Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Luxus-Krise

Schweizer Uhrenexpor­te brechen um fast zehn Prozent ein – Strategiew­echsel soll helfen

- Von Jürgen Dunsch und unseren Agenturen

Die Schweizer Uhrenindus­trie setzt auf billigere Modelle

- Die Schweizer Uhrenexpor­te sind eingebroch­en. Grund sind nach Angaben des Uhrenverba­ndes die chinesisch­en Maßnahmen zur Korruption­sbekämpfun­g wie die Einführung einer Luxussteue­r, der flaue Tourismus in Europa und der starke Schweizer Franken. 2016 exportiert­e die Branche Uhren im Wert von 18,3 Milliarden Franken (17 Milliarden Euro), wie der Verband der Schweizeri­schen Uhrenindus­trie (FH) mitteilte. Das seien 9,8 Prozent weniger als 2015. Zum Vergleich: Die gesamten Exporte der Schweiz legten im abgelaufen­en Jahr um 3,8 Prozent zu.

Insgesamt 25,4 Millionen Uhren gingen im vergangene­n Jahr ins Ausland, so wenig wie seit 2009 nicht mehr. Vor allem Luxusuhren seien weniger gefragt gewesen. „Aber die Talsohle dürfte überwunden sein“, schrieb der Verband. Er geht davon aus, dass sich die Lage 2017 stabilisie­rt. Die Schweizer Uhrenindus­trie muss aber kräftig umsteuern.

Auf Messen neigen Aussteller gerne zur Schönfärbe­rei. Aber wer sich genauer umhört, bekommt ein ganz gutes Gefühl für die Lage der Industrie. Auf dem Uhrensalon in Genf, dem ersten großen Stelldiche­in der Branche im Jahr, hieß es, das Schlimmste sei vorbei. Das Schlimmste, das sind zwei schlechte Jahre für die erfolgsver­wöhnten Uhrenherst­eller in der Schweiz, die Matadore auf den Weltmärkte­n.

Gehäuse aus Stahl statt Gold

Cyrille Vigneron, der Chef der zum Richemont-Konzern gehörenden Marke Cartier, sieht „ein Ende der Kontraktio­n“. Zuvor hatte Richemont einen überrasche­nd guten Zwischenbe­richt vorgelegt. Nach den Worten von Haig Simonian, einem intimen Kenner der Uhrenbranc­he und ehemaligem Korrespond­enten der „Financial Times“in der Schweiz, erwarten die Aussteller, die in Genf vertreten waren, allgemein ein ordentlich­es erstes Quartal. Zumindest eine Stabilisie­rung konstatier­t der Uhrenverba­nd.

Eine schwache Konjunktur in vielen Ländern, ein von der Terrorangs­t gedrückter Tourismus in Europa und die Anti-Korruption­s-Kampagne der chinesisch­en Regierung auf dem überragend­en Markt China/Hongkong hatten unter den Uhrenherst­ellern ihren Tribut gefordert. Zur aktuellen Lage hat sich Weltmarktf­ührer Swatch bisher nicht geäußert, aber auch für Branchendo­yen Jean-Claude Biver vom Konkurrent­en LVMH mit Marken wie TAG Heuer und Zenith ist die Talsohle durchschri­tten.

Also Rückkehr zum business as usual? Davon kann nicht die Rede sein. Mit der Abzockerei bei vielen Uhrenmodel­len während der vorangegan­genen Hochkonjun­ktur ist es vorbei. Die Preise, so die Erkenntnis, müssen runter, egal wie stark der Franken ist und wie hoch die Löhne in der Schweiz sind. In Genf hat Simonian eine neu entdeckte Vorliebe für preiswerte­re Uhren beobachtet, mit weniger komplizier­tem Innenleben und mit Gehäusen aus Stahl statt Gold. Und Schnicksch­nack ist out. Zudem müssen die Schweizer Anbieter mit neuen Ideen und der stärkeren Berücksich­tigung von Trends konjunktur­resistente­r werden.

Das gilt zum Beispiel für das Design, wo der deutsche Konkurrent Nomos Glashütte, der ausgesproc­hen puristisch­e Zifferblät­ter anbietet, der Branchenba­isse trotzt. Manche Hersteller setzen vermehrt auf Damenuhren, auf die schätzungs­weise 60 Prozent des Weltmarkte­s entfallen. Smartwatch­es werden ebenfalls ein Thema. Für Biver von LVMH befinden sie sich technisch zwar noch auf Steinzeit-Niveau, aber er forciert sie bei TAG Heuer.

Swatch-Chef Nick Hayek hält dagegen nicht viel von den Multi-Helfern am Handgelenk, bei denen die Zeit- und Datumsanga­be nur eine von vielen Funktionen ist. Die Zeichen der Zeit zu erkennen und entspreche­nd zu handeln: Das wird die Hersteller in der Schweiz noch vor manche Herausford­erung stellen.

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FOTO: DPA Negativtre­nd bei den Schweizer Uhrenexpor­ten: Grund sind nach Angaben des Uhrenverba­ndes die chinesisch­en Maßnahmen zur Korruption­sbekämpfun­g wie die Einführung einer Luxussteue­r.

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