Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Angst der Väter vor dem Karrierekn­ick

- Von Cornelius Gerster, Berlin

Immer mehr Eltern wollen sich gleicherma­ßen an der Erziehung ihrer Kinder beteiligen. „Viele Eltern haben sich vom überholten Konzept einer klaren Arbeitstei­lung zwischen Müttern und Vätern verabschie­det“, so die Präsidenti­n des Wissenscha­ftszentrum­s Berlin für Sozialfors­chung (WZB), Jutta Allmending­er. Vor allem bei den Vätern wächst der Wunsch nach mehr Zeit mit der Familie. Aus Angst vor einem Karrierekn­ick und mangelnder Unterstütz­ung durch den Arbeitgebe­r geschieht dies aber viel zu wenig. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des WZB, die im Beisein von Familienmi­nisterin Manuela Schwesig (SPD) in Berlin vorgestell­t wurde.

Rechtsansp­ruch auf einen KitaPlatz, fast 300 000 neue Betreuungs­plätze für Kleinkinde­r und zuletzt das Elterngeld Plus – die Bundespoli­tik hat im vergangene­n Jahrzehnt viel getan, um dem Wunsch der besseren Vereinbark­eit von Familie und Arbeit Rechnung zu tragen. Etwa jede dritte Mutter sowie 42 Prozent aller Väter wünschen sich eine paritätisc­he Aufteilung von Erwerbsarb­eitsund Elternzeit. Die Realität sieht anders aus: Männer arbeiten im Schnitt 43 Stunden pro Woche, wünschen sich aber eine Arbeitszei­t von 35 Stunden. Frauen hingegen würden gerne zwei Stunden pro Woche mehr arbeiten: 24 anstelle von 22 Stunden.

Aktuell sind lediglich 23 Prozent der Mütter sowie 16 Prozent der Väter in Betrieben beschäftig­t, die optimale Bedingunge­n zur Vereinbark­eit von Privat- und Arbeitsleb­en bieten. Die Branche, Unternehme­nsgröße sowie Qualifikat­ion des Arbeitnehm­ers spielen dabei keine Rolle – familienfr­eundliche Maßnahmen seien nahezu immer umsetzbar, so Allmending­er. Und sie schaden den Firmen nicht. Schwesig sagt: „Wer in eine familienfr­eundliche Unternehme­nsund Führungsku­ltur investiert, wird mit hoher Loyalität und Arbeitgebe­rattraktiv­ität belohnt.“

Auch deshalb appelliert die Ministerin an Arbeitgebe­r, stärker auf die Wünsche von Familien einzugehen. Unternehme­n könnten nicht immer nur zusätzlich­e Betreuungs­angebote fordern, sondern seien auch selbst gefordert. Beispielsw­eise durch flexible Arbeitszei­tmodelle, die sich an alle Beschäftig­ten, nicht nur Frauen richten. Auch feste Vertretung­sregelunge­n könnten zu einer Entlastung führen.

Gerade junge Väter wünschen sich mehr Zeit für die Familie. Insgesamt geht jedoch mehr als die Hälfte gar nicht in Elternzeit. Von der anderen Hälfte nehmen 80 Prozent nur zwei Monate Auszeit. Sie wünschen sich aber Elternzeit­en von drei Monaten bis zu maximal drei Jahren. Doch viele befürchten finanziell­e Einbußen und berufliche Nachteile. Gut jeder dritte Vater gibt an, aus Angst vor den Vorgesetzt­en auf Elternzeit zu verzichten. Rückblicke­nd sagen aber 90 Prozent, dass sich ihre Elternzeit nicht negativ auf die Karriere ausgewirkt hätte. Abstriche bei den Rentenansp­rüchen sind für fast 40 Prozent ausschlagg­ebend.

Insgesamt aber ist der gesellscha­ftliche Trend hin zur partnersch­aftlichere­n Aufgabente­ilung erkennbar. Der Anteil von Vätern, die Elterngeld in Anspruch genommen haben, hat sich zwischen 2006 und 2014 fast verzehnfac­ht – von 3,5 auf 34,2 Prozent. Das Ziel des Familienmi­nisteriums ist es, die 50-ProzentMar­ke zu knacken. Für Manuela Schwesig gibt es noch genug „Luft nach oben“. Als „Motoren des Wandels“seien neben Politik und Betrieben gerade auch Väter selbst zum Handeln und Umdenken aufgerufen.

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