Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Schmid will Populisten die Stirn bieten
Beim Neujahrsempfang des Landkreises in Mittelbiberach geht es um die innere Sicherheit
- Landrat Heiko Schmid und der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, sind sich beim Neujahrsempfang des Landkreises Biberach einig gewesen: In Deutschland und zumal in Oberschwaben leben die Bürger bei allen nicht zu verniedlichenden Gefahren recht sicher. Schmid sandte „einen flammenden Appell in den Kreis“: Beim Thema innere Sicherheit „dürfen wir nicht den Populisten das Feld überlassen“.
Der parteilose Landrat dachte dabei an die Bundestagswahl am 24. September, bei der dies nach Expertenprognosen ein entscheidendes Thema werde. Vor rund 400 Gästen in der Mittelbiberacher Festhalle rief Schmid dazu auf, wählen zu gehen, sich einzumischen und zu zeigen, „dass wir eine wehrhafte Demokratie sind“. Deren Wesen sei es, auf Bedrohungen differenziert zu antworten und die Freiheit zu bewahren. „Sicherheit ja, aber nicht um den Preis der Rechtsstaatlichkeit“, sagte Schmid. Er zitierte den amerikanischen Staatsmann Benjamin Franklin (1706 bis 1790): „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“
Mauern sind keine Lösung
Die Welt sei komplizierter, „ein Stück weit verrückter“, bunter geworden. „Das mögen manche bedauern“, sagte Schmid, aber diese Mannigfaltigkeit sei ein zentrales Element unserer Gesellschaft. Auf komplexe Fragen gebe es keine einfachen Antworten. „Ein Mauerbau löst erfahrungsgemäß keine Probleme“, hielt er jenen entgegen, die vermeintlich einfache Lösungen propagieren.
Schmid ging auf das subjektive Sicherheitsempfinden ein: Immer mehr Menschen gewönnen den Eindruck, dass Deutschland nicht mehr ausreichend Schutz vor Kriminalität und Gewalt biete und durch „unkontrollierte Zuwanderung auch dem Terror Tür und Tor geöffnet“worden sei. Für die Verunsicherung macht er in erster Linie „die völlig unreflektierten Diskussionen und Meldungen in den sozialen Medien“verantwortlich.
Objektiv sehe es anders aus: „Nüchtern und auf der Daten- und Faktenlage beruhend – also nicht postfaktisch – leben wir in einer relativ sicheren Gegend.“Im Beritt des Ulmer Polizeipräsidiums sei die Zahl der Straftaten von 2015 auf 2016 um sechs Prozent zurückgegangen. Das sollte freilich keinesfalls heißen, die Wehrhaftigkeit der Demokratie aus den Augen zu verlieren: Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin habe „deutliche Schwachstellen im Sicherheitssystem offenbart“. Aus Fehlern gelte es zu lernen und die Menschen zu überzeugen.
Ähnlich die Einschätzung des BKA-Präsidenten Münch. Dass ein den Sicherheitsbehörden als Gefährder bekannter Täter den Anschlag in Berlin begehen konnte, werfe Fragen auf. Seine Gesamteinschätzung lautete dennoch: „Deutschland ist nach wie vor eines der sichersten Länder weltweit.“Damit das so bleibt, forderte er angemessene Verbesserungen im Sicherheitsapparat. Denn der BKA-Chef schilderte die ernsten Herausforderungen durch Cyberkriminalität und organisierte Kriminalität, durch Gewalt von links und von rechts sowie vor allem durch islamistischen Terrorismus. Die Gefahr in westlichen Ländern werde durch Rückkehrer sogar steigen, wenn der Islamische Staat daheim an Boden verliere.
„Luft nach oben“sieht Münch bei der Geschwindigkeit des Informationsaustauschs der Polizeien in einem Europa ohne Grenzen. Dabei müssten Fingerabdrücke automatisch abfragbar werden. Innerhalb Deutschlands müssten Datensysteme und Rechtsstandards vereinheitlicht werden: „Ich bin fest überzeugt, dass wir uns in einem einheitlichen Gefahrenraum keinen Flickenteppich leisten können.“Er sprach sich für die Möglichkeit zur Onlinedurchsuchung aus und forderte für die Polizei die Fähigkeit zur Entschlüsselung. Das sei „keine Datensammelwut“, Eingriffe erfolgten auf klarer rechtlicher Grundlage und überprüfbar. Freiheit und Sicherheit dürften nicht in Konkurrenz zueinander gesetzt werden, „sie bedingen einander“.
Kreismarsch auf dem Marimbafon
Dass ein so kompetenter Redner zu diesem aktuellen Thema gewonnen wurde, dafür dankte Schmid dem Bundestagsabgeordneten Martin Gerster (SPD). Münch selber sagte launig, er habe bei seiner Zusage nicht gewusst, wie weit der Weg ist – doch habe sich die lange Fahrt allein schon für die Musik der beiden Schwestern Jessica und Vanessa Porter gelohnt.
Das preisgekrönte PercussionDuo aus Laupheim begleitete den Empfang musikalisch und schloss mit einer nie gehörten Version des Kreismarschs auf dem Marimbafon.