Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Versuchter Mord: Angeklagter gesteht Tatbeteiligung
Am elften Prozesstag bricht der 22-Jährige aus Herbertingen sein Schweigen und belastet seinen Komplizen
- Wende im Prozess wegen gemeinschaftlich versuchten Mordes: Nach elf Verhandlungstagen bricht einer der Angeklagten, ein 22-Jähriger aus Herbertingen, sein Schweigen und macht Angaben zu den Geschehnissen in der Nacht zum 19. März 2016. Laut Staatsanwaltschaft sollen er und sein 27-jähriger Mitangeklagter gegen 0.30 Uhr zwei Männer in der Hauptstraße in Herbertingen schwer misshandelt und mit in zwei Socken gepackten faustgroßen Steinen geschlagen haben.
Eines der Opfer erlitt dabei eine lebensgefährliche Verletzung am Kopf. Das Motiv für die Tat liegt bislang im Unklaren. In Betracht käme Habgier, weil einer der Männer eine schwarze Tasche der Opfer mitgenommen habe, wie Zeugen vor Gericht bestätigten. Allerdings konnte die Polizei die Tasche nicht finden.
„Ich gebe zu, dabei gewesen zu sein“, sagte der 22-Jährige am Donnerstag vor dem Schwurgericht des Landgerichts Ravensburg. „Ich erinnere mich auch, mit den Fäusten geschlagen zu haben. Meine Hand wurde verletzt.“Den Vorwurf des Mordversuchs hingegen wies er zurück. Damit habe er nichts zu tun. Zu den in Socken gepackten faustgroßen Steinen könne er nichts sagen.
Wie er den Tattag rekonstruierte, habe er bereits kurz nach der Arbeit gegen 13 Uhr angefangen Alkohol zu trinken. Zunächst eine Flasche Schnaps, dann über den Nachmittag bis zum Abend verteilt acht Flaschen Bier und drei Dosen Cola-Whisky. Am Abend habe er noch mit dem 27Jährigen, dessen Verlobte und einem Mitbewohner eine Flasche Whisky getrunken. Gegen 22 Uhr habe man sich entschlossen, in das Bistro zu gehen. Der 22- und der 27-Jährige spielten Darts und tranken Bier. Die Verlobte des 27-Jährigen setzte sich vor einen Spielautomaten.
Verständigungsgespräch scheiterte
Dass die beiden späteren Opfer zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in dem Bistro waren, daran könne er sich nicht erinnern. „Ich habe die beiden erstmals vor Gericht gesehen“, berichtete er. Er wisse nur noch, dass er gemeinsam mit dem 27-Jährigen das Lokal verlassen habe und sie erst kurz vor ihrer Wohnung bemerkt hätten, dass die Verlobte des 27-Jährigen nicht dabei war. Was dann geschah, könne er nicht mehr genau sagen. Von den Vorwürfen habe er erst aus der Anklageschrift erfahren. Bis dahin habe er abgewartet, was die Ermittlungen ergeben würden. „Ich habe noch nie ein Verbrechen begangen“, beteuerte er. Seinen Komplizen belastete er schwer. „Er ist auch dabei gewesen“, sagte der 22-Jährige. Das widerspricht der Aussage des 27Jährigen, der bei der Polizei angab, er habe mit der Sache nichts zu tun.
Vor dem Geständnis war am Vormittag ein Verständigungsgespräch zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung gescheitert. Verständigungsgespräche dienen dazu, Verfahren abzukürzen. Dabei sondieren Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Positionen über ein mögliches Urteil. Voraussetzung ist aber ein umfassendes Geständnis des Angeklagten. Wie Staatsanwalt Christian Pfuhl ausführte, habe er einer Verständigung nicht zustimmen können. „Es handelt sich hier um ein Delikt an der Grenze zu einem Kapitalverbrechen“, so Pfuhl. „Ich bin überzeugt, dass dieses Verbrechen einer Verständigung nicht zugänglich ist. Dies vor allem auch nicht nach dem elften Prozesstag.“Damit gab er zu erkennen, dass er auf den Vorwurf des versuchten Mordes nicht verzichten will. Für Verteidiger Moritz David Schmitt, der mit allen Mitteln versucht, diesen Vorwurf von seinem Mandanten abzuwenden, ist diese Auffassung nicht nachvollziehbar. „Der Gesetzgeber hat in Kauf genommen, dass eine Verständigung auch nach längerer Verhandlungsdauer möglich ist“, so der Anwalt.
Richter Jürgen Hutterer betonte ausdrücklich den Wert eines Geständnisses vor dieser Kammer. „Das ist hier Gold wert“, betonte er. „Der Zeitpunkt spielt keine Rolle.“Wie das Gericht das Geständnis oder genauer gesagt, die „Einlassung“, wie die Juristen sagen, bewertet, ist selbstverständlich noch offen. Jedoch kündigte Hutterer an, erneut die Gutachterin Roswita Hietel-Weniger zu laden und eine Neubewertung der Schuldfähigkeit des 22-Jährigem vorzunehmen. Vor allem sein Alkoholkonsum an diesem Tag, den eine Zeugin zuvor noch deutlich niedriger taxierte, dürfte darin einfließen. Staatsanwalt Pfuhl zeigte sich skeptisch von der Einlassung.
Der 27-Jährige schweigt nach wie vor zu den Vorfällen am 19. März vergangenen Jahres. Nach der Einlassung seines Komplizen sieht es für ihn allerdings düsterer aus als zuvor. Zumal den Verfahrensbeteiligten jetzt sein Vorstrafenregister vorliegt, das noch nicht verlesen wurde. Ein unbeschriebenes Blatt, wie er bei der Polizei angab, ist er nicht. Seine Glaubwürdigkeit ist erschüttert.