Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Blendende Zahlen beim Spielehersteller Ravensburger
Zur Spielwarenmesse präsentiert Ravensburger außergewöhnlich gute Zahlen
- Ein Mann großspuriger Worte war Karsten Schmidt nie. Und auch bei seiner letzten Spielwarenmesse blieb sich der Vorstandschef von Ravensburger, der das oberschwäbische Traditionsunternehmen seit 15 Jahren führt, treu. Von Prahlerei, lauten Tönen keine Spur, dabei hätte der 60-Jährige in den letzten Wochen an der Spitze des Spielwarenherstellers allen Grund dazu, selbstbewusst aufzutreten. Schmidt, 2002 vom Tabakriesen Philipp Morris gekommen, hatte damals einen angeschlagenen Konzern übernommen, der sich auf der Suche nach der richtigen Digitalstrategie in diversen Investitionen verzettelt hatte. Und heute? „Heute sind wir pumperlgesund“, sagt der Manager. Und da schwingt dann doch ein wenig Stolz mit in der Stimme.
Zu recht, schließlich ist der Umsatz im vergangenen Jahr zum zehnten Mal in Folge gestiegen – allein 2016 kletterte er um rund sieben Prozent auf nun 475 Millionen Euro. Damit ist das Unternehmen mit Stammsitz in Ravensburg stärker gewachsen als der Markt. „Wir sind nach Lego der zweitgrößte Spielwarenanbieter in Deutschland“, erklärt Schmidt. Im Jahr zuvor rangierte Ravensburger noch auf Rang vier, hinter Mattel und Playmobil. Diese beiden Rivalen hat das Unternehmen nach Angaben Schmidts in den vergangenen zwölf Monaten überholt. „Wir sind stolz, dass wir die Nummer zwei sind, aber an Platz eins denkt von uns keiner“, erläutert Schmidt. Zu groß sei der Abstand zum deutschen Branchenprimus: Lego kommt in Deutschland auf einen Marktanteil von 17,2 Prozent, Ravensburger liegt gerade einmal bei 7,6 Prozent.
Einen Angriff auf Lego als Ziel auszugeben – nichts läge dem Manager ferner, der Karsten Schmidt im April als Vorstandschef bei Ravensburger nachfolgt. „Ich halte das ganz oberschwäbisch, ich mache erst mal – und rede dann darüber“, sagt Clemens Maier. Es ist kein Zufall, dass sich der 45-Jährige der Zurückhaltung verpflichtet fühlt, für die das Unternehmen seit Langem bekannt ist. Schließlich übernimmt mit dem Urenkel von Firmengründer Otto Robert Maier erstmals wieder seit der Jahrtausendwende ein Mitglied der Gründerfamilie die Firmenleitung.
„Das ist für mich eine Freude – und auch eine große Verantwortung. Aber eine Verantwortung, der ich mich gerne stelle“, meint Maier. Worte, die gestelzt klingen könnten, die bei dem Manager aber authentisch herüberkommen. Zwar sei man immer bestrebt gewesen, Ravensburger so auszurichten, dass das Unternehmen auch ohne die Familie stabil dastehe, „aber wenn es sich fügt, dann passt das sehr gut“, sagt Maier. „Ich habe Ravensburger ohnehin immer als Familienunternehmen empfunden.“
Behutsam in die digitale Welt
Ein Familienunternehmen, das in Karsten Schmidt einen fremden Manager gefunden hat, der einen klassischen Spiele- und Puzzlehersteller mit seiner Strategie auch in der digitalen Welt fest verortet hat. Die Strategie lautet, die klassischen Ravensburger Spiele nur sehr behutsam mit digitalen Zusatzelementen zu ergänzen. So ist das Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren um rund 70 Prozent gewachsen. Clemens Maier weiß genau, was Ravensburger in den vergangenen Jahren so erfolgreich gemacht hat. „Wir kommen vom haptischen Produkt, das ist unsere Welt – und wo es passt, bauen wir elektronische Zusatzelemente ein“, erklärt Maier. „Für diesen Weg steht Karsten Schmidt – und dafür stehe auch ich.“
In Nürnberg präsentiert Ravensburger nun sogar eine Neuheit, die ganz ohne digitalen oder elektronischen Schnickschnack auskommt – Gravitrax. Clemens Maier beschreibt das Produkt, das zurzeit noch in der Marktforschung ist und im Herbst in den Handel kommen soll, als „Kugelbahn mit physikalischen Effekten zum Selberbauen.“Getreu dem Motto des Gründers, das Clemens Maier immer wieder gerne zitiert: „Spielwaren für Herz, Hirn und Hand“.
Karsten Schmidt hat noch eine andere Erklärung für die Erfolge der vergangenen Jahre. „Die Menschen spielen mehr, wenn sie sich unsicher fühlen“, sagt der scheidende Ravensburger-Chef. In einer zunehmend unberechenbar werdenden Welt besännen sich die Menschen auf Althergebrachtes, suchten Familie und Gemeinschaft. Dass sich Brettspielklassiker wie Scotland Yard und Das verrückte Labyrinth zuletzt wieder besonders gut verkauften, wundert Schmidt deshalb keineswegs.
Im Hause Maier sind dagegen zurzeit zwei andere Klassiker besonders angesagt: Memory und Weltreise. Memory spielt der künftige Ravensburger-Chef gegen seine vierjährige Tochter, die Reise um die Welt gegen seine neun und elf Jahre alten Söhne. Das liegt allerdings nicht an der unsicheren Lage der Welt, sondern vielmehr an der für die Familie Maier so typischen Leidenschaft für Spiele.