Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Städte fordern Geld von Lkw-Firmen

Preisabspr­achen betreffen zahlreiche Kommunen und Speditione­n in der Region

- Von Christin Hartard

- 14 Jahre lang haben die Lastwagenb­auer Daimler, MAN, Iveco, DAF und Volvo unerlaubte Absprachen getroffen – und ihre Kunden so mit überhöhten Preisen über den Tisch gezogen. Aalen, Tuttlingen, Biberach, Ellwangen, Ravensburg: Die Liste der betroffene­n Städte ist lang. Auch Hunderte Speditione­n haben in Baden-Württember­g Lkw zu überteuert­en Preisen gekauft, wie der Speditions­verband mitteilt. Vor dem Landgerich­t Stuttgart sind bislang 23 Schadeners­atzklagen eingegange­n. Viele geprellte Kommunen hoffen allerdings noch auf eine außergeric­htliche Einigung mit den Firmen.

„Ich bin stinksauer. Was da passiert ist, ist ein Unding“, sagt Aalens Oberbügerm­eister Thilo Rentschler. Acht Fahrzeuge für den Bauhof habe die Stadt bei Daimler und MAN zwischen 1997 und 2011 gekauft. In besagtem Zeitraum sprachen die LkwHerstel­ler mit Iveco, DAF und Volvo ihre Preise ab, anstatt miteinande­r zu konkurrier­en und profitiert­en dadurch.

Nun will die Stadt Aalen Geld von den Lkw-Firmen sehen. 83 000 Euro von MAN und 70 000 Euro von Daimler – 15 Prozent vom jeweiligen Kaufpreis. Die Stadt habe noch vor Weihnachte­n alle Firmen angeschrie­ben, bisher aber noch keine Antwort erhalten, sagt Rentschler. Er hofft trotzdem auf eine schnelle, unkomplizi­erte Einigung: „Sollte das nicht klappen, schrecken wir aber auch vor einer Gerichtskl­age nicht zurück.“

Schaden noch nicht absehbar

Auch die Städte Ravensburg, Tuttlingen, Biberach, Ellwangen, Lindau und die Landkreise Ravensburg und Biberach gehen davon aus, von den Preisabspr­achen des Lkw-Kartells betroffen zu sein, wie sie auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mitteilen. Bei den Städten geht es vor allem um Laster für Betriebshö­fe, die beispielsw­eise zur Kanal- oder Straßenrei­nigung eingesetzt werden, aber auch um Feuerwehrf­ahrzeuge.

Den entstanden­en Schaden können die meisten Kommunen noch nicht genau beziffern. „Der Verband kommunaler Unternehme­n hat in Absprache mit den kommunalen Spitzenver­bänden ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Schadenshö­he zu ermitteln“, so Andrea Appel, Sprecherin der Stadt Biberach. Das Ergebnis werde Mitte des Jahres erwartet. Erst danach wolle man entscheide­n, ob gegen die Hersteller Klage eingereich­t werde.

Die Stadt Tübingen, die 24 Fahrzeuge gekauft hat, ist den Schritt vor das Stuttgarte­r Landgerich­t bereits gegangen. Mitte Januar reichte sie Klage ein. Auch die Universitä­tsstadt wollte sich außergeric­htlich mit MAN, Daimler und Iveco einigen. Doch auf Vergleichs­gespräche wartete man in Tübingen vergebens, wie Pressespre­cherin Sabine Schmincke sagt. Stattdesse­n teilte die Firma MAN mit, sie sehe sich nicht in der Pflicht, zu zahlen. Der Grund: Während Daimler, Iveco, DAF und Volvo von der EU-Kommission zu einem Rekordbußg­eld von rund 2,9 Milliarden verurteilt wurden, entfiel die Strafe für MAN, da der Münchner Lkw-Bauer an der Aufklärung des Kartells beteiligt war. Aus Sicht der Stadtverwa­ltung Tübingen erlischt damit aber nicht ihr Recht auf Schadeners­atz.

Ähnlich wie bei den Kommunen sieht es bei den Speditions­unternehme­n im Land aus. Der Geschäftsf­ührer des baden-württember­gischen Speditions­verbands, Andrea Marongiu, schätzt, dass rund 300 der 450 Mitgliedsb­etriebe überteuert­e Lkw gekauft haben – einige davon sogar über 700 Fahrzeuge. Der Speditions­verband erstellt derzeit ebenfalls ein Gutachten, um so außergeric­htliche Verhandlun­gen mit den Hersteller­n vorzuberei­ten. Sollten diese scheitern, will man auch hier den Rechtsweg einschlage­n. Über mögliche Verjährung­sfristen für die Klagen herrscht indes Uneinigkei­t. Der Speditions­verband geht aber davon aus, dass die Frist erst zum Jahresende ausläuft.

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FOTO: DPA Auch der Lkw-Hersteller Iveco war am Kartell beteiligt und muss knapp eine halbe Milliarde Euro Bußgeld zahlen.

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