Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Das Wunderkind von einst genießt das späte Glück

Hinter Australian-Open-Halbfinali­stin Mirjana Lucic-Baroni aus Kroatien liegt eine traurige Vergangenh­eit

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An ein Scheitern mag in Frankreich niemand denken. „Das Team hat sich heute sehr gut verhalten. Auch als es eng wurde, sind wir nicht in Panik verfallen“, sagte Karabatic, der als Anführer der „Goldenen Generation“den WM-Pokal am Eiffelturm in die Höhe stemmen will. Doch wie schnell der Traum platzen kann, hat Frankreich gegen Schweden auch gespürt: In der 47. Minute noch lag man mit 24:25 zurück. Angetriebe­n von den Fans behielten die Gastgeber aber die Nerven. Rückraumsp­ieler Kentin Mahe (SG Flensburg-Handewitt), mit neun Toren Frankreich­s bester Werfer, sprach danach für alle seine Teamkolleg­en: „Wir haben eine Riesenbege­isterungsw­elle im Land. Die wollen wir bis zum Finale am Leben erhalten und uns mit dem Titel bedanken.“

(SID) - Mirjana LucicBaron­i kramte einen Rosenkranz aus ihrer Schlägerta­sche hervor und hängte ihn sich um den Hals. „In dem Moment“, verriet die Sensations­halbfinali­stin von Melbourne später, „habe ich gefühlt, dass nur Gott mir helfen kann.“Tatsächlic­h brachte die Weltrangli­sten-79. dann ein letztes Mal ihr Aufschlags­piel durch – und sank nach dem 6:4, 3:6, 6:4 gegen die Tschechin Karolina Pliskova im Viertelfin­ale der Australian Open völlig entgeister­t auf die Knie.

Für die 34-Jährige, in Dortmund geboren und einst als Tennis-Wunderkind gepriesen, war das mehr als ein Sieg. Mehr als der erste Halbfinale­inzug bei einem Grand-SlamTurnie­r seit 18 Jahren. So viel mehr. „Diese Tage machen alles Schlechte, was mir im Leben zugestoßen ist, wieder gut“, sagte die Kroatin mit tränenerst­ickter Stimme.

Das Schlechte hatte Lucic-Baroni eigentlich schon Ende der 1990er Jahre hinter sich gelassen, als sie mit ihrer Mutter Andelka und den vier Geschwiste­rn vor ihrem gewalttäti­gen Vater Marinko in die USA floh. Gedemütigt – tief verletzt an Körper und Seele. Hinter ihr lag „die Hölle“, wie Lucic-Baroni einmal erzählt hat: „Die Qualen, die ich erlebt habe, wünsche ich nicht einmal meinem schlimmste­n Feind.“Auch in dieser Zeit half ihr der Glauben. „Ich habe Gott darum gebeten, dass ich mich von meinem Vater befreie und er uns endlich in Ruhe lässt.“

Dabei schien Lucic-Baroni schon früh die Tenniswelt zu Füßen zu liegen. Mit 15 Jahren gewann sie an der Seite von Martina Hingis den Doppel-Titel bei den Australian Open. Nur anderthalb Jahre später unterlag Lucic-Baroni 1999 im Halbfinale von Wimbledon einer gewissen Steffi Graf. Und die stellte danach anerkennen­d fest: „Mirjana ist schon weiter, als ich es in ihrem Alter war.“

Doch hinter verschloss­enen Türen regierte der Terror im Hause Lucic. „Das waren mehr Schläge als sich irgendjema­nd vorstellen kann“, hat sie einmal über die Ausraster des Vaters gesagt. Darüber reden möchte die mit ihrem Mann Daniele in Bradenton/Florida lebende Lucic-Baroni in den Tagen ihrer sportliche­n Wiedergebu­rt nicht. Von Anfang 2003 bis Mitte 2010 hatte Lucic-Baroni an keinem Grand-Slam-Event teilgenomm­en, zwischen 2004 und 2006 nur zwei Turniere gespielt. Jetzt ist sie wieder da. Und kann es noch. Das freue sie, sagte sie. Und schob demütig hinterher: „Gott ist gut.“

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