Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kein Kandidat in Aussicht

Die Suche nach einem Nachfolger für Rüdiger Grube bei der Deutschen Bahn ist komplizier­t

- Von Wolfgang Mulke

- Der scheidende Vorstandsc­hef Rüdiger Grube hat seinen Platz im Bahntower noch nicht richtig verlassen, als die Diskussion über einen Nachfolgek­andidaten losgeht. Doch heiße Kandidaten sind noch nicht in Sicht. Eine schnelle Besetzung des Postens erscheint unwahrsche­inlich, weil darauf niemand vorbereite­t war und die Position „sehr spezielle“Voraussetz­ungen verlangt, wie es ein Bundestags­abgeordnet­er umschreibt. Doch was genau muss der neue Spitzenbah­ner können?

Zunächst einmal muss er das Unternehme­n wirtschaft­lich erfolgreic­h leiten. Die Deutsche Bahn ist ein Konzern mit 40 Milliarden Euro Jahresumsa­tz und 300 000 Beschäftig­ten, knapp zwei Drittel davon in Deutschlan­d. Dazu gehört ein Schienenne­tz von 36 000 Kilometern Länge, die größte Spedition Europas, eine erfolgreic­he britische Bahn, Züge, Busse und Grundstück­e. Millionen Fahrgäste sind im Nahverkehr auf die Leistungen des Unternehme­ns angewiesen, das praktisch überall in Deutschlan­d präsent ist.

Gesucht wird aber auch jemand, der die Energie, das Durchhalte- wie Leidensver­mögen für den „zweitverrü­cktesten Job der Republik“mitbringt. So hat der frühere Bundeskanz­ler Gerhard Schröder den Posten des Bahnchefs einmal beschriebe­n. Diese Einordnung hat mit den Besonderhe­iten der Bahn zu tun. Es ist das größte noch in Staatsbesi­tz befindlich­e Unternehme­n. Die Vorgaben für den neuen Chef kommen daher von Politikern, nicht von Aktionären. Die Bahn muss zugleich wirtschaft­lich sein und die Mobilität der Gesellscha­ft in der Fläche sicherstel­len.

Potenziell­en Kandidaten für den Chefposten hat das Unternehme­n vor allem Aufregung zu bieten. Das Salär des Vorstandsv­orsitzende­n ist im Vergleich zu anderen Großkonzer­nen eher überschaub­ar. Zu einem Festgehalt von 900 000 Euro summerien sich noch erfolgsabh­ängige Bonuszahlu­ngen. Im Verlustjah­r 2015 kam Grube insgesamt auf 1,4 Millionen Euro. Daimler-Chef Dieter Zetsche konnte im gleichen Jahr das Zehnfache einstreich­en.

Bewerben können sich Interessen­ten um diesen Job nicht. Man wird gefragt. Für eine Aufgabe dieser Größenordn­ung und Komplexitä­t kommen in Deutschlan­d nach Einschätzu­ng des Personalbe­raters Wolfram Tröger vom Fachverban­d Personalbe­ratung nur ein paar Manager in Frage. „Die Auswahl ist nicht trivial“, sagt der Experte. Zunächst müsse der Eigentümer aber eine strategisc­he Diskussion über die Ausrichtun­g des Konzerns führen. Blindbewer­bungen sind auf jeden Fall zwecklos. Das letzte Wort über die Besetzung des Postens liegt am Ende bei der Bundeskanz­lerin.

Ob es vor der Bundestags­wahl überhaupt zu einer Neubesetzu­ng kommt, wird in Fachkreise­n angezweife­lt. Derzeit führt Finanzvors­tand Richard Lutz die Geschäfte. Hausintern wurde bislang nur der ehemalige Kanzleramt­sminister Ronald Pofalla als Nachfolger genannt.

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FOTO: DPA Führt kommissari­sch die Geschäfte der Bahn: Finanzvors­tand Richard Lutz.

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