Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gericht erlaubt Wahlen
Jetzt kann gewählt werden. Theoretisch schon im Frühjahr. Am Mittwoch hat der Verfassungsgerichtshof in Rom das umstrittene neue Wahlgesetz für das Abgeordnetenhaus für gültig erklärt.
Die Regierung des zurückgetretenen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi hatte im vergangenen Jahr ein neues Wahlgesetz beschlossen, aber nur für das Abgeordnetenhaus, die erste der beiden Kammern des italienischen Parlaments. Ein neues Wahlgesetz war nötig geworden, weil der Verfassungsgerichtshof 2014 das alte Wahlgesetz für verfassungswidrig erklärt hatte.
Für die zweite Kammer, den Senat, gilt das neue Wahlgesetz nicht. Denn der sollte nach Renzis Vorstellung in seinen Zuständigkeiten nicht nur radikal beschnitten, sondern zukünftig nur noch von Senatoren besetzt werden, die nicht durch offene Wahlen ernannt werden. Nach dem, so die Erwartung, siegreichen Referendum, mit dem Renzi Anfang Dezember 2016 seine Verfassungsreform absegnen lassen wollte, sollten die Senatoren von den Parlamenten der einzelnen Regionen ernannt werden. Doch die Mehrheit der Italiener lehnte das Verfassungsreferendum ab. Renzi trat daraufin zurück und der Staatspräsident ernannte den Sozialdemokraten Paolo Gentiloni zum Chef einer Übergangsregierung.
Richter streichen die Stichwahl
Die Verfassungsrichter hatten das neue Wahlgesetz für das Abgeordnetenhaus vor allem wegen eines Punktes beanstandet. Der Wahlsieger bekommt, wenn er mindestens 40 Prozent der Stimmen erhält, 54 Prozent aller Sitze im Abgeordnetenhaus. Das ist seit Jahrzehnten keiner Partei Italiens allein gelungen. Deshalb war eine Stichwahl vorgesehen, die jetzt allerdings aus dem Gesetz gestrichen werden muss. Mit der Stichwahl hätte eine siegreiche Partei auch ohne Koalition und mit nur 30 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit der Sitze bekommen.
Dieser Teil des neuen Wahlgesetzes lag vor allem Matteo Renzi am Herzen. Bei der Verabschiedung dieses Gesetzes lag er bei den Umfragen mit seiner Partei der Sozialdemokraten so gut im Rennen, dass er davon ausging, bei anstehenden Wahlen die absolute Mehrheit zu erhalten.
Im Moment aber liegt keine Partei so weit vorn. Nur die populistische und EU-kritische 5-Sterne-Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo wähnt sich, 40 Prozent erreichen zu können, allein oder mit der EU-feindlichen rechten Lega Nord. Wie aus gut informierten Kreisen bekannt wurde, ist diese Möglichkeit für die meisten Richter des Verfassungsgerichtshofes eine Horrorvision.
Nach der jetzt für gültig erklärten Regelung gilt im Abgeordnetenhaus ein Mehrheitswahlrecht, das eine Regierungsbildung erheblich vereinfacht. Im Senat hingegen gilt weiterhin das Verhältniswahlrecht.
Jetzt muss entschieden werden, ob Wahlen mit zwei verschiedenen Wahlgesetzen in den beiden Kammern des Parlaments durchgeführt werden sollen oder nicht. Bekannt ist, dass Staatspräsident Sergio Mattarella ein einheitliches Wahlgesetz für beide Kammern wünscht.