Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Pilgerreis­en: Sinn statt Sonne

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Von Jahr zu Jahr zieht es mehr Menschen auf Pilgerpfad­e wie den Jakobsweg. Im Jahr 2005 meldeten sich noch 93 924 Menschen im Pilgerbüro von Santiago de Compostela und wiesen mit abgestempe­lten Pilgerpäss­en nach, dass sie mindestens die letzten 100 Kilometer zu Fuß zurückgele­gt hatten – 2016 waren es rund 280 000, erneut ein Rekord. Susanne Leder, Professori­n für Tourismusm­anagement an der Fachhochsc­hule Südwestfal­en, ist sicher: „Pilgern ist definitiv ein langfristi­ger Trend, keine Modeersche­inung.“Pilger gehörten den unterschie­dlichsten Berufsgrup­pen an, es sind inzwischen fast genauso viele Frauen wie Männer unterwegs. Und sie werden immer jünger: Oft sind es Menschen in den Dreißigern und Vierzigern, die sich auf den Weg machen. „Viele wünschen sich einen Ausstieg auf Zeit, Distanz zum Alltag, Ursprüngli­chkeit, Körperlich­keit und Askese – unabhängig von Religiosit­ät“, sagt Leder. Wolfgang Zettler ist Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Pilgerbüro­s, dem ältesten Anbieter für Pilgerreis­en in Deutschlan­d. Er ist überzeugt: „Sinn löst mittelfris­tig Sonne ab. Die Menschen wollen immer weniger austauschb­are Badeziele, sondern spirituell­e Auszeiten.“Die Nachfrage nach Reisen in die klassische­n Wallfahrts­orte sei dramatisch eingebroch­en, sagt Zettler. Dafür würden die Pilgerwege immer beliebter, nicht nur der berühmte Jakobsweg, sondern auch weniger bekannte wie der norwegisch­e Olavsweg, der Franziskus­weg in Italien oder die nach Rom führende Via Francigena.

Gute Vorbereitu­ng: „Holen Sie sich Impulse durch Reiseführe­r, erkundigen Sie sich über die verschiede­nen Routen und deren Herausford­erungen“, sagt Reiseveran­stalter Wolfgang Zettler. Bernd Lohse, Pilgerpast­or aus Hamburg, rät: „Übernehmen Sie sich nicht! Laufen Sie nicht gleich sechs Wochen nach Santiago. Finden Sie erst einmal heraus, wie es sich mit Rucksack und Stiefeln bei jedem Wetter draußen anfühlt.“Allein oder in der Gruppe: „Manchmal ist es gut, allein zu sein, gerade Menschen in kommunikat­iven Berufen genießen das sehr“, sagt Pastor Lohse. Gruppen hingegen könnten entlasten, man finde immer jemanden zum Reden.

Der richtige Veranstalt­er: Einige Reiseanbie­ter sind eher religiös, andere kulturell orientiert. Wer organisier­t verreisen möchte, sollte sich überlegen, was besser zu ihm passt (dpa)

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FOTO: JENS RESSING Pastor Bernd Lohse aus Hamburg berät und betreut Pilger vor und nach ihren Reisen.

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