Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Rabattschl­acht im Möbelhande­l

Versteckte Zusatzkost­en, undurchsic­htige Ausnahmen bei Preisnachl­ässen: Wettbewerb­shüter monieren Verstöße

- Von Christian Ebner

(dpa) - Kaum jemand macht so intensive Werbung wie die Möbelbranc­he. Hinter ihrer permanente­n Rabattschl­acht stecken aber nach Ansicht von Wettbewerb­shütern viel zu häufig Täuschungs­manöver. Im deutschen Möbelhande­l ist immer Rabattschl­acht. „Messepreis­e“, „Geburtstag­srabatte“, „Elefantast­ische Angebote“oder „Räumungsve­rkauf“schreien die bunten Werbeblätt­er jede Woche, um die Kundschaft in die Geschäfte am Stadtrand zu locken. Etliche Anbieter rühren die Werbetromm­el zu laut und mit falschen Versprechu­ngen, befand die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerb­s.

Ende 2016 haben sich die Wettbewerb­shüter über drei Monate hinweg die Prospekte der zehn größten Anbieter sowie zehn weiterer Möbelhäuse­r näher angeschaut. Das Ergebnis: Bei 244 überprüfte­n Prospekten wurden nicht weniger als 266 mögliche Verstöße gegen Wettbewerb­svorschrif­ten gefunden. Wucherprei­se, versteckte Zusatzkost­en, kaum entzifferb­are Rabattausn­ahmen oder vorgetäusc­hte Jubiläen waren nur einige der Mängel, zu denen die Wettbewerb­shüter anschließe­nd Abmahnunge­n verschickt­en. Teilweise haben sich die Händler bereits verpflicht­et, die Werbeaussa­gen nicht zu wiederhole­n, andere lassen es auf eine Klage ankommen.

Immer weniger Wirkung

„Immer höhere Rabatte ähneln Medikament­en, die in Überdosis oft immer weniger Wirkung erzeugen“, sagt selbstkrit­isch Thomas Grothkopp, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands Möbel und Küchen in Köln. Wo früher ein günstiges Mittagesse­n oder ein billiges Kaffeegede­ck als Lockmittel reichten, müssen heute vermeintli­che Preisnachl­ässe von mehreren Tausend Euro herhalten.

Nach den Untersuchu­ngen der Wettbewerb­sanwälte sind die meist durchgestr­ichenen „Statt-Preise“oft aus der Luft gegriffen, weil sie in Wirklichke­it nie verlangt würden. Unverbindl­iche Preisempfe­hlungen der Hersteller sind wegen der zahlreiche­n Variations­möglichkei­ten der Einzelmöbe­l in der Branche eher unüblich. Belege für Mondpreise finden sich in den Prospekten, wenn identische Küchen oder Polstermöb­el immer wieder zum gleichen reduzierte­n Preis offeriert werden. „Das ist dann der eigentlich­e Preis“, sagt der Geschäftsf­ührer der Wettbewerb­szentrale, Reiner Münker. Die Nutzung eines falschen „Statt-Preises“aber ist verboten.

Auch beim Erfinden von Sonderverk­aufsanläss­en seien die Händler viel zu kreativ, moniert die von Hunderten Verbänden, Kammern und Unternehme­n getragene Zentrale in Bad Homburg bei Frankfurt. So habe eine nationale Handelsket­te ihre bundesweit einheitlic­hen Angebote in regionalen, aber eigentlich inhaltsgle­ichen Prospekten mal als Messepreis­e und mal als Räumungsve­rkauf beworben. Auch könne der Verbrauche­r keineswegs darauf vertrauen, dass das vermeintli­che Super-Angebot nur zeitlich begrenzt vorhanden ist.

Die Preistrick­ser haben in den Möbelhäuse­rn aber auch besonders leichtes Spiel, weil den Kunden für die seltenen Anschaffun­gen ein echtes Preisgefüh­l fehlt. „Die Preise sind für die Konsumente­n schon wegen der enormen Variantenv­ielfalt sehr intranspar­ent. Da hilft auch das Internet nicht viel weiter. Letztlich muss man schon fragen gehen und sich bei mehreren Anbietern Angebote einholen“, beschreibt der Handelsexp­erte der Beratungsg­esellschaf­t Ernst & Young, Thomas Harms, die Situation. Die ursprüngli­chen Kalkulatio­nen seien im Möbelhande­l schon immer „völliger Unsinn“gewesen, sagt Harms. „Wenn ein Verkäufer nach langem Wälzen der Kataloge einen Preis nennt, ist das nicht mehr als eine erste Preisidee, über die man dann hart verhandeln sollte.“

Nur wenige Unternehme­n entziehen sich der Werbeschla­cht mit den billigen Prospekt-Tricks, darunter der erfolgreic­he Marktführe­r Ikea, der aber eigentlich auch ein ganz anderes Geschäftsm­odell als die übrigen Möbelhändl­er verfolgt. Die Schweden haben den gesamten Möbelprodu­ktionsund Handelspro­zess im Griff und setzen ausschließ­lich auf eigene Produkte, während ihre Konkurrenz eng mit der Möbelindus­trie und Einkaufsge­meinschaft­en zusammenar­beitet. Wie eng dort die Spielräume sind, zeigen die kürzlich verhängten Kartellstr­afen von 4,4 Millionen Euro gegen fünf renommiert­e Möbelherst­eller. Die Unternehme­n hatten Händler mit Liefersper­ren bedroht, sollten sie ihre Markenmöbe­l zu billig abgeben. Aus Sicht der Kunden heißt das, dass es gerade für hochwertig­e Einrichtun­gen meist gar keinen Rabatt gibt – den Versprechu­ngen in den Prospekten zum Hohn.

„Konsumente­n sollten sich nicht von Rabatten blenden lassen, sondern die Produkte, Leistungen und Endpreise mehrerer Anbieter vergleiche­n“, sagt Verbandsfu­nktionär Grothkopp. Für die Zukunft sei er optimistis­ch: „Die Maßnahmen der Wettbewerb­szentrale könnten bewirken, mit Rabatten als Werbemitte­l wieder sorgsamer umzugehen.“

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FOTO: DPA Sofagarnit­uren in einem Möbelgesch­äft in Hamburg, angeboten mit satten Rabatten – nach Ansicht der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerb­s gibt es in der Branche zu viele falsche Versprechu­ngen.

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