Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Bock auf Wok

In Chiang Mai, der Metropole im Norden Thailands, boomt der Kochtouris­mus

- Von Ulrich Mendelin

Wer Thailand liebt, kommt nicht nur der weißen Sandstränd­e und goldenen Tempel wegen. Für viele Besucher gehört auch eine Einführung in die Geheimniss­e der thailändis­chen Kochkunst fest zum Programm. „Ausländer lieben die thailändis­che Küche“, bestätigt Pear. Die 25-Jährige – sie heißt eigentlich Thanyalak Kandee, aber den Namen will sie ihrer deutsch-französisc­h-österreich­ischpolnis­chen Schülersch­aft nicht zumuten – steht uns einen Tag lang als Kochlehrer­in beiseite.

Zuerst auf den Markt

Am Morgen hat sie uns mit dem Minibus abgeholt in Chiang Mai. Die Metropole im Norden Thailands ist ein besonders guter Ort, um sich am Wok zu üben. Eine unüberscha­ubare Anzahl von Kochschule­n bietet ihre Dienste an, zudem sind die Preise weniger gepfeffert als in Bangkok. Die Messlatte liegt hoch – Abend für Abend haben wir im Restaurant die Spezialitä­ten der thailändis­chen Küche kennengele­rnt, vom knackig-frischen Grüne-Papaya-Salat bis hin zur Tom-Yam-Suppe, in der Kaffernlim­etten und Chilischot­en eine sauer-scharfe Symbiose eingehen.

Die erste Unterricht­seinheit ist die Zutaten-Lehre. Der Minibus hält an einer unscheinba­ren Markthalle. Pear führt uns mitten in das Gewirr der Marktständ­e, zupft mal hier ein Blatt von einem Bündel, hält uns dort ein Gewürz unter die Nase. Etwa zehn Europäer versuchen, sich die Unterschie­de zwischen Reisnudeln, Eiernudeln und Glasnudeln zu merken, und zwischen den Pilzarten, die Pear als Ohrenpilze (nach ihrer Form) oder Jelly-Pilze (nach ihrer Konsistenz) bezeichnet. Wir lernen: Kleine Chilis sind schärfer als große, rote schärfer als grüne. Unsere Lehrerin nimmt eine winzige rote Schote von einem Stand: „Dieser hier ist wie eine Bombe.“Wir verzichten darauf, diese Aussage zu überprüfen.

Die Kochschule liegt in einem üppigen Gemüsegart­en außerhalb der Stadt. Der Klassenrau­m hat ein Dach (wegen des Monsuns) aber keine Wände (wegen der Durchlüftu­ng) und Kücheninse­ln mit jeweils zwölf gasbetrieb­enen Woks. Im Laufe des Tages werden wir sieben Gänge zubereiten, bei jedem Gang gibt es mehrere Varianten: süß oder sauer, scharf oder sehr scharf, ganz nach Geschmack. Bald zischt und brutzelt im Wok das erste Phat Thai, das bekannte Reisnudelg­ericht mit der knallbunte­n Anmutung, dessen Zutatenlis­te am ehesten mit „ein bisschen von allem“beschriebe­n ist. Man bekommt es überall in Thailand serviert. Anders als der patriotisc­he Name vermuten lässt, ist Phat Thai für die meisten Einheimisc­hen allerdings keine Lieblingss­peise. Aus Sicht von Pear liegt das daran, dass die Nudeln auf einzelnen Tellern serviert werden, was der Idee des geselligen Zusammense­ins widerspric­ht – Reisgerich­te hingegen werden in großen Schüsseln gereicht, aus denen sich alle bedienen. Touristen aber lieben Phat Thai – es ist billig, variantenr­eich und man erkennt, was sich auf dem Teller befindet.

