Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Unwucht im System

- Von Andreas● Knoch a.knoch@schwaebisc­he.de

Das Handwerk plagen Nachwuchss­orgen. So ist es landauf, landab seit Jahren zu hören und zu lesen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Sie fangen an bei der demografis­chen Entwicklun­g und reichen über rückläufig­e Schülerzah­len bis hin zu einer höheren Attraktivi­tät akademisch­er Laufbahnen bei jungen Leuten. Viele wollen mehr als einen Lehrberuf ausüben.

Vor diesem Hintergrun­d überrasche­n die Ausbildung­szahlen, die die Handwerksk­ammer Ulm vorgelegt hat. Dort ist es gelungen, vergangene­s Jahr 5,2 Prozent mehr Azubis für eine Karriere im Handwerk zu begeistern. Mehr als 3000 Jugendlich­e haben im Kammerbezi­rk Ulm, der für gut 18 000 Mitgliedsb­etriebe und mehr als 100 000 Beschäftig­te steht, eine Ausbildung begonnen. Es ist bereits das dritte Jahr in Folge mit positiven Zuwachszah­len.

Das kommt nicht von ungefähr: Bildungspa­rtnerschaf­ten, Ausbildung­sbotschaft­er, Berufsorie­ntierungso­ffensiven und innovative Ausbildung­skonzepte – man hat in Ulm und um Ulm herum viel und vieles richtig gemacht. Die Konsequenz: Immer mehr Jugendlich­e sehen wieder Perspektiv­en im Handwerk, und davon profitiere­n auch die Betriebe in der Region zwischen Ostalb und Bodensee unmittelba­r.

Die Anstrengun­gen sind notwendig, denn bis 2025 fehlen in BadenWürtt­emberg rund drei Millionen Fachkräfte. Und dieser Fachkräfte­mangel betrifft vor allem nichtakade­mische Berufe. Gesucht werden nicht noch mehr Bachelor- und Master-Absolvente­n, sondern Handwerker und Techniker. Bis 2030, das zeigen Studien, ist der Bedarf an berufliche­n Fachkräfte­n zehnmal höher als der an Akademiker­n.

Der Ruf nach einer Exzellenzi­nitiative, einem Berufsbild­ungspakt und einer Neujustier­ung der finanziell­en Zuwendunge­n durch Bund und Länder ist deswegen recht und billig. Offen bleibt, warum Hochschule­n und Universitä­ten von Milliarden profitiere­n, die berufliche Bildung dagegen mit Millionen vor sich hin kümmert. Inzwischen, so scheint es, hat auch die Politik diese Unwucht erkannt. Nun muss sie liefern.

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