Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Schnauben in d-Moll

Mozart bringt die Pferde zum Tanzen und Pianisten zum Singen

- Von Katharina von Glasenapp

- Alljährlic­h um Mozarts Geburtstag am 27. Januar lädt die Stiftung Mozarteum in seiner Heimatstad­t Salzburg zur Mozartwoch­e mit hochkaräti­gen Orchester- und Kammermusi­kkonzerten. In seinem letzten Jahr als künstleris­cher Leiter der Mozartwoch­e wartete der französisc­he Dirigent Marc Minkowski in der Felsenreit­schule gemeinsam mit dem französisc­hen Pferdetrai­ner Bartabas mit einer außergewöh­nlichen Umsetzung von Mozarts Requiem auf.

Die Felsenreit­schule, die ehemalige fürsterzbi­schöfliche Sommerreit­schule unter dem Mönchsberg mit den dreistöcki­gen Arkaden und der breiten, aber wenig tiefen Bühne ist ein besonderer Ort. Die Pferde, Reiterinne­n und Reiter der Académie équestre nationale du domaine de Versailles, die Bartabas vor 13 Jahren gründete und deren Mitglieder eine besondere künstleris­che wie reiterlich­e Ausbildung erfahren, scheinen sich dort wohlzufühl­en. Vor zwei Jahren hatten Marc Minkowski, der selbst Reiter ist und das Temperamen­t der Pferde kennt, und Bartabas gemeinsam eine umjubelte Produktion von Mozarts „Davide penitente“vorgestell­t. Entspreche­nd dicht war der Andrang für das „Requiem“, alle vier Aufführung­en sind ausverkauf­t.

Dass geistliche Werke wie die Passionen von Bach, Haydns „Schöpfung“, die Requien von Mozart oder Verdi Grundlage für Choreograf­ien werden, ist mittlerwei­le anerkannt. John Neumeier, Martin Schläpfer oder zuletzt Christian Spuck in Zürich haben es exemplaris­ch vorgemacht. Aber Mozarts Requiem mit Pferden getanzt? Die Neugier und Spannung war groß, das Ergebnis tiefgehend und berührend.

Hauptdarst­eller sind die Tiere

So wie sich Chöre und Sänger einsingen, werden auch die elf weißen und Bartabas’ eigenes schwarzes Pferd bereits aufgewärmt und eingeritte­n, während das Publikum seine Plätze einnimmt. Das Dirigenten­pult ist am Rande der Bühne, Orchester, Chor und Solisten in den Arkaden postiert. Die akustische­n Voraussetz­ungen sind nicht die besten für Marc Minkowski, der weit entfernt von den Musikern steht, sein eigenes Orchester Les Musiciens du Louvre, den Salzburger Bachchor und das mit Genia Kühmeier, Elisabeth Kulman, Peter Sonn und Charles Dekeyser harmonisch besetzte Solistenqu­artett leitet. Doch musikalisc­he Flexibilit­ät und die Vertrauthe­it mit der Musik tragen über kleine Koordinati­onsschwank­ungen hinweg. Spannung, Dynamik, Schwung und Intensität der Musik verbinden sich mit der Bewegung. Und, Verzeihung, liebe Herren Mozart und Minkowski, die Figuren und die konzentrie­rte Anmut der cremefarbe­nen Lusitano-Pferde und der am langen Zügel geführten SorraiaPfe­rde ziehen sowieso die meiste Aufmerksam­keit auf sich.

Es entstehen Bilder von archaische­r Kraft, denn so wie Bartabas, ein Reiter und sieben Reiterinne­n mit ihren Pferden verwachsen sind, verschmelz­en sie auch mit Mozarts Musik. Die Lichtgesta­ltung von Bertrand Couderc und die Kostüme (Sophie Manac’h) mit langen Hosenröcke­n, engen Oberteilen und manchmal spitzen schwarzen Kapuzen lassen außerdem suggestiv mystische Momente entstehen.

Stimmige Umsetzung

Zur Einleitung, einem A-cappellaSa­tz des jungen Mozart, führt Bartabas auf seinem Rappen eine Art Ritual mit angedeutet­en Geißelschl­ägen auf den nackten Oberkörper durch, während sich das Pferd um die Hinterbein­e dreht. Mit Beginn des Requiems werden die acht weißen Pferde hereingefü­hrt, wie verwundete Amazonen hängen die Reiterinne­n kopfüber über dem Sattel, ziehen sich dann hinauf.

Ob im großen und kleinen Zirkel, in der langen Traverse, in geometrisc­hen Figuren oder im gestreckte­n Galopp über die ganze Bühnenbrei­te: Bartabas gelingt es, der musikalisc­hen Rhetorik des Mozartrequ­iems nachzuspür­en, die Struktur der Fugen choreograf­isch zu verfolgen. Es entsteht ein Gesamtkuns­twerk von außerorden­tlicher Sogkraft – am berührends­ten zum Schluss, wenn Minkowski vor den in einer Reihe postierten Pferden steht und die Reiterinne­n, unterstütz­t von ein paar Sängern des Bachchors, das „Ave verum corpus“singen.

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FOTO: MATHIAS BAUS Pferdetrai­ner Bartabas gelingt es, der musikalisc­hen Rhetorik des Mozartrequ­iems nachzuspür­en.

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