Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Terroransc­hlag im Regionalex­press als Übung

Behörden bereiten sich länderüber­greifend anhand eines grausamen Szenarios auf mögliche Gefahren vor

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(sz) - Memmingen, neun Uhr. Der voll besetzte Regionalex­press über Illertisse­n soll in vier Minuten planmäßig den Bahnhof in Richtung Ulm verlassen. Plötzlich fallen Schüsse. Die Polizei erreichen mehrere Notrufe von aufgebrach­ten, offensicht­lich traumatisi­erten Fahrgästen. Mehrere Männer sollen in den Zug gestürmt sein und wahllos in die Menge gezielt haben. Blut fließt. Körper liegen leblos im Zug. Panik bricht aus. Die Rede ist von vier Männern mit Gewehren. Einer zwingt den Triebwagen­führer mit vorgehalte­ner Waffe, den Zug in Bewegung zu setzen. Als der Regionalex­press startet, stürmen Fahrgäste panikartig im Kugelhagel aus dem Zug. Zehn Menschen sollen noch als Geiseln in der Gewalt der Täter sein, als der Zug in Richtung Ulm losfährt und ohne Halt durch den Bahnhof Illertisse­n rast. Der Polizei ist schnell klar: Ein Terrorakt sucht die Region heim.

Eine „dynamische Einsatzlag­e“heißt im Polizeijar­gon ein derartiges Szenario. Es ist frei erfunden, doch diente es jüngst Führungsst­äben des Präsidiums Ulm, des Präsidiums Schwaben Süd/West und der Bundespoli­zei als realistisc­he Vorlage für eine Übung. Das Ziel erklärt der leitende Polizeidir­ektor Werner Mutzel, der selbst eingebunde­n war: „Wir wollten anhand einer sich schnell fortbewege­nden Gefahrenla­ge das Zusammenwi­rken üben.“

Es geht auch um die Überwindun­g von Grenzen: Ihren Ausgang hatte der erfundene Terrorakt im bayerische­n Memmingen, doch durch das Kapern des Zugs verlagerte sich schließlic­h die Gefahr nach Baden-Württember­g. Die Polizeiviz­epräsident­en Hubertus Högerle (Ulm) und Guido Limmer (Schwaben Süd/West) sowie Polizeidir­ektor Reinhard Pürkenauer (Bundespoli­zei) zeigen sich hocherfreu­t über die während der gesamten Übung stabil funktionie­rende EDVTechnik. So seien alle beteiligte­n Behörden in Echtzeit über die jeweilige Landesgren­ze und Zuständigk­eitsgrenze­n hinweg verbunden und konnten in Sekundensc­hnelle Informatio­nen austausche­n. Insbesonde­re bei derartigen Terrorakte­n sei dies für die Arbeit ein unschätzba­rer Vorteil.

Was in Zeiten des Handys selbstvers­tändlich erscheint, war für die Polizei lange Jahre nicht mehr als ein ersehnter Wunsch. Erst seit vergangene­m Sommer funkt die bayerische Polizei digital. Die direkte Sprechfunk­verbindung zwischen den beteiligte­n Polizeikrä­ften in Kempten, Ulm und Stuttgart habe problemlos funktionie­rt. Dies wäre mit der früheren Analogfunk­technik nicht möglich gewesen. Die Polizei wäre also in der Lage gewesen, länderüber­greifend einen Zugriff mit Spezialein­heiten auf den Zug zu planen. So weit ging die Übung aber nicht, der „operative Teil“eines solchen Szenarios werde aber möglicherw­eise in naher Zukunft durchgespi­elt. Auch so habe die Übung die Herausford­erungen eines derartigen Terrorszen­arios gezeigt: Vier stressige Stunden wäre der hohe Zeitdruck eines derartigen Terrorakts simuliert worden.

Dass Terror in Regionalzü­gen durchaus zur schrecklic­hen Realität werden kann, zeigten die Vorfälle in Würzburg: Bei einem Anschlag im Juli vergangene­n Jahres verletzte ein mutmaßlich­er Islamist fünf Menschen mit einem Beil und einem Messer, vier davon schwer. Der Täter wurde in der Folge von einem Spezialein­satzkomman­do der Polizei erschossen.

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