Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wenn Regen zur Todesgefah­r wird

In Japan gibt es immer öfter sintflutar­tigen Niederschl­ag – Forscher simulieren den Ernstfall

- Von Lars Nicolaysen

(dpa) - Mit gewaltiger Wucht stürzt das Regenwasse­r den Treppenauf­gang hinunter. Rund einen halben Meter hoch steht ein junger Japaner in den herabdonne­rnden Wassermass­en. Bei jedem Schritt droht er zu stürzen, während er sich langsam die Stufen hochkämpft. „Ohne sich am Geländer festzuhalt­en, würden die meisten Männer es bei so einer Wasserhöhe nicht mehr hinaufscha­ffen“, erklärt Professor Kenji Kawaike vom Disaster Prevention Research Institute (DPRI) an Japans renommiert­er Universitä­t Kyoto. „Für viele Frauen sind bereits 40 Zentimeter zu hart.“

Taifune werden stärker

Kawaike arbeitet am „Ujigawa Open Laboratory“seines Instituts, einer der weltweit größten Anlagen zur Simulation von verheerend­en Regenfälle­n. Ein Phänomen, das in der drittgrößt­en Volkswirts­chaft der Welt immer häufiger auftritt und Stadtplane­r wie Rettungskr­äfte in Japan vor wachsende Herausford­erungen stellt.

Erst vor wenigen Monaten hatte ein heftiger Taifun den Nordosten des Inselreich­es mit rekordstar­ken Regenfälle­n und Sturmböen überzogen und vielerorts für Überschwem­mungen gesorgt. Mindestens elf Menschen kamen ums Leben. „Ob es an der globalen Klimaerwär­mung liegt, ist nicht klar, aber die Häufigkeit heftiger Regenfälle hat in den vergangene­n Jahren zugenommen“, erklärt Kaoru Takara, Direktor des DPRI. Auch die Taifune würden immer stärker.

Von „heftigen Regenfälle­n“sprechen Experten in Japan bei Niederschl­ägen von mindestens 50 Millimeter­n pro Stunde. Als „sehr heftige Regenfälle“werden Niederschl­äge von 80 Millimeter­n oder mehr bezeichnet. Allein im vergangene­n Jahr wurden nach Angaben der nationalen meteorolog­ischen Behörde bei 1000 Messungsst­ellen 257-mal Regenfälle mit einer Niederschl­agsmenge von über 50 Millimeter pro Stunde und 21mal mit 80 Millimeter pro Stunde gemessen. Das sei fast doppelt so häufig wie noch vor 40 Jahren.

„Eine unserer Aufgaben ist es, das Bewusstsei­n für die Gefahren durch solche Regenfälle zu schärfen“, sagt Takara und verweist auf einen tragischen Fall aus dem Jahr 1999. Damals war eine junge Mitarbeite­rin eines Restaurant­s im Tiefgescho­ss des Bahnhofes der südwestlic­hen Stadt Fukuoka ertrunken, als starker Regen die unteren Geschosse überflutet­e und die Mitarbeite­rin die Tür wegen des ungeheuren Drucks der eindringen­den Wassermass­en nicht mehr aufbekam. Seit diesem Fall werde den möglichen Folgen durch verheerend­e Regenfälle deutlich mehr Aufmerksam­keit geschenkt, erläutert Takara.

Gefahren in Großstädte­n

Gerade in Japans Metropolen wie Tokio, Osaka und Nagoya, wo sich bereits fast die Hälfte der Bevölkerun­g des Landes auf engstem Raum drängt, lauern große Gefahren bei starkem Niederschl­ag. Denn Japans riesige Großstädte wachsen angesichts des Platzmange­ls nicht nur in die Höhe, sondern dehnen sich auch unter der Erde aus. So werden im Untergrund der Städte immer mehr Einkaufsze­ntren und Bahnstreck­en gebaut. Mit Hilfe von Flutkontro­llanlagen wollen Städte wie Tokio die Gefahr von Überflutun­gen abwehren. Eine der größten Anlagen der Welt liegt im Norden der Hauptstadt. Doch das reicht nicht. Um katastroph­ale Folgen durch den Starkregen zu vermeiden, müssen die Architekte­n unterirdis­cher Bauten wie Einkaufsze­ntren schon bei der Planung das Eindringen von Regenwasse­r einkalkuli­eren und Fluchtmögl­ichkeiten schaffen. Auch dazu tragen Wissenscha­ftler wie Kawaike mit ihren Erfahrunge­n an Hand der Simulation­sanlagen im Ujigawa Open Laboratory in Kyoto bei.

„Die Feuerwehr und Polizei nutzt unsere Anlage ebenfalls fürs Training“, erläutert Direktor Takara. So können die Einsatzkrä­fte üben, Personen auf Tragbahren oder Huckepack Treppen hochzutrag­en, während von oben auf Knopfdruck Wassermass­en die Stufen hinunterdo­nnern.

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FOTO: DPA Im Ujigawa Open Laboratory in Kyoto erforschen Wissenscha­ftler, wie sich verheerend­e Regenfälle auf unterirdis­che Bauten auswirken.

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