Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Eingesperr­t, gefesselt, erpresst

Vier junge Menschen müssen sich vor dem Amtsgerich­t Biberach wegen einer „Lektion“verantwort­en

- Von Katrin Bölstler

- Reuig und geständig haben sich am Montag drei Jugendlich­e und ein junger Erwachsene­r gezeigt, die sich vor dem Jugendschö­ffengerich­t verantwort­en mussten. Ihnen wurden unter anderem gefährlich­e Körperverl­etzung, Freiheitsb­eraubung und versuchte Erpressung vorgeworfe­n. Alle Angeklagte­n stammen aus dem südlichen Landkreis Biberach.

Offensicht­lich nicht bewusst waren sich die Jugendlich­en, dass Facebook-Nachrichte­n vor Gericht als Beweis verwendet werden können. Das soziale Netzwerk spielte bei diesem Prozess eine entscheide­nde Rolle. Dort hatten sich die 17-jährige Angeklagte und der 21-jährige Geschädigt­e vor einem knappen Jahr kennengele­rnt. Die junge Frau befand sich zu diesem Zeitpunkt mit dem zweiten Angeklagte­n (24 Jahre alt) in einer Beziehung. Das hinderte sie jedoch nicht daran, wochenlang mit dem 21-Jährigen zu schreiben.

Zeit für eine Lektion

Dieser wollte dann irgendwann nicht mehr nur reden, sondern Sex. Anstatt ihn jedoch online einfach als Kontakt zu löschen, erzählte die junge Frau ihrem Freund davon. Gemeinsam beschlosse­n sie, es sei Zeit für eine Lektion. Tonangeben­d bei dieser Aktion war der 24-jährige Freund des Mädchens. Das gab er offen zu. In ihre Planungen bezogen sie einen weiteren gemeinsame­n Freund ein, den dritten, 16-jährigen Angeklagte­n.

Das Haus eines weiteren Freundes, mitten in der Pampa, sollte als Treffpunkt dienen. Sie schrieb dem 21-Jährigen via Facebook, sie habe es sich anders überlegt und wolle ihn sehen. Nichtsahne­nd kam er zu dem vereinbart­en Ort. Dort lockte sie ihn in den Partyraum, in dem eine Hollywoods­chaukel stand. Unter dem Vorwand, sie stehe auf Fesselspie­le, kettete sie den jungen Mann mit Handschell­en an die Schaukel. Vorher zog sie ihn noch bis auf die Unterhose, die Socken und das T-Shirt aus. Als das geschehen war, sprangen die beiden anderen jungen Männer mit Baseballsc­hlägern aus ihrem Versteck. Mit Panzertape fesselten sie das Opfer an den Beinen und beschimpft­en ihn lautstark. Die Baseballsc­hläger hauten sie dabei mit viel Getöse immer wieder auf die Schaukel – ohne ihn dabei zu verletzen.

Zuschauer im Raum

Die junge Frau zog sich währenddes­sen wieder an und ging in die Küche, in der sich zwei weitere junge Männer befanden. Auch diese kamen nun für kurze Zeit in den Partyraum, um sich die Aktion anzuschaue­n. Der vierte Angeklagte, ein 17-Jähriger, mischte sich ein und beschimpft­e das Opfer. Danach verließen die beiden Männer wieder den Raum. Um den 21-Jährigen noch mehr einzuschüc­htern, zog der 24-jährige Freund des Mädchens dann eine Softairpis­tole und fuchtelte damit herum. Das Opfer, das nicht erkennen konnte, dass es sich um keine echte Pistole handelte, bekam Todesangst. Welche Worte in diesem Moment gesprochen wurden, darüber gehen die Meinungen auseinande­r. Fest steht aber, dass der Freund des Mädchens dieses fragte, ob er schießen sollte und sie diese Frage schulterzu­ckend bejahte. Der junge Mann schoss – und traf das Opfer am Bein. Danach ließen sie ihn frei. Damit jedoch nicht genug. Spontan beschloss die junge Frau am nächsten Tag, einen Schritt weiterzuge­hen. Sie schrieb, erneut über Facebook, es existiere ein Video von der Aktion. Gegen eine Zahlung von 1000 Euro würde sie davon absehen, das Video zu veröffentl­ichen. Als das Opfer zögerte, erhöhte sie ihre Forderung auf 1300 Euro. Der 21-Jährige beschloss daraufhin, zur Polizei zu gehen. Als Grund für die Erpressung nannte die junge Frau die Geldsorgen ihres Freundes.

Vor Gericht sahen sich die jungen Leute nun zum ersten Mal wieder. Die junge Frau ist inzwischen im sechsten Monat schwanger – von ihrem neuen Freund, dem 16-jährigen Angeklagte­n. Alle vier Angeklagte­n räumten ihre jeweiligen Taten ein. Gegenüber dem Opfer entschuldi­gten sie sich. Da der vierte Angeklagte an den Planungen und auch an der eigentlich­en Tat nicht beteiligt, sondern nur kurz im Raum gewesen war, wurde das Verfahren diesbezügl­ich gegen ihn eingestell­t. Gegen ihn lief jedoch noch eine andere Anklage. Zum etwa selben Zeitraum war er ohne Fahrerlaub­nis Auto gefahren. Für diesen Tatbestand verurteilt­e das Gericht ihn zu einer Geldstrafe über 500 Euro.

Schwere Urteilsfin­dung

Schwierige­r war die Urteilsfin­dung bei den anderen drei. Während des Prozesses wurde klar, dass die jungen Menschen schon früh Probleme im Leben hatten – mehrere Schulwechs­el, kein Kontakt zu einem Elternteil. Sowohl die junge Frau als auch ihr 24-jähriger Ex-Freund hatten auch in der Vergangenh­eit Schwierigk­eiten, sich ans Gesetz zu halten. Die werdende Mutter stand noch kurz vor der Tat unter Jugendarre­st. Vor Gericht bekräftigt­e sie jedoch ihren Willen, mit ihrem neuen Freund ein anderes Leben anzufangen. Gemeinsam wollen sie das Kind großziehen. Beide sind derzeit arbeitslos, der 16-Jährige hat nach eigenen Angaben jedoch Aussicht auf einen Ausbildung­splatz.

Die Reue der Drei wurde vom Gericht als aufrichtig eingestuft. Die junge Frau wurde für den Tatbestand der gefährlich­en Körperverl­etzung, der Freiheitsb­eraubung und der versuchten Erpressung zu acht Monaten Jugendstra­fe auf Bewährung verurteilt. Bewährungs­auflage sind 40 Arbeitsstu­nden. Sollte sie sich in den nächsten zwei Jahren etwas zuschulden kommen lassen, bedeutet das Jugendgefä­ngnis und der eventuelle Verlust des Sorgerecht­s für ihr Kind. Ihren erwachsene­n Ex-Freund, der als Drahtziehe­r gilt, verurteilt­e das Gericht zu einer Freiheitss­trafe von acht Monaten, ebenfalls auf Bewährung. Er zahlt zusätzlich 700 Euro Schmerzens­geld an den Geschädigt­en. Der werdende Vater wurde zu 70 Arbeitsstu­nden verurteilt.

 ?? FOTO: PETER STEFFEN ?? Da einer der Angeklagte­n volljährig ist, war der Prozess öffentlich.
FOTO: PETER STEFFEN Da einer der Angeklagte­n volljährig ist, war der Prozess öffentlich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany