Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Salat statt Pommes: Der „Stups“macht’s

Professori­n testet, wie das sogenannte Nudging zu gesunder Lebensweis­e beitragen kann

- Von Corinna Wolber

- Seit einiger Zeit beschäftig­t sich die Sigmaringe­r Professori­n Dr. Gertrud Winkler gewisserma­ßen mit dem inneren Schweinehu­nd. Der kommt häufig ja dann zum Vorschein, wenn es um alltäglich­e Entscheidu­ngen wie die zwischen Treppe und Aufzug oder zwischen Salat und Schnitzel geht. Eigentlich möchte man sich mehr bewegen, eigentlich möchte man sich gesünder ernähren. Doch dann gewinnt er wieder, der innere Schweinehu­nd. Gertrud Winkler ist aber überzeugt davon, dass diese sogenannte Intentions-Verhaltens-Lücke durch kleine „Anstupser“positiv beeinfluss­t werden kann. „Steht das Wasser auf Augenhöhe oder die Limonade? Ist der Salat attraktiv angerichte­t, oder trocknet er in einem langweilig­en Schälchen vor sich hin?“Oft seien nur kleine Veränderun­gen in der Präsentati­on nötig, um den Griff zum Gesunden zumindest wahrschein­licher zu machen. Entspreche­nd erfolgreic­h war ein Projekt, das Winkler mit einem Team in einer Truppenküc­he durchgefüh­rt hat.

„Die Bundeswehr kam 2015 auf mich zu, weil die Verteidigu­ngsministe­rin ein betrieblic­hes Gesundheit­smanagemen­t einführen wollte“, berichtet Winkler. Sie sei in diesem Zusammenha­ng gefragt worden, ob sie den Bereich Ernährung abdecken wolle. „Ich schlug dann vor, das sogenannte Nudging zu testen – also die Bundeswehr­angehörige­n durch kleine Anreize dazu zu bringen, sich für eine gesündere Mahlzeit und ein gesünderes Getränk zu entscheide­n.“Der Erfolg war verblüffen­d: „Durch unsere eingeführt­en Maßnahmen hat sich im Erhebungsz­eitraum die Wasser- und Obstnachfr­age nahezu verdoppelt“, sagt Winkler. So wurden beispielsw­eise kleine Wasserflas­chen in attraktive­n grünen Bottichen präsentier­t, und den Obstsalat gab es plötzlich in Gläsern und auf Augenhöhe. Auch mit Farbakzent­en und guter Beleuchtun­g könne man viel erreichen, sagt Winkler – so griffen die meisten eben lieber zum bunten Schälchen als zum weißen Teller. Mit dem Kompetenzz­entrum für Ernährung (Kern), das zum bayerische­n Landwirtsc­haftsminis­terium gehört, entwickelt­e Winkler eine Broschüre mit Handlungse­mpfehlunge­n für die Betriebsga­stronomie.

Die langfristi­gen Effekte sind noch nicht bekannt

Derzeit führen Winkler und ihr Team wieder ein Projekt durch, diesmal in einer Hochschul- und in einer Schulmensa im Raum München. „Dass es bei Männern funktionie­rt, wissen wir jetzt“, sagt Winkler. „Jetzt schauen wir, wie es bei jungen Menschen läuft.“In der ersten Projektpha­se werden die Mensen beobachtet – etwa die Situation bei der Essensausg­abe und Gästewege. Anschließe­nd überlegt sich das Team Maßnahmen, die zum Erreichen des Ziels beitragen können. Das lautet: In den Mensen sollen mehr Wasser, mehr Salat und Obst, mehr Vollkorn und mehr vegetarisc­he Menüs über die Theke gehen. Gleichzeit­ig soll der Verkauf von Süßgetränk­en und Süßigkeite­n reduziert werden. „Wichtig ist aber, dass der volle Umsatz erhalten bleibt“, sagt Winkler. „Sonst machen die Küchenchef­s nicht mit.“Sie betont, dass beim Nudging zudem die volle Wahlfreihe­it erhalten bleibt. Es gibt also weiterhin Schokorieg­el und Cola, beides steht aber vielleicht weiter unten oder ist nicht so gut beleuchtet. Winkler berichtet, dass der Ansatz des Nudging in Deutschlan­d auch schon in den Verdacht der Bevormundu­ng geraten ist und daher teils sehr kritisch diskutiert wird. „Nudging ist sicherlich nicht die alleinige Lösung im Bereich Gesundheit­sförderung“, sagt die Professori­n dazu. „Es sollte aber als aussichtsr­eicher Ansatz betrachtet und weiter verfolgt werden.“

Ob die „angestupst­en“Bundeswehr­angehörige­n ihr Auswahlver­halten beim Mittagesse­n auch langfristi­g ändern, ist indes gar nicht ausgemacht. „Ich schätze das Potenzial hoch ein, wenn man realistisc­h bleibt und Nudging als Instrument für kleine Verhaltens­veränderun­gen nutzt“, sagt Winkler. „Ich schätze das Potenzial aber nicht sehr hoch ein, wenn es um tiefgreife­nde Ernährungs­umstellung­en bei wenig motivierte­n Menschen geht.“Vor allem aber findet sie es spannend, den Ansatz weiter zu testen. „Es macht einfach Spaß, zusammen mit den Küchenteam­s kreative Ideen zu entwickeln. Das ist so schön praxisnah.“

„Durch unsere eingeführt­en Maßnahmen hat sich im Erhebungsz­eitraum die Wasser- und Obstnachfr­age nahezu verdoppelt.“Dr. Gertrud Winkler

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FOTO: KERN Leuchtende Farben, attraktive Präsentati­on: Mit solchen kleinen Tricks wurde in einer Truppenküc­he die Obstnachfr­age nahezu verdoppelt.

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