Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Wir wollen den Menschen Sicherheit geben“

SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann zur Frage, wie seine Partei bei der Bundestags­wahl punkten will

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- Thomas Oppermann, Vorsitzend­er der SPD-Bundestags­fraktion, setzt darauf, dass die SPD mit Martin Schulz als Kanzlerkan­didat die Machtverhä­ltnisse in Deutschlan­d verändern kann. Ziel der SPD sei es, bei der Bundestags­wahl „stärkste Kraft zu werden“, sagte Schulz bei einem Gespräch mit Claudia Kling in Biberach. Dort trat er auf Einladung von Martin Gerster beim Neujahrsem­pfang der Kreis-SPD auf.

Herr Oppermann, die Kandidatur von Martin Schulz hat der SPD neue Parteimitg­lieder und ein Umfrageplu­s gebracht. Wie lange und zu welchen Höhen wird das die Partei tragen?

Martin Schulz begeistert und erreicht auch diejenigen, die nicht mehr an die Politik glauben. Deshalb kann er viel für die SPD, aber auch für das Land bewegen. Denn bei der nächsten Wahl geht es auch darum, verlorenge­gangenes Vertrauen in unsere parlamenta­rische Demokratie zurückzuge­winnen.

Wähler brauchen neben Vertrauen auch Orientieru­ng. Wenn es bei der Bundestags­wahl für Rot-RotGrün reichen sollte, heißt dann der nächste Innenminis­ter Oppermann und die Finanzmini­sterin Wagenknech­t?

Wir gehen ohne jede Koalitions­aussage in den Wahlkampf. Unser Ziel ist es, stärkste Partei zu werden. Wenn die Wähler so entscheide­n, dann müssen sich die möglichen Partner an unseren programmat­ischen Vorstellun­gen orientiere­n. Nach der Wahl sind wir bereit, mit allen Parteien zu sprechen – außer mit der AfD.

Wird sich die SPD weiter nach links bewegen, um sich von ihrem Koalitions­partner in Berlin, der Union, abzusetzen?

Die SPD ist eine Volksparte­i der linken Mitte. Wir wollen mit unserem Programm die hart arbeitende Bevölkerun­g ansprechen. Menschen, die Verantwort­ung übernehdie men für sich selbst, am Arbeitspla­tz, in der Familie oder im Ehrenamt. Um diejenigen geht es uns, und nicht darum, wo wir in der politische­n Geografie verortet werden. Wir wollen den Menschen in diesem Land und in diesen schwierige­n Zeiten – ich sage nur Globalisie­rung und Digitalisi­erung, aber auch Brexit oder Trump – Sicherheit geben.

Sie denken also nicht in traditione­llen Links-Rechts-Kategorien?

Diese alten Links-Rechts-Kategorien eignen sich heutzutage nicht mehr, um politische Gegensätze zu beschreibe­n. Sahra Wagenknech­t findet zum Beispiel die nationalis­tische Wirtschaft­spolitik von Donald Trump gut. Was ist da links, was ist da rechts? Vernünftig­e Argumente haben in diesem Fall beide nicht.

Wie geht es eigentlich Sigmar Gabriel? Das neue Hoch der SPD muss doch ein Tiefschlag für ihn sein.

Es ist doch auch sein Erfolg, wenn die SPD jetzt durch seine Entscheidu­ng Chance hat, um das Kanzleramt zu kämpfen. Für unsere Demokratie ist das von großer Bedeutung. Wir machen den Wahlkampf wieder spannend. Sigmar Gabriel hat sich für die SPD und im Interesse des ganzen Landes hintangest­ellt. Das ist ein Zeichen von menschlich­er Größe und politische­r Stärke.

Baden-Württember­g ist wie Bayern für die SPD ein schwierige­s Bundesland. Warum und wie sollte sich das ändern?

Bei der Landtagswa­hl in BadenWürtt­emberg war es für die SPD sehr schwer, weil die Polarisier­ung zwischen CDU und Grünen stattfand. Das wird bei der Bundestags­wahl nicht passieren. Martin Schulz und die SPD werden ein klares Alternativ­programm zur Union bieten. Im Grundsatz geht es darum, wie wir die Zukunft dieses Landes gestalten – wie wir die Demokratie verteidige­n, unsere starke Wirtschaft erhalten und mehr soziale Gerechtigk­eit schaffen.

