Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Zwei für Jogi
Leipzigs Timo Werner trifft beim 2:1 gegen Hoffenheim – Wagner überzeugt menschlich
(fil/dpa/SID) - Wenn man sich auf die Suche nach Gewinnern dieses insgesamt schön ereignisreichen 18. Spieltags machen will, muss man sicherlich auch Joachim Löw nennen. Der Bundestrainer trug bei seinem ersten Besuch während einer Bundesligabegegnung in der Leipziger Arena zwar eine verspiegelte Pilotenbrille auf seiner verschrammten Nase – Löw lief vor Tagen versehentlich gegen eine Scheibe – doch was seine Augen hinter der Pilotenbrille sahen, muss Löw ziemlich glücklich gemacht haben. Beim 2:1 (1:1) zwischen Leipzig und den seit Samstag nicht mehr unbesiegten Hoffenheimern erlebte er ein Spitzenspiel, das den Namen wahrlich verdient hatte – eine Begegnung also auf allerhögschdem Niveau, zwischen zwei Mannschaften, ach was: Pressingmaschinen, die sich vedient berechtigte Hoffnungen auf die Champions League (vor allem Leipzig) oder wenigstens die Europa League machen können; egal wie sehr die Verantwortlichen beider Teams diese Ambitonen noch von sich weisen möchten. Zudem erlebten Löw und die gutgelaunten Zuschauer zwei Stürmer, die sich durchaus für höhere Aufgaben empfehlen konnten.
Wagner beweist Größe
Da war zum einen Timo Werner, der mit einem mittlerweile typischen Timo-Werner-Treffer (den Ball mit Anlauf mit vollem Karacho ins Tor geschweißt) in der 38. Minute sein Saisontorkonto in der Bundesliga auf elf schraubte und den Leipzigern so half, das Spiel nach dem frühen Rückstand noch zu drehen; da war Sandro Wagner, dessen Torekonto zwar bei zehn Treffern blieb und der nach einer Stunde nach einem Tritt an Marcel Sabitzer mit Rot vom Platz musste, aber bis dahin überaus anständig gespielt hatte und nach seinem Platzverweis zudem Größe zeigte. Wagner war Sabitzer im Zweikampf wohl unabsichtlich auf die Wade getreten, nach seinem Platzverweis entschuldigte er sich erst bei Schiedsrichter Wolfgang Stark, dann beim Leidtragenden Sabitzer. Nach Abpfiff stattete er dem Leipziger noch einen Besuch in der Kabine ab, vergewisserte sich, dass der Zwischenfall keine weiteren Folgen für Sabitzers Gesundheit gehabt hatte, entschuldigte sich auch bei seinen Mannschaftskollegen, schritt zu den Reportern und leistete mit zittriger Stimme auch noch öffentlich Abbitte. „Ich habe mich bei meiner Mannschaft und dem Gegenspieler entschuldigt. Es tut mir leid, das macht man nicht. Ich habe mich selber erschrocken“, sagte er.
Dass ihm, dem lange Verkannten, der so sehr von einer Einladung für die DFB-Elf träumt, dieser Fehler ausgerechnet vor Löws Augen passiert war, machte seinen gebrauchten Tag perfekt. „Das ist natürlich ärgerlich. Es hätte schöner sein können, wenn der Bundestrainer da ist“, sagte Wagner, der sogar die Niederlage auf seine Kappe nahm. „Zu elft wäre das Spiel anders ausgegangen.“Tatsächlich gelang Marcel Sabitzer der Siegtreffer für Leipzig erst, als Wagner nicht mehr auf dem Platz stand (77.).
Löw nahm Wagner aber in Schutz. „Gelb hätte gereicht. Es war relativ eng und im Zweikampf. Ich will ihm da keine Absicht unterstellen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Im ZDF machte er dem Hoffenheimer später sogar Hoffnungen auf eine baldige Nominierung. „Er hat zehn Tore gemacht, das ist durchaus denkbar.“Ob es für Wagner im Spätsommer seiner Karriere – der gebürtige Münchner ist 29 – noch was wird mit einer Karriere im Adlertrikot, hängt wohl auch davon ab, was Löw mit Werner vorhat. Der Bundestrainer hat angekündigt, beim Confed Cup im Sommer in Russland ein wenig zu experimentieren. Im Sturm wären sowohl Wagner, als auch Werner natürliche Kandidaten. Der beim VfB Stuttgart ausgebildete Werner, der 2013 sein Bundesligadebüt feierte, ist immer noch erst 20 Jahre alt. Er könnte im Sommer auch dabei helfen, die U 21 bei der EM in Polen möglichst zum Titel zu schießen. „Er ist ein Spieler mit einer großen Perspektive“, sagte Löw über Werner, der sich nach dem Sieg entgegen der Leipziger Gepflogenheiten richtig selbstbewusst präsentierte. „Wenn wir die nächsten drei, vier Spiele auch so gewinnen, dann kann man fast gar nicht mehr ,Nein' sagen zur Champions League“, sagte er.
Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl wäre nicht überrascht, sollte Löw seinen Angreifer schon für den Klassiker im März gegen England nominieren. „Er hätte keine Probleme, wenn er den mal bringt“, sagte er. Und Leipzigs Sportchef Ralf Rangnick meinte: „Wir tun ja jetzt gerade so, dass Jogi Löw nur wegen Timo Werner Grund hat, hierher zu kommen. Das sehe ich nicht so. Da gibt es schon auch noch andere.“