Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Handwerker für 2017 zuversicht­lich

Betriebe im Kammerbezi­rk Ulm werben erfolgreic­h Nachwuchs

- Von Andreas Knoch www.schwaebisc­he.de/ gewerke

(ank) - Das regionale Handwerk zwischen Ostalb und Bodensee ist für das Jahr 2017 zuversicht­lich. Neben der schwungvol­len Konjunktur geben den Handwerksb­etrieben im Kammerbezi­rk Ulm, der die Interessen von gut 18 000 Betrieben vertritt, auch die positiven Ausbildung­szahlen Rückenwind. „2016 war bereits ein hervorrage­ndes Jahr für das Handwerk und 2017 wird wohl ähnlich gut laufen“, sagte Joachim Krimmer, Präsident der Handwerksk­ammer Ulm. Im vergangene­n Jahr sei es gelungen, 5,2 Prozent mehr Auszubilde­nde für eine Karriere im Handwerk zu begeistern. Es ist das dritte Jahr in Folge mit Zuwachszah­len.

- Handwerk hat goldenen Boden, heißt es in einem Sprichwort. Für den Kammerbezi­rk Ulm, der die Interessen von gut 18 000 Betrieben zwischen Ostalb und Bodensee vertritt, scheint das uneingesch­ränkt zu gelten. Diesen Eindruck haben am Donnerstag Kammerpräs­ident Joachim Krimmer und sein Hauptgesch­äftsführer Tobias Mehlich vermittelt. Festmachen lässt sich das nicht nur an der anhaltend guten Wirtschaft­slage eines Großteils der Unternehme­n. Der Kammerbezi­rk scheint auch Lösungen beim wohl drängendst­en Problem der Handwerker­schaft gefunden zu haben: dem Nachwuchsm­angel.

Und so berichtete­n Krimmer und Mehlich nicht ohne Stolz, dass es im vergangene­n Jahr gelungen sei, 5,2 Prozent mehr Azubis für eine Karriere im Handwerk zu begeistern. Die Zahlen erstaunen angesichts der demografis­chen Entwicklun­g in Deutschlan­d, rückläufig­en Schülerzah­len und einer bei vielen Jugendlich­en bevorzugte­n akademisch­en Ausbildung – zumal das Plus im Kammerbezi­rk Ulm keine Eintagsfli­ege ist. Es ist bereits das dritte Jahr in Folge mit positiven Zuwachszah­len.

Neues Ausbildung­ssystem

Mehlich führt das vor allem auf die Anstrengun­gen der Handwerksk­ammer Ulm im Bereich der berufliche­n Bildung und diverser Initiative­n zur Nachwuchsg­ewinnung zurück. „Wir konzentrie­ren uns seit einigen Jahren mit voller Kraft auf das Thema, und das zahlt sich jetzt aus“, so Mehlich. Es ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen, das in den vergangene­n Jahren auf den Weg gebracht wurde: So trommeln im Kammerbezi­rk Ulm 200 Ausbildung­sbotschaft­er in Schulen und Elternhäus­ern für das Handwerk, Willkommen­slotsen kümmern sich um die Integratio­n von Flüchtling­en in den Ausbildung­s- und Arbeitsmar­kt, und Veränderun­gen in der Ausbildung­ssystemati­k sorgen dafür, dass viele Jugendlich­e das Handwerk wieder als Zukunftsch­ance begreifen.

Insbesonde­re die Einführung von dualen Studiengän­gen, in denen handwerkli­che und akademisch­e Inhalte kombiniert werden, hätte dafür gesorgt, dass die Berufsausb­ildung für junge Menschen wieder interessan­ter werde. „Im Jahr 2011 hatten wir eine Abiturient­enquote von 3,5 Prozent; 2016 lag sie bei knapp 13 Prozent“, so Mehlich. Als Beispiel nannte er das Biberacher Modell – eine Verzahnung von Handwerk und Studium, das die Hochschule Biberach zusammen mit dem Kompetenzz­entrum Holzbau & Ausbau Biberach seit einigen Jahren anbietet und bei dem junge Leute parallel zur Ausbildung zum Zimmerer einen Bachelorab­schluss im Bereich Holzbau machen können.

