Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Trainingsm­ethoden müssen immer mit Menschenwü­rde vereinbar sein“

Wehrbeauft­ragter des Bundestags kritisiert Vorgänge in Pfullendor­fer Kaserne und fordert bessere Ausbildung­sstandards

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- Vor dem Hintergrun­d des Skandals um sexuelle Erniedrigu­ngen und Demütigung­en von Soldaten in Pfullendor­f kritisiert der Wehrbeauft­ragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), das Vorgehen der Ausbilder als „unsoldatis­ch“. Eine harte Ausbildung von Elitekräft­en rechtferti­ge keine Verletzung­en von Rechten der Bundeswehr-Angehörige­n, sagte Bartels im Gespräch mit Ludger Möllers.

Herr Bartels, seit einer Woche wissen wir von den Exzessen in der Kaserne in Pfullendor­f. Jetzt kommen Vorwürfe gegen die Medien: Die Vorgänge würden aufgebausc­ht. Wie ist Ihre Beurteilun­g zum jetzigen Zeitpunkt?

Es geht um zwei Komplexe: Um inakzeptab­le sogenannte Ausbildung­smethoden, die offenbar auch die sexuelle Selbstbest­immung verletzten, und um entwürdige­nde Aufnahmeri­tuale unter Mannschaft­ssoldaten. Da hat Dienstaufs­icht nicht funktionie­rt. Solche Verstöße gegen Recht und Gesetz und gegen die Prinzipien der Inneren Führung sind kein Ausweis guter soldatisch­er Härte, sondern im Gegenteil unsoldatis­ch.

Es kommen Einwürfe von interessie­rter Seite, auch aus der Truppe: Eine Einsatzarm­ee müsse das Verhalten bei Geiselnahm­en oder Anschlägen nahe an der Realität üben.

Manches kann man nicht üben, zum Beispiel Verwundung oder Tod. Trainingsm­ethoden müssen immer mit der Menschenwü­rde vereinbar sein. Punkt. Es hat da in der Vergangenh­eit extreme Vorgänge gegeben, ich erinnere an Coesfeld: Dort trainierte man angeblich Geiselverh­öre. Dabei wurden Soldaten gefesselt und gequält. Die Ausbilder wurden zu Haftstrafe­n verurteilt. Das war keine Ausbildung! Und erst recht kein Spaß!

Sprechen wir über Ihre Aufgabe: Wie wurden Sie informiert?

Die Vorgänge bei der Sanitätsau­sbildung hat die Mutter einer Soldatin mir gemeldet. Die Soldatin wurde mit Ausbildung­sinhalten konfrontie­rt, die so in keinem Lehrbuch stehen. Wir haben uns von Amts wegen des Falles angenommen. Das war im Oktober 2016.

Und wie haben Sie von den fragwürdig­en Aufnahmeri­tualen Informatio­n erhalten?

Durch die offizielle Meldung als besonderes Vorkommnis am vergangene­n Freitag. Da informiert­e das Ministeriu­m über die Strafanzei­gen gegen sieben Soldaten wegen des Verdachts auf Freiheitsb­eraubung und Körperverl­etzung.

Zurück zu der „Combat First Responder“-Ausbildung, dem Lehrgang für Sanitäter, die die Erstversor­gung von Verwundete­n übernehmen. Aber warum ordnen Vorgesetzt­e, unter ihnen nach unseren Informatio­nen Stabsoffiz­iere und Ärzte, an, dass sich Teilnehmer nackt auszuziehe­n haben?

Das ist die Frage! So ist das nirgendwo üblich. Was da zu lernen ist, muss auch jeder normal ausgebilde­te zivile Rettungssa­nitäter können, der mit dem ADAC-Hubschraub­er bei Schneestur­m auf der Autobahn landet und Verletze, die aus einem Autowrack geschnitte­n worden sind, sofort versorgen soll.

Solche Exzesse sind meist keine Einzelfäll­e, sondern sie entwickeln sich. Und das nicht ohne Wissen der Führung ...

Vielleicht gibt es bei manchen Soldaten von Spezialkrä­ften und spezialisi­erten Kräften den Glauben, wenn man „die Härtesten der Harten“ausbilde, würden andere rechtliche Maßstäbe gelten als in der übrigen Bundeswehr, vielleicht auch bei einzelnen Vorgesetzt­en. Richtig ist aber: Es gibt nur eine Bundeswehr. Und dort gelten überall die gleichen Rechte jedes einzelnen Soldaten.

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FOTO: DPA Hans-Peter Bartels

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