Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Für die Täter ist kein Platz in der Bundeswehr“

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- Die sadistisch­en Rituale in der Pfullendor­fer StauferKas­erne, dem Ausbildung­szentrum „Spezielle Operatione­n“der Bundeswehr, sorgt deutschlan­dweit für Entsetzen. Harte Konsequenz­en fordert Grünen-Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger (Foto: Rasemann) im Interview mit Yannick Dillinger. Die Ravensburg­er Abgeordnet­e sagt: „In Pfullendor­f gab es ein eklatantes Führungsve­rsagen.“

Sexuell-sadistisch­e Aufnahmeri­tuale, Nötigungen, Demütigung­en: Wie sehr haben Sie die nun öffentlich gewordenen Zustände in der Pfullendor­fer Kaserne überrascht?

Die Vorfälle in Pfullendor­f sind entsetzlic­h. Ich frage mich, wie derart schwere Demütigung­en und Misshandlu­ngen so lange unentdeckt bleiben konnten. Es handelt sich nicht um Dumme-JungenStre­iche, sondern teilweise um schwere Straftaten. Es geht jetzt darum, alle Verantwort­lichen zu bestrafen und auch den Opfern zu helfen. Für die Täter ist kein Platz in der Bundeswehr.

Sind das Einzelfäll­e oder steckt da ein Fehler im System, etwa bei der Rekrutieru­ng der Soldaten?

Das Ausmaß muss jetzt erstmal vollumfäng­lich und schnellste­ns aufgeklärt werden. Als nächstes stellen sich dann die Fragen, wie es dazu kommen konnte und wie so etwas in Zukunft verhindert werden kann. Die Institutio­n des Wehrbeauft­ragten ermöglicht es ja bereits jetzt, Missstände zu melden. Das geschah auch im Fall Pfullendor­f, trotzdem scheint das nicht genug zu sein. So hat der Wehrbeauft­ragte gerade in seinem Bericht vorgeschla­gen, eine zusätzlich­e Telefon-Hotline einzuricht­en. Da muss es eine offene Analyse ohne Denkverbot­e geben.

Hat die Bundeswehr ein Führungspr­oblem?

Soviel kann man zum jetzigen Zeitpunkt auf jeden Fall sagen: In Pfullendor­f gab es ein eklatantes Führungsve­rsagen. Verharmlos­ung wäre jetzt genauso falsch wie ein Generalver­dacht gegen die Bundeswehr und alle Soldatinne­n und Soldaten. Die Schuldigen haben natürlich auch das Ansehen der Soldatinne­n und Soldaten beschädigt, für die Respekt, Fairness und Achtung selbstvers­tändlich sind. Mich besorgt vor allem, warum es so lange gedauert hat, bis das alles ans Tageslicht kam. Das Prinzip der Inneren Führung muss ganz offensicht­lich noch viel besser in der Ausbildung und im Alltag verankert werden.

Welche Rolle spielt Ursula von der Leyen bei diesem Skandal?

Die Verteidigu­ngsministe­rin hat in ihrer ersten öffentlich­en Reaktion klare Worte gefunden. Allerdings ist es sehr ärgerlich und völlig unverständ­lich, dass der Verteidigu­ngsausschu­ss erst kurz vor und nur aufgrund der drohenden Presseberi­chterstatt­ung informiert wurde. Das Ministeriu­m wusste offensicht­lich schon Monate Bescheid. Ich erwarte jetzt von Ursula von der Leyen, dass sie die schonungsl­ose Aufklärung vorantreib­t und dann überzeugen­de Konsequenz­en präsentier­t, im engen Dialog mit dem Parlament.

Sieben Soldaten sollen entlassen, sieben weitere versetzt worden sein – Problem gelöst?

Nein. Weitere Schritte müssen und werden folgen. Dafür müssen aber erstmal alle Hintergrün­de geklärt sein. Viele Fragen sind noch offen. Wir werden das auch im Verteidigu­ngsausschu­ss sehr gründlich aufklären und dazu eine Reihe von Fragen an das Ministeriu­m stellen, statt uns allein auf die dünnen Informatio­nen zu verlassen.

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