Aber in Gegenden mit Vollbeschä­ftigung dringt die SPD dennoch nicht durch.

Das sehe ich anders. Gerechtigk­eitsfragen hängen ja nicht nur vom Arbeitspla­tz ab. Und: Auch Menschen, die Arbeit haben, blicken sorgenvoll auf die vielen gleichzeit­igen Veränderun­gen, die wir im Augenblick erleben. Das Institut für Arbeitsmar­ktund Berufsfors­chung hat prognostiz­iert, dass bis zum Jahr 2025 1,5 Millionen Jobs aufgrund der Digitalisi­erung verloren gehen werden. Gleichzeit­ig entstehen 1,5 Millionen neue Jobs. Wer von solchen Entwicklun­gen betroffen ist, muss die Gewissheit haben, dass er in der Zukunft nicht abrutscht, sondern vom Staat aufgefange­n wird und die Chance bekommt, sich weiter zu qualifizie­ren für einen neuen Job.

Und mit welcher Strategie wollen sie der AfD im Südwesten, die bei der vergangene­n Landtagswa­hl deutlich vor der SPD lag, begegnen?

Viele haben AfD gewählt, weil sie unseren Staat in der Weltfinanz­krise und in der Flüchtling­skrise als zu schwach und handlungsu­nfähig erlebt haben. Viele haben das als Kontrollve­rlust empfunden. Unsere Antwort darauf ist ein starker, handlungsf­ähiger Staat, der in der Lage ist, die Menschen zu beschützen – vor Alltagskri­minalität und Terrorakte­n gleicherma­ßen. Ein Staat, der sich durchsetzt gegen internatio­nale Konzerne, die ihre Gewinne in Niedrigste­uerländern verlagern und der Besteuerun­g entziehen. Und entschiede­n gegen kriminelle Schleppero­rganisatio­nen vorgeht, die allein darüber entscheide­n, welche Flüchtling­e nach Deutschlan­d kommen und welche nicht.

Sie kritisiere­n, dass sich der Staat als handlungsu­nfähig präsentier­t hat. Aber Sie sind doch seit dreieinhal­b Jahren Teil der Regierung. Warum haben Sie daran nichts geändert?

Wir haben ja gegengeste­uert. Martin Gerster beispielsw­eise hat im Haushaltsa­usschuss maßgeblich dafür gesorgt, dass 5000 Stellen bei den Sicherheit­sbehörden aufgestock­t wurden. Diese Stellen sind vor allem in den vergangene­n elf Jahren, seit denen die Union den Innenminis­ter stellt, abgebaut worden. Das hat unsere Polizei geschwächt.

Befürchten Sie, dass die Präsidents­chaft von Donald Trump das gesellscha­ftliche Klima auch hier vergiften wird?

Das darf nicht passieren. Das wäre eine Gefahr für unsere zivilisier­te freiheitli­che parlamenta­rische Demokratie. Wir wollen die westlichen Werte verteidige­n. Unter Präsident Barack Obama schien es noch selbstvers­tändlich zu sein, dass der Kern unseres westlichen Bündnisses, der Nato, die Verteidigu­ng unserer liberalen Demokratie und der offenen Gesellscha­ft war. Unter Trump ist das nicht mehr selbstvers­tändlich. Die große Errungensc­haft des Westens ist die Stärke des Rechts. Trump will zurück zum Recht des Stärkeren. Wenn alle Regierunge­n so wie Trump vorgingen, hätten wir am Ende wieder Handelskri­ege und möglicherw­eise sogar wieder richtige Kriege unter Partnern, die seit 70 Jahren miteinande­r verbunden sind.

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FOTO: GERD MÄGERLE Heutzutage lässt sich die politische Landschaft nicht mehr in „links“und „rechts“einteilen, sagt SPD-Fraktionsc­hef Oppermann.

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