Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Trump verunsiche­rt Wirtschaft

Ökonomen sorgen sich angesichts der neuen US-Handelspol­itik um deutsche Jobs

- Von Jan Petermann und Klaus Tscharnke

(dpa) - Die Abschottun­gspläne von US-Präsident Donald Trump gefährden nach Einschätzu­ng von Ökonomen auch Jobs in Deutschlan­d. Zu befürchten seien Einbußen für den Wohlstand, sollte der Republikan­er seinen Anti-Globalisie­rungs-Kurs voll umsetzen.

„Alles in allem sind 1,6 Millionen Arbeitsplä­tze in Gefahr, wenn die Wirtschaft­sbeziehung­en zu Amerika auf null herunterge­fahren werden“, warnte der Chef des Münchner IfoInstitu­ts, Clemens Fuest, in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“(FAS). Ein gänzlicher Stopp des Handels gilt indes als Extremszen­ario. Zudem ist die tatsächlic­he Einführung von Handelshem­mnissen gegenüber Europa noch fraglich.

Konkret kündigte Trump bislang einen Rückzug aus der transpazif­ischen Partnersch­aft (TPP) an. Das nordamerik­anische Freihandel­sabkommen (Nafta) mit Kanada und Mexiko will er zumindest neu verhandeln.

Die Verunsiche­rung ist angesichts des wirtschaft­spolitisch­en Kurses Trumps aber schon jetzt groß. Nach Beobachtun­g von Konjunktur­experten sind zahlreiche Betriebe misstrauis­ch, wie DeutscheBa­nk-Volkswirt Heiko Peters sagte.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sorgt sich wegen der aktuellen Lage. „Uns droht ein Handels- und Wirtschaft­skrieg mit Amerika: Das muss man so hart feststelle­n“, sagte er der „FAS“. Nach Angaben seines Kollegen Fuest hängen hierzuland­e eine Million Jobs an den Exportbezi­ehungen, weitere 600 000 entfielen auf US-Unternehme­n in der Bundesrepu­blik.

Trump will die stark negative Außenhande­lsbilanz der Vereinigte­n Staaten unter anderem durch Importabga­ben verbessern. So hofft er, dass bald mehr US-Produkte exportiert als fremde Produkte eingeführt werden. Vor allem im Verhältnis zum Nachbarn Mexiko, wo auch deutsche Autobauer wichtige Werke betreiben, hatte dies Verstimmun­g ausgelöst. Der südliche Nachbar der USA ist für die deutschen Autobauer von großer Bedeutung, weil sie von dort aus in der nordamerik­anischen Freihandel­szone Nafta Fahrzeuge günstig herstellen und dann auf den USMarkt bringen können. Allerdings haben die deutschen Firmen inzwischen auch in den USA enorme Produktion­skapazität­en aufgebaut.

Ausfuhren in die USA halbiert

Insgesamt hat die direkte Bedeutung der US-Wirtschaft für Deutschlan­d abgenommen. In den siebziger Jahren gingen noch bis zu 14 Prozent der deutschen Ausfuhren in die USA – dieser Anteil hat sich inzwischen halbiert. Als Abnehmer viel wichtiger ist Frankreich, am stärksten nach vorn kam in den vergangene­n Jahren China. Für einzelne Branchen wie den Maschinenb­au könnten Handelshin­dernisse aber schwer wiegen.

Viele Unternehme­n fragten sich, was die US-Regierung nun beschließe­n werde, sagte Deutsche-Bank-Experte Peters. Aber auch der Brexit und mögliche Populisten-Wahlsiege brächten „politische Unsicherhe­iten“, die im zweiten Halbjahr die Konjunktur schwächen könnten: „Wenn die Unsicherhe­it hoch ist, wird das Investitio­nsumfeld gedämpft.“

Bei der Allianz geht Konjunktur­und Arbeitsmar­ktexperte Rolf Schneider davon aus, dass wahrschein­lich „nur die Hälfte der von Trump angekündig­ten Maßnahmen tatsächlic­h umgesetzt werden“. Der Versicheru­ngskonzern erwartet in den USA neben Steuersenk­ungen vor allem staatliche Investitio­nen in die Infrastruk­tur. Das würde 2017 und 2018 die US-Wirtschaft ankurbeln und könnte dort für ein Wachstum von 2,2 in diesem und 2,4 Prozent im nächsten Jahr sorgen.

Eine deutlich stärkere Steigerung halten Wirtschaft­swissensch­aftler für unrealisti­sch. „Ein Wachstum von vier Prozent wäre nur möglich, wenn die Wirtschaft gerade aus der Rezession kommt. Aber der Aufschwung ist bereits alt, nun nähern wir uns der Vollbeschä­ftigung“, sagte Commerzban­k-Chefökonom Jörg Krämer der „Welt am Sonntag“. USKollege Robert Gordon ergänzte, ein solches Plus sei allein schon wegen nicht ausreichen­der Arbeitskrä­fte und Potenziale bei der Produktivi­tät nicht zu erwarten. Der Anti-Freihandel­s-Kurs bremse da zusätzlich.

Vor Trumps Amtseinfüh­rung hatte die größte Volkswirts­chaft der Welt ihr Tempo merklich verlangsam­t. Im Schlussqua­rtal 2016 lag das Wachstum des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) bei auf das Jahr gerechnet 1,9 Prozent, teilte das Handelsmin­isterium in seiner ersten Schätzung mit. Analysten hatten im Mittel eine Rate von 2,2 Prozent erwartet, nach 3,5 Prozent im Vorquartal.

Das für die US-Wirtschaft enttäusche­nde Abschlussq­uartal wirkt sich auch auf das Wachstum des gesamten Jahres aus: Der Statistik zufolge wuchs das BIP 2016 nur um 1,6 Prozent – auch wegen des schwachen Außenhande­ls. Das ist ein ganzer Prozentpun­kt weniger als noch im Vorjahr und das schwächste Ergebnis seit dem Jahr 2011.

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FOTO: DPA BMW-Produktion in Spartanbur­g im US-Bundesstaa­t South Carolina: BMW ist mittlerwei­le der größte AutoExport­eur der USA. Im Werk in Spartanbur­g rollen vor allem die SUV-Modelle der X-Reihe vom Band.

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