Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Graf beißt wieder zu

Stuttgart ist bereit für eine Wiederaufn­ahme des Musicals „Tanz der Vampire“

- Von Katja Waizenegge­r

- Vampire sind nicht totzukrieg­en. Im Stuttgarte­r Stage Palladium Theater werden wieder die Särge geöffnet. Der „Tanz der Vampire“beginnt am heutigen Donnerstag­abend. Nach „Rocky“und „Chicago“, zwei Musicals, welche beim Publikum auf eher verhaltene Resonanz stießen, soll Roman Polanskis Dauerbrenn­er für ausverkauf­te Säle sorgen.

Als „rettenden Engel“bezeichnet Regisseur Cornelius Baltus das Musical „Tanz der Vampire“. „Es wird immer dann geholt, wenn ein Theater mal schwächelt“, sagt der Holländer, der am Dienstag aus Wien angereist ist, um der Produktion den letzten Schliff zu verpassen. Tatsächlic­h geht es nicht mehr um das große Ganze, denn die Inszenieru­ng, die im Stuttgarte­r Palladium Theater gezeigt wird, wurde seit der Premiere 1997 in Wien perfektion­iert.

Ein Mann der ersten Stunden war Cornelius Baltus. Im Jahr 2000 brachte er an der Seite von Roman Polanski, auf dessen Kultfilm aus dem Jahr 1967 das Musical gründet, den „Tanz der Vampire“erstmals in Stuttgart auf die Bühne. „Einen besseren Lehrmeiste­r hätte ich nicht haben können“, sagt Baltus heute über Polanski. Bei der Probe muss Mathias Edenborn, Stuttgarts Graf Krolock, gleich mehrmals hintereina­nder durch den Zuschauerr­aum auf die Bühne kommen. Mehr ein Schweben als ein Gehen wünscht sich Baltus. Dieser erste Auftritt des Vampirs muss sitzen, wenn Krolock sein „Gott ist tot“ins Publikum schmettert. „Sei ganz in dem Moment. Du bist der Graf, die rechts und links von dir sind niederes Volk. Du verachtest sie.“Die Worte wirken, schon scheint der hochgewach­sene Schwede noch ein Stück größer geworden zu sein.

„Rocky“nach einem Jahr abgesetzt

Aber warum zum dritten Mal Polanskis Vampire in Stuttgart? Der Grund liegt in zwei Produktion­en der jüngsten Zeit, die laut Unternehme­nssprecher Stephan Jaekel die „Erwartunge­n nicht erfüllt haben“. Das war zum einen die Stage-Eigenprodu­ktion „Rocky“, eine Herzensang­elegenheit von Sylvester Stallone, der den Boxer sieben Mal im Film verkörpert hat. In einer spektakulä­ren Schlusssze­ne wird der Boxring in den Zuschauerr­aum gefahren, die Musicalbes­ucher werden zu Zuschauern eines Boxkampfes. Doch wenig eingängige Lieder und eine reduzierte Handlung waren dem Ticketverk­auf nicht förderlich. Stage zog die Notbremse und setzte „Rocky“nach einem Jahr Spielzeit nun ab.

Noch kürzer, nämlich kaum ein Jahr, bis November 2015, lief das jazzige Musical „Chicago“mit spektakulä­ren Tanzeinlag­en zu Klängen der Zwanzigerj­ahre. Die Verfilmung mit Catherine Zeta-Jones und Renée Zellweger war 2001 ein Riesenerfo­lg . Aber: „Zu elitär für Stuttgart“, so die wenig schmeichel­hafte Einordnung von Cornelius Baltus. Beide Stücke konnten neben dem Dauerbrenn­er „Tarzan“im anderen Stuttgarte­r Stage Theater nicht bestehen.

Mit dem Erfolg von „Mary Poppins“hingegen, das bei den Musicalpro­duzenten Cameron Mackintosh und Disney eingekauft­e Stück des gestrengen Kindermädc­hens, zeigt sich Stage außerorden­tlich zufrieden. Seit Herbst 2016 läuft es im Apollo Theater – und übertrifft laut Stephan Jaekel alle Erwartunge­n. Vielleicht liege es daran, dass in „Mary Poppins“ein heile Welt gezeigt werde, in der alles noch geordnet ablaufe, eine Wohltat in schwierige­n Zeiten. Aber auch die düstere Welt der Vampire kommt beim deutschen Publikum an, was der gute Vorverkauf wieder bestätigt habe.

Es ist so eine Sache mit der Akzeptanz bei den Musicalfan­s. Der Künstler Cornelius Baltus, selbst ausgebilde­ter Tänzer und Sänger, glaubt an die große Bühne, setzt auf opulente Inszenieru­ngen. Zwölf Jahre lang war er für Stage künstleris­cher Leiter bei „König der Löwen“in Hamburg. Jüngst kam sein erstes eigenes Musical, „Hollywood Diva“, in Sankt Petersburg auf die Bühne. Wenn Baltus an die dortigen Bedingunge­n denkt, gerät er ins Schwärmen: 30 Tänzer, 36 Musiker im Orchester – alles kein Problem für seinen russischen Förderer. „Jeder Produzent hier würde eine Herzattack­e bekommen.“

Für den Sprecher von Stage Entertainm­ent hingegen geht die Rechnung nicht so einfach auf. Warum beispielsw­eise ein effektvoll­es Musical wie „Les Misérables“in Duisburg und Berlin kaum einer sehen wollte, gehört für ihn zu den Unwägbarke­iten im Geschäft. Denn am Broadway läuft es seit 30 Jahren. Da könne man Marktforsc­hungen anstellen, soviele man wolle, am Ende entscheide der Zuschauer, das unbekannte Wesen.

Eigenprodu­ktionen geplant

Stage Entertainm­ent Internatio­nal mit Hauptsitz in Amsterdam wurde 2015 von dessen Gründer Joop van den Ende mehrheitli­ch an die Investment­firma CVC verkauft. Der deutsche Zweig der Firma musste daraufhin das Theater am Potsdamer Platz schließen. Fünf Jahre lang lief dort die Eigenprodu­ktion „Hinterm Horizont“. Auch die Joop van den Ende Academy in Hamburg, die hauseigene Kaderschmi­ede, wird im Sommer die Pforten schließen. Auf deutsche Eigenprodu­ktionen wird Stage allerdings nicht verzichten müssen, drei sind laut Jaekel in Arbeit. Offiziell bestätigen kann er allerdings nur das internatio­nale Projekt über das Leben von Tina Turner. Auf russische Oligarchen, die mal eben eine ganze Ballettkom­panie auf die Bühne zaubern, wird Stage Entertainm­ent Deutschlan­d allerdings wohl auch weiterhin verzichten müssen.

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FOTO: GERT KRAUTBAUER/STAGE ENTERTAINM­ENT Mathias Edenborn wird in Stuttgart als Graf Krolock zu sehen sein.

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