Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Kein Kandidat in Aussicht
Die Suche nach einem Nachfolger für Rüdiger Grube bei der Deutschen Bahn ist kompliziert
- Der scheidende Vorstandschef Rüdiger Grube hat seinen Platz im Bahntower noch nicht richtig verlassen, als die Diskussion über einen Nachfolgekandidaten losgeht. Doch heiße Kandidaten sind noch nicht in Sicht. Eine schnelle Besetzung des Postens erscheint unwahrscheinlich, weil darauf niemand vorbereitet war und die Position „sehr spezielle“Voraussetzungen verlangt, wie es ein Bundestagsabgeordneter umschreibt. Doch was genau muss der neue Spitzenbahner können?
Zunächst einmal muss er das Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich leiten. Die Deutsche Bahn ist ein Konzern mit 40 Milliarden Euro Jahresumsatz und 300 000 Beschäftigten, knapp zwei Drittel davon in Deutschland. Dazu gehört ein Schienennetz von 36 000 Kilometern Länge, die größte Spedition Europas, eine erfolgreiche britische Bahn, Züge, Busse und Grundstücke. Millionen Fahrgäste sind im Nahverkehr auf die Leistungen des Unternehmens angewiesen, das praktisch überall in Deutschland präsent ist.
Gesucht wird aber auch jemand, der die Energie, das Durchhalte- wie Leidensvermögen für den „zweitverrücktesten Job der Republik“mitbringt. So hat der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder den Posten des Bahnchefs einmal beschrieben. Diese Einordnung hat mit den Besonderheiten der Bahn zu tun. Es ist das größte noch in Staatsbesitz befindliche Unternehmen. Die Vorgaben für den neuen Chef kommen daher von Politikern, nicht von Aktionären. Die Bahn muss zugleich wirtschaftlich sein und die Mobilität der Gesellschaft in der Fläche sicherstellen.
Potenziellen Kandidaten für den Chefposten hat das Unternehmen vor allem Aufregung zu bieten. Das Salär des Vorstandsvorsitzenden ist im Vergleich zu anderen Großkonzernen eher überschaubar. Zu einem Festgehalt von 900 000 Euro summerien sich noch erfolgsabhängige Bonuszahlungen. Im Verlustjahr 2015 kam Grube insgesamt auf 1,4 Millionen Euro. Daimler-Chef Dieter Zetsche konnte im gleichen Jahr das Zehnfache einstreichen.
Bewerben können sich Interessenten um diesen Job nicht. Man wird gefragt. Für eine Aufgabe dieser Größenordnung und Komplexität kommen in Deutschland nach Einschätzung des Personalberaters Wolfram Tröger vom Fachverband Personalberatung nur ein paar Manager in Frage. „Die Auswahl ist nicht trivial“, sagt der Experte. Zunächst müsse der Eigentümer aber eine strategische Diskussion über die Ausrichtung des Konzerns führen. Blindbewerbungen sind auf jeden Fall zwecklos. Das letzte Wort über die Besetzung des Postens liegt am Ende bei der Bundeskanzlerin.
Ob es vor der Bundestagswahl überhaupt zu einer Neubesetzung kommt, wird in Fachkreisen angezweifelt. Derzeit führt Finanzvorstand Richard Lutz die Geschäfte. Hausintern wurde bislang nur der ehemalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla als Nachfolger genannt.