Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
SPD-Basis begrüßt Kandidatur von Schulz
Die meisten Sozialdemokraten sind überrascht von der Entscheidung – „Angela Merkel und die CDU müssen sich warm anziehen“
BIBERACH/RIEDLINGEN (häf/gw/ uno) - Martin Schulz führt die Sozialdemokraten in den Bundestagswahlkampf. Bei einigen SPD-Mitgliedern im Landkreis Biberach ist die Überraschung groß, dass Sigmar Gabriel auf die Kanzlerkandidatur verzichtet hat. Die Schwäbische Zeitung hat sich unter hiesigen Genossen umgehört.
Die Riedlinger SPD-Ortsvereinsvorsitzende Elke
Märkle zeigt sich im Nachklapp zum Coup von Sigmar Gabriel, auf SPDVorsitz und Kanzlerkandidatur zu verzichten, überrascht – und erfreut. „Ich zolle Herrn Gabriel meinen vollen Respekt, dass er auf die Kanzlerkandidatur verzichtet und als Parteivorsitzender nicht mehr antritt“, so Märkle. Doch sie sieht in der Weichenstellung für Schulz eine große Chance für die SPD. „Herr Gabriel war in seinen Entscheidungen nicht unumstritten“, sagt sie und verweist etwa auf die Freihhandelsabkommen Ceta und TTIP. Da vertritt Gabriel Haltungen, die die Basis nicht mittragen konnte. Und mit Martin Schulz komme ein anerkannter Politiker der EU ans Ruder. Natürlich könne man noch nicht ganz genau abschätzen, für was er steht und welche Inhalte er forciert. Aber, dass er bislang in der Bundespolitik kaum eine Rolle spielte und nicht so bekannt ist, findet sie kein großes Manko: „Er war auf EUEbene sehr präsent, man kennt sein Gesicht.“
Der Biberacher Bundestagsabgeordnete ● Martin Gerster hat in seiner Partei eine Aufbruchstimmung ausgemacht. Schulz sei am Mittwoch bei der Sondersitzung der Bundestagsfraktion mit minutenlangem Applaus begrüßt worden. „Schon am Dienstag haben mich Nachrichten von Mitgliedern und Freunden erreicht, die es stark von Sigmar Gabriel fanden, loszulassen und Martin Schulz den Vortritt zu lassen.“Niemand habe mit Gabriels Entscheidung gerechnet, versichert Gerster. An Schulz schätzt er dessen Begeisterungsfähigkeit. „Er hat eine Sprache, die die Menschen überzeugt.“Zudem sei er mit seiner emotionalen Art ein Gegenentwurf zu Bundeskanzlerin Angela Merkel. Stefan Gretzinger, Kreisvorsitzender ● der Jusos, hatte fest mit Gabriel gerechnet: „Er ist eben doch immer für eine Überraschung gut.“Ein Wermutstropfen sei, dass die SPD die Chance nicht genutzt habe, die Menschen in offenen Vorwahlen über den Kanzlerkandidaten abstimmen zu lassen. Schulz sei geeignet, weil er für Europa brenne und sich entschieden gegen Rechtspopulismus einsetze.
● Für Franz Lemli, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, ist Schulz der richtige Kandidat, gerade auch, weil er Erfahrung in der Europapolitik mitbringt. „Er denkt über Grenzen hinweg.“In einer Zeit mit vielen Europa-Skeptikern sei es wichtig, einen Gegenpol zu setzen.●
● Simon Özkeles, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Biberach, hat am Dienstagnachmittag auf dem Heimweg vom politischen Paukenschlag erfahren. Er hält Martin Schulz für einen kompetenten Kandidaten: „Angela Merkel und ihre CDU-Kollegen müssen sich warm anziehen.“Es sei jetzt wichtig, sich inhaltlich ein genaues Profil zu geben. Den Wählern müsste deutlich vermittelt werden, wie die SPD im Land für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen möchte, so Özkeles. Martin Schulz traut er das zu: „Er ist ein ausgezeichneter Redner.“