Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Bundesliga im Kaufrausch
Clubs geben annähernd 100 Millionen Euro aus auf dem Wintertransfermarkt – Auch Augsburg und Freiburg schlagen im letzten Moment zu
(sz/SID) - Am Ende ließen sich sogar die Verantwortlichen des FC Augsburg noch anstecken vom allgemeinen Kaufrausch der Fußball-Bundesligisten. Mit einem schlichten „Nein!“hatte Augsburgs Manager Stefan Reuter im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“vor Rückrundenstart die Frage beantwortet, ob er einen Wintertransfer plane. Doch diese Gelegenheit wollten sie sich in Augsburg dann wohl doch nicht entgehen lassen. In Moritz Leitner kehrt ein verlorener Sohn zurück. Der technisch beschlagene Mittelfeldspieler, dessen Spiel an guten Tagen an jenes von Bayern Münchens Spielgestalter Thiago erinnert, stand bereits in der Saison 2010/2011 im Kader der Augsburger. Damals war er, gerade von Borussia Dortmund aus seinem Vertrag bei seinem Jugendverein 1860 München herausgekauft, für sechs Monate an den FCA ausgeliehen worden. Leitner schlug in Augsburg voll ein. Es sollte freilich die einzige Station bleiben, wo der heute 24-Jährige vollends überzeugt hat. Weder beim BVB, noch später beim VfB Stuttgart und zuletzt ein halbes Jahr bei Lazio Rom konnte er sich dauerhaft durchsetzen. Bei Lazio brachte er es gar nur zu zwei Kurzeinsätzen in der italienischen Serie A.
Nun wagt er einen neuen, vielleicht sogar letzten Anlauf, seine so hoffnungsvoll begonnene Karriere dauerhaft auf Kurs zu bringen. In Augsburg, bei seinem früheren Lehrer. Als Leitner nämlich einst die Walter-Klingenbeck-Realschule im Münchner Vorort Taufkirchen besuchte wurde er unter anderem unterrichtet von – Manuel Baum, mittlerweile vom Schuldienst freigestellter Cheftrainer des FCA. 1,5 Millionen Euro soll Augsburg nach Rom überwiesen haben für Leitner.
Damit hat also auch Augsburg seinen Beitrag geleistet zum Transferrekord der Bundesliga. Fast 100 Millionen Euro und damit rund 34 Millionen mehr als im bisherigen RekordWinter 2014/15 investierten die 18 Vereine in der am Dienstag, 18 Uhr, zu Ende gegangenen Wintertransferperiode – meist für Talente, die irgendwann einmal zur Stars heranreifen sollen. Nur Bayern München, Ingolstadt und Hertha BSC haben den Geldbeutel zugelassen, Freiburg verpflichtete am späten Nachmittag noch den 21 Jahre alten Mittelfeldspieler Vincent Sierro vom FC Sion.
Allein der 17-jährige Alexander Isak (für zehn Millionen Euro zu Borussia Dortmund), Leon Bailey (19 Jahre, zwölf Millionen/Bayer Leverkusen) und Dayot Upamecano (18 Jahre, für zehn Millionen zu RB Leipzig) kosteten zusammen über 30 Millionen Euro, alle drei könnten eigentlich noch zur Schule gehen. Auch Riechedly Bazoer (20 Jahre, für zwölf Millionen zum VfL Wolfsburg) und Walace (21 Jahre, 9,2 Millionen/ Hamburger SV), der bei seinem ersten Training in Hamburg zum ersten Mal in seinem Leben Schnee sah, haben ihre Teenager-Zeit gerade erst hinter sich.
Wetten auf die Zukunft
Die Bundesliga folgt mit dem Winterkaufrausch einem europaweiten Trend, früher galt unter deutschen Fußballmanagern eher die Devise: „Im Winter kauft nur ein, wer im Sommer schlecht gearbeitet hat.“Geholt wurden vor allem gestandene Spieler, die den Clubs im Zweifel sofort weiterhelfen sollten. Oder Jüngere, die dringend Spielpraxis brauchten. Mittlerweile sind teure Winterverpflichtungen von Jungstars, die immer auch Wetten auf die Zukunft sind, zum normalen Geschäftsmodell geworden.
„Alexander ist ein hochkarätiges Sturmtalent, das zahlreiche europäische Topklubs verpflichten wollten. Der BVB ist genauso wie der Spieler absolut überzeugt davon, dass dieser Transfer einer mit großer Perspektive ist“, sagte BVB-Sportdirektor Michael Zorc über den Dortmunder Königstransfer, der in seinem Heimatland Schweden schon als „neuer Zlatan“(Ibrahimovic) gehandelt wird.
Ähnlich groß war die Freude in Leverkusen über die Verpflichtung Baileys, der bei etlichen Vereinen auf dem Einkaufszettel stand. RB hat dagegen viel Geld an den Schwesterclub aus Salzburg bezahlt, also irgendwie an sich selbst. Auf Upamecano kann sich die Liga trotzdem freuen.
Transferkönig bleibt aber Wolfsburg: Nach der desaströsen Hinrunde kamen fünf Neue (darunter KrkicVorgänger Yunus Malli) für insgesamt 33 Millionen Euro. Vor allem dank des Wechsels von Julian Draxler zu Paris St. Germain für 45 Millionen Euro schrieben die Wölfe schwarze Zahlen. Ligaweit blieb der DraxlerTransfer aber die Ausnahme – rund 85 Millionen Euro wurden auf deutsche Konten überwiesen. Dass der Hamburger SV trotz rund 75 Millionen Euro Verbindlichkeiten so viel Geld für Walace und Mergim Mavraj (1,8 Millionen Euro/vom 1. FC Köln) ausgeben konnte, verwundert – aber die Abstiegsangst setzte schon oft nicht nur Kräfte, sondern auch finanzielle Mittel frei. unter Die Top-Ten der teuersten Zu- und Abgänge in der Bundesliga finden Sie