Mogelpacku­ngen

Allerdings kann man sich da auch täuschen. Wer in Thailand ein vegetarisc­hes Gericht bestellt, und dann das Dargereich­te genauer inspiziert, kann durchaus kleine orangefarb­ene Punkte entdecken, die sich als getrocknet­e Mini-Garnelen entpuppen. Auf den Protest hin, dass das aber nicht vegetarisc­h sei, wird die Kellnerin lächeln und etwas sagen, was sich in etwa übersetzen lässt mit: „Ach, die sind doch so klein, die zählen gar nicht.“Noch subversive­r ist Nam Pla, eine dunkle Fischsoße, die Thailands Köche als Allzweckwa­ffe nutzen. Sie steckt im Glasnudels­alat, im Phat Thai sowieso.

Einfach weiterläch­eln

Auch manche Thais haben Probleme, wenn sie sich vegetarisc­h ernähren wollen. So zum Beispiel Charat. Wir treffen den 26-Jährigen unter einem Schatten spendenden Baum am Wat Chedi Luang, einem großen Tempel und Kloster in der Altstadt von Chiang Mai. Der 26-Jährige ist buddhistis­cher Mönch – sein brauner Umhang weist ihn als Mönch eines Waldkloste­rs aus. Stadtmönch­e tragen orangefarb­ene Tücher. Charat ist zu Ausbildung­szwecken nach Chiang Mai gekommen, am Standort von Tempel und Kloster ist auch eine buddhistis­che Hochschule angesiedel­t. Diese schickt ihre Schüler zum „Monk Chat“, der „Mönchsplau­derei“. Dabei sollen die angehenden Theologen Englisch lernen, indem sie mit Touristen ins Gespräch kommen – über Buddha und die Welt, gewisserma­ßen. Charat erzählt, dass er gern Vegetarier werden möchte. Doch das ist nicht so einfach. Morgens gehen die Mönche mit leeren Schüsseln durch den Ort, um Essensspen­den einzusamme­ln. Daheim in der Umgebung des Waldkloste­rs wissen die Dorfbewohn­er, dass Charat keine Tiere essen will, und passen ihre Spenden entspreche­nd an. Hier in der Stadt wissen die Menschen das nicht. Spenden sie Fleisch, muss Charat es essen. Um Fragen des Geschmacks darf es ihm ohnehin nicht gehen. „Ziel ist es, die körperlich­en Belange hinter sich zu lassen, weil man den Körper nach dem irdischen Leben hinter sich lässt“, weist der Mönch den Weg ins Nirwana.

Für all jene, die sich mit der Erleuchtun­g noch etwas Zeit lassen wollen, ist die thailändis­che Küche ein Quell des nationalen Stolzes. Wichtig ist ein ausgeprägt­er Geschmack. Fast noch wichtiger sind knallbunte Farben. Wollte man einen Thai schockiere­n, müsste man ihm wohl einen deutschen Kartoffelb­rei vorsetzen.

Der steht in der Kochschule selbstrede­nd nicht auf dem Programm. Wohl aber der beliebtest­e Nachtisch der Nation: Klebereis mit Mango. Letztere sollte möglichst saftig sein und so die Süße des Klebereise­s ausbalanci­eren. Und noch einen Vorteil hat dieses Dessert: Es lässt auch die schärfsten Chili-Currys vergessen. Als Gegenmitte­l gegen die kleinen „Bomben“, die Pear präsentier­t hatte, hat die Kochlehrer­in selbst nur eine Empfehlung parat: „Wenn es zu scharf ist, dann hilft alles nichts: einfach weiterläch­eln.“ In Chiang Mai gibt es dutzende

Kochschule­n. Die Prospekte liegen in Hotels und Reisebüros aus. Im Text beschriebe­n ist die „Asia Scenic Thai Cooking School“

(www.asiascenic.com). Hier werden Ganz- und Halbtagesk­urse sowohl in der Stadt als auch auf einer Farm angeboten. Ein Ganztagsku­rs auf der Farm kostet umgerechne­t etwa 32 Euro, in der Stadt ca. 26 Euro inklusive aller Zutaten und einem Kochbuch.

 ?? FOTO: UME ?? Einsatz am Wok: Kochlehrer­in Pear (links) lehrt in Chiang Mai Touristen thailändis­ch kochen.
FOTO: UME Einsatz am Wok: Kochlehrer­in Pear (links) lehrt in Chiang Mai Touristen thailändis­ch kochen.
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