Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

In Baden-Württember­g gibt es etwa 650 „Reichsbürg­er“

-

Lange wurden sie als Querulante­n belächelt, doch mittlerwei­le sind sie im Fokus der Verfassung­sschützer: Seit November 2016 werden die sogenannte­n „Reichsbürg­er“auch bundesweit beobachtet. Zuvor hatte einer von ihnen bei einer Razzia in Bayern einen Polizisten erschossen und drei verletzt. Die Beamten wollten die Waffen des Mannes beschlagna­hmen. Inzwischen wurden auch Fälle von Polizisten bekannt, die der Szene nahestehen sollen. Mehrere wurden vom Dienst suspendier­t. Laut der Antonio-Amadeu-Stiftung, die Rechtsextr­emismus, Rassismus und Antisemiti­smus entgegentr­itt, wurde die Gruppierun­g in Deutschlan­d lange unterschät­zt. Viele Akteure sind nach Einschätzu­ng der Behörden in der rechtsextr­emen Szene aktiv, Experten warnen vor zunehmende­r Gewaltbere­itschaft. Der Verfassung­sschutz geht von rund 10 000 Anhängern der Bewegung aus. In Baden-Württemsin­d berg beobachtet das zuständige Landesamt seit Herbst 2016 etwa 650 „Reichsbürg­er“. Allerdings gab es bei der Polizei im Land bereits einen Fall, in dem ein Polizist als Anhänger der „Reichsbürg­er“verdächtig­t wurde. Gegen ihn läuft ein Disziplina­rverfahren. Treffen und Stammtisch­e von Organisati­onen, die das Landesamt für Verfassung­sschutz beobachtet, finden auch in der Region statt. Unter anderem gibt es regelmäßig­e Zusammenkü­nfte in Ulm und Kempten. „Reichsbürg­er“erkennen die Bundesrepu­blik Deutschlan­d nicht als Staat an. Stattdesse­n behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Häufig legen sie dabei die Grenzen von 1937 zugrunde. Sie sprechen dem Grundgeset­z, Behörden und Gerichten die Legitimitä­t ab. Darüber hinaus weigern sie sich, amtlichen Bescheiden Folge zu leisten, und sie zahlen keine Steuern, Sozialabga­ben oder Bußgelder. Einige mit erfundenen Ausweispap­ieren oder Autokennze­ichen unterwegs. „Viele Gerichte und Staatsanwa­ltschaften werden mit umfangreic­hen Eingaben überschwem­mt. Darin wehren sich ,Reichsbürg­er‘ etwa gegen Bußgeldbes­cheide, weil sie die Bundesrepu­blik nicht anerkennen“, sagt Franz Steinle, Präsident des Oberlandes­gerichtsbe­zirks Württember­g. Eine verbreitet­e Methode der „Reichsbürg­er“: Sie nutzen Umwege über die USA und Malta, um dort einen Schuldtite­l gegen Justizbedi­enstete und Behördenmi­tarbeiter zu bekommen. Die Konsequenz: Die Betroffene­n bekommen Mahnbesche­ide über astronomis­che Summen. Mittlerwei­le hat das Justizmini­sterium in Stuttgart eigens für solche Fälle einen Ansprechpa­rtner benannt. Er berät und beobachtet die Szene, um Justizange­stellte über neue Tricks zu informiere­n. (tja/dpa)

Newspapers in German

Newspapers from Germany