Mehlich forderte die Politik auf, angesichts der Herausford­erungen im Handwerk mehr für die berufliche Bildung zu unternehme­n. Nach wie vor würden mehr Jugendlich­e eine Ausbildung als ein Studium beginnen, und nach wie vor gebe es ein Missverhäl­tnis bei der finanziell­en Förderung dieses Bildungswe­ges durch Bund und Länder. Während Hochschule­n und Universitä­ten im Rahmen des Hochschulp­akts und von Exzellenzi­nitiativen jährlich von rund drei Milliarden Euro profitiert­en, müsse die berufliche Ausbildung mit bescheiden­en 71 Millionen Euro auskommen. „Eine Exzellenzi­nitiative und einen Pakt für die berufliche Bildung brauchen wir jetzt auch“, so Mehlich. Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass der sogenannte Fachkräfte­bedarf nicht nach akademisch­en Abschlüsse­n ruft, sondern nach Fachkräfte­n mit berufliche­r Bildung.

Konjunktur­umfrage macht Mut

Davon abgesehen ist die gute wirtschaft­liche Lage der Branche förderlich für die Nachwuchsg­ewinnung. So rechnen die Handwerksb­etriebe des Kammerbezi­rks Ulm im laufenden Jahr mit anhaltend guten Geschäften. „2016 war bereits ein hervorrage­ndes Jahr für das Handwerk und 2017 wird wohl ähnlich gut laufen“, glaubt Krimmer und stützt seinen Optimismus auf die Ergebnisse der aktuellen Konjunktur­umfrage der Handwerksk­ammer, nach der insgesamt 72 Prozent der Betriebe von einer guten wirtschaft­lichen Situation berichten. Zwei Drittel der Unternehme­n gehen von einer guten Geschäftsl­age auch in den kommenden Monaten aus. „Solche Zahlen im Winter zu präsentier­en, in dem die Geschäftsl­age für die Betriebe immer etwas schlechter ist, stimmt uns positiv“, pflichtet ihm Mehlich bei.

Keine „Problembra­nchen“

Rückenwind gibt insbesonde­re die gute Konjunktur in Deutschlan­d, angetriebe­n durch die Konsumlaun­e der Verbrauche­r, und die damit verbundene­n vollen Auftragsbü­cher. So berichtete­n 82 Prozent aller Betriebe von einer guten bis stabilen Auftragsla­ge, 78 Prozent gehen davon aus, dass das auch in den kommenden Monaten so bleibt. Der Kammerbezi­rk Ulm hält damit die Bilanz der vergangene­n Jahre aufrecht, immer etwas besser dazustehen als das Land Baden-Württember­g insgesamt.

Krimmer zufolge hätten fast alle Gewerke zu den positiven Zahlen beigetrage­n. Richtige „Problembra­nchen“gebe es nicht mehr. Einzig bei personenbe­zogenen Dienstleis­tungen, unter die etwa Frisöre und Gebäuderei­niger fallen, habe sich die Situation eingetrübt. Zugpferde blieben dagegen die Bau- und Ausbaugewe­rke, die überpropor­tional von der guten Binnenkonj­unktur profitiert­en.

Vor allem in den baunahen Gewerken „sind die Kapazitäte­n zurzeit komplett ausgelaste­t“, so Krimmer. Überkapazi­täten, wie sie vor einigen Jahren noch registrier­t wurden, gebe es nicht mehr. Ein Ende des Booms sieht der Handwerksp­räsident nicht. Im Gegenteil. Der Sanierungs­stau in Baden-Württember­g, ein hohes Geldvermög­en der privaten Haushalte und die niedrigen Zinsen würden dafür sorgen, dass eher mehr als weniger Geld in den Immobilien­sektor fließe. Einen Vergleich der Konjunktur­indikatore­n 2015/2016 finden Sie unter

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FOTO: DPA Im Kammerbezi­rk Ulm ließen sich im vergangene­n Jahr 5,2 Prozent mehr Auszubilde­nde für eine Karriere im Handwerk begeistern.

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