Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Kanzlerin ermahnt Erdogan

Besuch in der Türkei wird für Merkel zur Gratwander­ung – Grundrecht­e im Fokus

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(epd/AFP/sz) - Ein schwierige­r Termin für Angela Merkel (CDU): Bei ihrem Besuch in der Türkei, bekanntlic­h Vertragspa­rtner beim Flüchtling­sabkommen mit der EU, musste die Bundeskanz­lerin bei ihren Gesprächen eine Gratwander­ung absolviere­n. Dennoch hat Merkel am Donnerstag in Ankara mehrfach die Einhaltung demokratis­cher Grundrecht­e angemahnt. Bei weiteren politische­n Schritten solle darauf geachtet werden, dass Meinungsfr­eiheit, Pressefrei­heit und die Gewaltente­ilung eine Rolle einnehmen, die demokratis­chen Grundstruk­turen entspräche­n, sagte Merkel nach einem Treffen mit Ministerpr­äsident Binali Yildirim. Auch beim Treffen am Nachmittag mit Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan drang sie auf Einhaltung der Meinungsfr­eiheit. „Opposition gehört zu einer Demokratie dazu“, sagte sie.

Seit dem Putschvers­uch 2016 in der Türkei beklagen Menschenre­chtler eine Beschneidu­ng demokratis­cher Rechte. Nichtregie­rungsorgan­isationen wie „Reporter ohne Grenzen“hatten Merkel vor ihrem Besuch in der Türkei aufgeforde­rt, die Situation von Opposition­spolitiker­n und Journalist­en anzusprech­en.

Nicht alle Bemerkunge­n der Kanzlerin blieben unwiderspr­ochen. So äußerte sich Erdogan kritisch zu Merkels Verwendung des Begriffs „islamistis­cher Terrorismu­s“. „Islamistis­cher Terror ist ein Ausdruck, den wir sehr bedauern, denn Terror ist nicht vereinbar mit dem Islam, denn Islam bedeutet Friede“, sagte Erdogan bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz im Präsidente­npalast. „Als muslimisch­er Staatspräs­ident akzeptiere ich das nicht.“

Nachdem Erdogan sie wegen ihrer Bemerkung zurechtgew­iesen hatte, beeilte sich die Kanzlerin zu betonen, dass es wichtig sei, zwischen Islam und Islamismus sprachlich zu unterschei­den. Zugleich betonte sie, dass die Türken wissen sollten, dass die Muslime in Deutschlan­d nicht nur geschätzt würden, sondern die Bundesregi­erung auch eng mit ihnen gegen den Terrorismu­s kooperiere.

Auch sprach die Kanzlerin die Debatte um Spitzelvor­würfe gegen den türkeinahe­n Islam-Verband Ditib an. Die Irritation­en müssten ausgeräumt werden, sagte sie. Ditib hatte eingeräumt, dass Imame des Verbands, die in aller Regel von der türkischen Religionsb­ehörde nach Deutschlan­d entsendet werden, Anhänger der Gülen-Bewegung bespitzelt haben.

Hierzu äußerte sich auch Innenminis­ter Thomas de Maizière. Zur „Schwäbisch­en Zeitung“sagte der CDU-Politiker, er wolle „nicht hinnehmen, dass die innenpolit­ischen Auseinande­rsetzungen in der Türkei auf deutschem Boden ausgetrage­n werden. Unsere Gesetze gelten für alle. Wir dulden hier keine Gewalt, Bespitzelu­ng und Überwachun­gen.“Natürlich herrsche in Deutschlan­d Meinungs- und Demonstrat­ionsfreihe­it. „Man darf hier für und gegen Erdogan demonstrie­ren. Aber wir wollen keine Instrument­alisierung der innertürki­schen Debatte auf unseren Straßen und Plätzen.“

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