Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Kettenbrief belästigt Unternehmen
Krebskranken Jungen gibt es nicht – Brief geistert seit vielen Jahren durch Deutschland
Angeblicher Brief eines Krebskranken erreicht nun auch die Region.
- An sich eine anrührende Geschichte: Ein kleiner krebskranker Junge wünscht sich, mit dem längsten Kettenbrief der Welt ins Guinessbuch der Rekorde zu kommen. Allerdings hat die Geschichte gleich mehrere Haken. Zum einen geistert der Kettenbrief schon seit mehr als 15 Jahren durch die Lande, den Jungen hat es nie gegeben und das Landesklinikum Tulln in Österreich wird an Spitzentagen mit bis zu 100 Kettenbriefen belästigt. Am Donnerstag landete der Brief auf dem Schreibtisch von Margot Ziegler bei der Firma Böhmer in Langenenslingen. Nach kurzer Recherche stellte sie fest, dass es sich bei der Geschichte um eine Fälschung handelt.
Gäbe es den kleinen krebskranken Jungen mit dem Kettenbrief wirklich, wäre er mittlerweile über 20 Jahre alt. Denn seit mehr als 15 Jahren wird in verschiedenen deutschen Zeitungen immer wieder vor der Geschichte gewarnt. Nun ist der Brief in der Region Riedlingen angekommen. Darin steht, dass es der Wunsch des Jungen sei, „mit dem längsten Kettenbrief in das Guinness-Buch der Rekorde eingetragen zu werden“. Weiter wird in dem Schreiben darum gebeten, dass die beigefügten Unterlagen an zehn weitere Unternehmen verschickt werden sollen. Der Brief endet mit dem Wunsch: „Bitte teilen sie anschließend dem Landesklinikum Donauregion Tulln mit, an welche Unternehmen sie die Unterlagen versandt haben.“
Irgendwie kam Margot Ziegler von der Firma Böhmer die Geschichte spanisch vor. Als sie im Internet danach suchte, wurde sie sehr schnell fündig, dass das Ganze Unsinn ist. Sie hat es richtig gemacht, den Brief nicht einfach weiterzuschicken. Wolfgang Jürgens, Pressesprecher der Polizeidirektion in Ulm, empfiehlt: „Solche Dinge sollten nicht ungeprüft weitergeleitet werden.“Wem solch ein Brief auf den Tisch flattert, sollte überlegen, was er für einen Nutzen haben könnte. „Wenn die ganze Welt dem Jungen einen Brief schickt, wird er davon nicht wieder gesund“, so Jürgens.
Bereits 2015 gab es in Tuttlingen eine Mitteilung der Polizei, die über den Kettenbrief informierte. Dort hatten ebenfalls Unternehmen, Behörden, Schulen, Rechtsanwälte oder Pfarrämter den Brief erhalten, mit der Bitte, den Wunsch des Jungen zu erfüllen. Dies sei in der Vergangenheit auch schon in anderen Bundesländern der Fall gewesen.
Zusammenhang nicht bekannt
Im Internet ist auf der Seite des österreichischen Universitätsklinikums Tulln ist der eindringliche Hinweis zu finden, den Kettenbrief nicht zu beantworten oder weiterzuleiten, da es dieses Kind nicht gibt. Zu Spitzenzeiten bekommt die Uniklinik bis zu 100 Briefe am Tag. Die hinter diesem Kettenbrief stehende Motivation und der Zusammenhang mit dem Landesklinikum Tulln in Österreich seien nicht bekannt. Der Fall ist bereits bei den Spam- und Betrugsexperten der TU Berlin aktenkundig.
Wer Gutes tun will, kann sich bei der Stiftung „Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen“über Möglichkeiten informieren, empfiehlt Jürgens von der Polizei. Unter www.dzi.de gibt es eine Spenderberatung. Das Institut ist eine anerkannte Prüfinstanz, die unabhängig und kompetent das Geschäftsgebaren von Hilfsorganisationen bewertet.