsplatz.
Die Reue der Drei wurde vom Gericht als aufrichtig eingestuft. Die junge Frau wurde für den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung, der Freiheitsberaubung und der versuchten Erpressung zu acht Monaten Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Bewährungsauflage sind 40 Arbeitsstunden. Sollte sie sich in den nächsten zwei Jahren etwas zuschulden kommen lassen, bedeutet das Jugendgefängnis und der eventuelle Verlust des Sorgerechts für ihr Kind. Ihren erwachsenen Ex-Freund, der als Drahtzieher gilt, verurteilte das Gericht zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, ebenfalls auf Bewährung. Er zahlt zusätzlich 700 Euro Schmerzensgeld an den Geschädigten. Der werdende Vater wurde zu 70 Arbeitsstunden verurteilt.