Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Binger Zahnarzt ist plötzlich weg
Aushang an der Praxis informiert über Auswanderung – Patienten tappen im Dunkeln
- Der Binger Zahnarzt Pontus Smith hat zum Jahreswechsel seine Praxis geschlossen. Offenbar ohne seine Patienten vorab zu informieren, ist der gebürtige Schwede ausgewandert. Während es auf der Internetseite der Praxis noch überhaupt keinen Hinweis auf eine Veränderung gibt, hängt an der Haustür des Gebäudes ein Zettel: „Wir schließen die Praxis wegen Auswanderung ab 1. Januar 2017.“Viele Patienten hat diese Nachricht kalt erwischt. „Einige haben bei uns im Rathaus nachgefragt, ob wir etwas wissen“, berichtet Bürgermeister Jochen Fetzer. „Manche hatten sogar noch Termine, die anscheinend einfach nicht abgesagt wurden.“Er bezeichnet den Informationsfluss als „ein bisschen dürftig. Man hätte den Patienten Bescheid sagen und zumindest die Homepage entsprechend aktualisieren müssen“. Den Aushang an der Praxistür findet er regelrecht zynisch: Dort wird den zurückgelassenen Patienten zu fleißigem Zähneputzen und zur Nutzung von Zahnseide geraten.
Die Bezirkszahnärztekammer (BZK) in Tübingen weiß von der Praxisschließung, kennt aber die Gründe nicht. „Der Zahnarzt hat uns letzte Woche informiert“, sagt Geschäftsführerin Katrin Sump. Es bestehe Kontakt zwischen Smith und der Kammer, es seien noch einige Fragen offen. So hätten die Patienten natürlich ein Recht darauf, dass ihre Akten zu ihrem neuen Arzt gelangen. „Was das betrifft, suchen wir jetzt nach einer Lösung.“Konkret heißt das, dass die BZK die Patientenkartei von Pontus Smith im Zweifelsfall übernimmt und verwaltet. „Wir drängen auch darauf, dass der Briefkasten weiterhin geleert wird“, sagt Sump.
Ungewöhnlicher Fall
Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KZV) weiß genausowenig wie Gemeinde und Kammer, warum Smith die Praxis so sang- und klanglos geschlossen hat. „So etwas passiert total selten und macht den Fall noch ungewöhnlicher als er sowieso schon ist“, sagt Sprecher Guido Reiter. „Wir haben es letzte Woche erfahren und erfolglos versucht, telefonisch Kontakt zu ihm aufzunehmen.“Wenn er wirklich endgültig weg sei, biete die KZV der Gemeinde eine Beratung an. „Es ist immer unser Bestreben, auch in kleinen Orten Plätze nachzubesetzen“, sagt Reiter. „Wir würden daher mithelfen, dass wieder ein Zahnarzt nach Bingen kommt.“
Was das betrifft, wirft ein Facebook-Eintrag von Smith Fragen auf. Am 12. Januar schrieb er dort: „Liebe Patienten, es gibt Hoffnung! Wir sind in Verhandlung mit einem Nachfolger für unsere Praxis.“Außerdem bittet er seine Patienten dort um „Verständnis für die schwierigen Umstände“. Wer dieser potenzielle Nachfolger ist und wann er die Praxis übernehmen könnte, bleibt offen. Pontus Smith war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Der Gemeinde ist von derartigen Plänen nichts bekannt. „Ich weiß nicht, ob jemand an der Praxis Interesse hat, zumal sie nicht barrierefrei ist“, sagt Jochen Fetzer. Aus seiner Sicht ist naturgemäß „jeder Baustein, der in der Infrastruktur wegfällt, ein Minus für Bingen“. Und auch wenn es für eine Gemeinde dieser Größenordnung ohnehin nicht gewöhnlich sei, eine Zahnarztpraxis zu haben: „Ich hoffe natürlich, dass wir wieder eine bekommen.“Tatsächlich sei es der Gemeinde sogar möglich, beim „Schneidern“entsprechender Lösungen zu helfen. So sei etwa der Investor aus Spanien bereits darüber informiert, dass nun ein Zahnarzt fehlt. Er hat das Grundstück neben der Volksbank gekauft und „überlegt nun, was er dort macht“, sagt Fetzer. Auch beim Lamm-Areal, wo kombinierte Wohn- und Geschäftshäuser angedacht sind, „könnten wir bei Interesse von vornherein in diese Richtung denken“. Problematisch sei dabei aber der Faktor Zeit: „Wenn sich die Patienten jetzt umorientieren, kommen sie vielleicht nicht wieder zurück“, sagt Fetzer.