Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Städte fordern Geld von Lkw-Firmen
Preisabsprachen betreffen zahlreiche Kommunen und Speditionen in der Region
- 14 Jahre lang haben die Lastwagenbauer Daimler, MAN, Iveco, DAF und Volvo unerlaubte Absprachen getroffen – und ihre Kunden so mit überhöhten Preisen über den Tisch gezogen. Aalen, Tuttlingen, Biberach, Ellwangen, Ravensburg: Die Liste der betroffenen Städte ist lang. Auch Hunderte Speditionen haben in Baden-Württemberg Lkw zu überteuerten Preisen gekauft, wie der Speditionsverband mitteilt. Vor dem Landgericht Stuttgart sind bislang 23 Schadenersatzklagen eingegangen. Viele geprellte Kommunen hoffen allerdings noch auf eine außergerichtliche Einigung mit den Firmen.
„Ich bin stinksauer. Was da passiert ist, ist ein Unding“, sagt Aalens Oberbügermeister Thilo Rentschler. Acht Fahrzeuge für den Bauhof habe die Stadt bei Daimler und MAN zwischen 1997 und 2011 gekauft. In besagtem Zeitraum sprachen die LkwHersteller mit Iveco, DAF und Volvo ihre Preise ab, anstatt miteinander zu konkurrieren und profitierten dadurch.
Nun will die Stadt Aalen Geld von den Lkw-Firmen sehen. 83 000 Euro von MAN und 70 000 Euro von Daimler – 15 Prozent vom jeweiligen Kaufpreis. Die Stadt habe noch vor Weihnachten alle Firmen angeschrieben, bisher aber noch keine Antwort erhalten, sagt Rentschler. Er hofft trotzdem auf eine schnelle, unkomplizierte Einigung: „Sollte das nicht klappen, schrecken wir aber auch vor einer Gerichtsklage nicht zurück.“
Schaden noch nicht absehbar
Auch die Städte Ravensburg, Tuttlingen, Biberach, Ellwangen, Lindau und die Landkreise Ravensburg und Biberach gehen davon aus, von den Preisabsprachen des Lkw-Kartells betroffen zu sein, wie sie auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mitteilen. Bei den Städten geht es vor allem um Laster für Betriebshöfe, die beispielsweise zur Kanal- oder Straßenreinigung eingesetzt werden, aber auch um Feuerwehrfahrzeuge.
Den entstandenen Schaden können die meisten Kommunen noch nicht genau beziffern. „Der Verband kommunaler Unternehmen hat in Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Schadenshöhe zu ermitteln“, so Andrea Appel, Sprecherin der Stadt Biberach. Das Ergebnis werde Mitte des Jahres erwartet. Erst danach wolle man entscheiden, ob gegen die Hersteller Klage eingereicht werde.
Die Stadt Tübingen, die 24 Fahrzeuge gekauft hat, ist den Schritt vor das Stuttgarter Landgericht bereits gegangen. Mitte Januar reichte sie Klage ein. Auch die Universitätsstadt wollte sich außergerichtlich mit MAN, Daimler und Iveco einigen. Doch auf Vergleichsgespräche wartete man in Tübingen vergebens, wie Pressesprecherin Sabine Schmincke sagt. Stattdessen teilte die Firma MAN mit, sie sehe sich nicht in der Pflicht, zu zahlen. Der Grund: Während Daimler, Iveco, DAF und Volvo von der EU-Kommission zu einem Rekordbußgeld von rund 2,9 Milliarden verurteilt wurden, entfiel die Strafe für MAN, da der Münchner Lkw-Bauer an der Aufklärung des Kartells beteiligt war. Aus Sicht der Stadtverwaltung Tübingen erlischt damit aber nicht ihr Recht auf Schadenersatz.
Ähnlich wie bei den Kommunen sieht es bei den Speditionsunternehmen im Land aus. Der Geschäftsführer des baden-württembergischen Speditionsverbands, Andrea Marongiu, schätzt, dass rund 300 der 450 Mitgliedsbetriebe überteuerte Lkw gekauft haben – einige davon sogar über 700 Fahrzeuge. Der Speditionsverband erstellt derzeit ebenfalls ein Gutachten, um so außergerichtliche Verhandlungen mit den Herstellern vorzubereiten. Sollten diese scheitern, will man auch hier den Rechtsweg einschlagen. Über mögliche Verjährungsfristen für die Klagen herrscht indes Uneinigkeit. Der Speditionsverband geht aber davon aus, dass die Frist erst zum Jahresende ausläuft.